#52 Verspätung

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Zero

Nachdem ich mit meinen Terminen fertig war, hatte ich mich zu Amber hinter den Tresen gesetzt. Mittlerweile wurde ich ungeduldig, da Emilio schon etwas über eine Stunde zu spät war. Da ich nicht andauernd auf die Tür schauen wollte, entschied ich mich zu Liz zugehen.

„Du bist noch hier?", fragte sie verwundert. „Sieht so aus", murrte ich. „Setz dich doch", deutete sie auf den Stuhl.

Seufzend ließ ich mich auf die Sitzgelegenheit nieder. Innerlich malte ich mir bereits etliche Szenarien aus, warum Emilio zu spät war. Eine davon war, dass er mich nur benutzt hatte und diese konnte ich am schlechtesten vertreiben.

„Liz, bekomme ich den nächsten Buchstaben?", fragte ich, um mich abzulenken. „H, aber darf ich dir etwas zu deinem Namen sagen?", wollte Liz wissen, was ich bejahte. „Er passt zu dir, wenn du dich nicht versuchst dich zu schützen", lächelte sie. „Hör auf mich neugierig zumachen", meinte ich.

Liz hatte es nur mit dem einem Satz geschafft, dass ich meinen Namen komplett wissen wollte. Krampfhaft unterdrückte ich dieses Bedürfnis, obwohl sie mich wissend anlächelte. Ungeduldig spielte ich mit den Schnüren meiner Jogginghose.

„Ich finde es schön, dass du endlich jemanden hast, der dich liebt, wie du bist", lenkte Liz ab. „Danke, aber ich habe es ihm wirklich nicht einfach gemacht", gab ich zu. „Auf keinen Fall. Trotzdem hat Emilio nicht aufgegeben. Der würde alles machen, damit es dir gut geht", meinte sie. „Habe ich gemerkt", schmunzelte ich.

Es hätte alles anders Enden können, aber wir hatten es geschafft. Emilio hat daran geglaubt, dass ein Wir existieren konnte. Bis jetzt lief es auch wirklich gut, worüber ich sehr glücklich war. Ich konnte bei ihm sein, wie ich es war ohne mich zu verstellen. Manchmal fiel es mir schwer über meine Gedanken und Gefühle zu kommunizieren, aber von Tag zu Tag schien es einfacher zu werden.

„Manchmal denke ich, dass ich ihm nicht genug zurückgebe", meinte ich. „Für ihn zählt, dass du da bist. Etwas schöneres kann es für ihn nicht geben", versuchte Liz mir die Sorge zunehmen. „Ich hör ihm zu und gebe ihm Zuneigung, aber mehr auch nicht. Vielleicht möchte er ja noch etwas ganz anderes", überlegte ich. „Sprich Emilio darauf an, wenn du das denkst", schlug sie vor, wodurch ich nickte.

Es war wahrscheinlich besser, wenn ich Emilio darauf ansprach. Ich vertraute ihm, dass er mit mir reden würde, wenn etwas nicht stimmte. Für mich war es schon schön, dass er mir über das Gespräch mit seiner Mutter besprechen würde, selbst wenn, was auch immer, nicht funktionierte.

Auf einmal spürte ich, wie jemand meine Haare über die Lehne und somit über meine Schultern legte. Liz schaute nach oben, wobei sie lächelte. Alleine schon an dem Duft erkannte ich, dass es Emilio war. Schmunzelnd legte ich meinen Kopf, um zu ihm hochzuschauen, wobei ich erkannte, dass er abgehetzt aussah.

„Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Mir ist ein Reifen geplatz. Als ich die Stelle absperren wollte, ist noch so ein alter seniler Opa in mein Auto gefahren. Es hat so lange gebraucht, bis ich einen Ersatzwagen hatte", entschuldigte Emilio sich direkt. „Aber dir geht es gut und du bist unverletzt?", hakte ich nach. „Ja, alles gut, mach dir keine Sorgen", drückte er mir einen kurzen Kuss auf den Mund.

Wie ein kleines Kind quietschte Liz auf, was mich ihr einen Todesblick zuwerfen ließ. Das quietschen verwandelte sich zu einem Lachen. Seufzend stand ich auf, um Emilio nochmal vernünftig mit einer Umarmung zu begrüßen. Flehend schaute ich ihn an, da ich los wollte.

„Fahren wir zu dir?", fragte ich, da er nichts verstand. „Ja, aber wir fahren vorher noch etwas essen", meinte Emilio. „Können wir nicht zusammen etwas kochen?", wollte ich wissen. „Der, der noch nie gekocht hat, will kochen?", lachte Liz, was ich genervt bejahte. „Wir machen etwas einfaches, aber dafür müssen wir noch einkaufen", meinte Emilio, wodurch ich nickte. „Bis morgen", rief Liz uns hinterher, als wir ihr Büro verließen.

Zügig verabschiedete ich mich noch von Amber, bevor ich Emilio nach draußen folgte. Die kalte Luft verursachte sofort eine Gänsehaut, die schließlich durch das warme Auto nicht lange anhielt. Es dauerte nicht lange, bis wir an einem Supermarkt ankamen. Da ich nicht mit rein wollte, blieb ich alleine im Auto sitzen.

Obwohl meine Termine nicht schlecht verlaufen waren, hatte ich keine Lust auf Menschen. Meine Kapazität für soziale Kontakte reichte gerade so für Emilio. Seufzend kuschelte ich mich müde in den Sitz. Bevor ich überhaupt einschlafen konnte, riss Lio die Fahrertür auf. Grinsend hielt er mir einen Schokoriegel hin, welchen ich sofort verspeiste.

„Alles gut bei dir?", fragte Emilio nach, als er den Motor startete. „Mach dir keine Sorgen", winkte ich ab. „Ist etwas passiert?", hakte er weiter nach. „Nein, sei mir nicht böse, aber ich möchte gerade ein wenig ruhe. Wir können gleich reden, wenn wir zuhause sind", bat ich ihn. „In Ordnung", lächelte er, was mich erleichterte.

Meinen Kopf legte ich gegen die kalte Scheibe, des Autos, wobei ich meine Beine an mich zog. Emilio schaute konzentriert auf die Straße, während die Stadt und die Lichter an uns vorbei zogen. Nachts konnte vieles schöner, aber auch gruseliger wirken lassen. Tagsüber schien die Stadt viel lebendiger.

Als wir am Wohnkomplex ankamen, nahm Emilio die Einkaufstüte, während ich Ausstieg. Während wir auf den Aufzug warteten, drückte er mir einen keinen kurzen Kuss gegen den Haaransatz. Ich wusste nicht warum, aber mir kam die Situation so surreal vor.

„Was ist los?", legte Emilio seine Unterarme auf meine Schulter, nachdem er den Einkauf ausgeräumt hatte. „Gebe ich dir genug zurück?", fragte ich gerade heraus. „Natürlich, mach dir darüber keinen Kopf. Wenn es nicht so sein sollte, würde ich dir das schon sagen", lächelte er liebevoll. „Sicher?", hakte ich nach, wodurch Emilio nickte.

Ich wollte es nicht zerdenken, wodurch ich versuchte ihm bestmöglich zur Hand zugehen. Geduldig zeigte er mir, wie man am besten Karotten oder Zucchini schnitt. Lustigerweise hatte ich noch nichtmal eine Ahnung, was wir da eigentlich kochten.

„Wie war es bei deiner Mutter?", fragte ich interessiert. „Akzeptabel. Ich hatte mit ihr gesprochen, ob ich aus der Firma aussteigen kann. Sie möchte es nicht, aber hat mir angeboten, dass ich zu unserer Zweit Stelle wechseln kann. Das wären nur vierzig Kilometer von hier weg", erzählte Emilio mir. „Das hört sich gut an. Kann es sein, dass du dich mit ihr besser verstehst als mit deinem Vater?", wollte ich wissen. „Dad und ich hatten schon immer Differenzen, aber das wirst du wohl schon gemerkt haben. Wenn ihm etwas an mir am meisten stört, dann meine Sexualität", erklärte er.

Ja, das hatte ich schon bei dem danebengegangen Essen bemerkt. Von ihm hatte ich keinen sonderlich guten Eindruck, aber den hatte ich schon, bevor er das erste Wort gesagt hatte. Er strahlte sofort etwas negatives aus. Emilio schien damit kein Problem zuhaben, aber er war schließlich mit ihm aufgewachsen.

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