Chapter 4

44 8 4
                                    

- Hyunjin -

Ich war ein Arsch. Schlimmer. Ich war ein Wichser und verdiente wahrscheinlich einen Schlag ins Gesicht. Warum zur Hölle, konnte ich nicht einfach die Ruhe bewahren und ohne Wutausbruch aus einer Streitsituation raus gehen? Warum packte ich es nicht, mir einfach auf die Zunge zu beißen und meine gottverdammte Fresse zu halten?

Zehn Minuten nachdem Seungmin mein Apartment verlassen hatte, bereute ich meine Worte. Nicht nur meine Worte, auch die Art wie ich sie von mir gegeben hatte. Ich hatte ihn angeschrien. Das war jahrelang nicht mehr passiert und ich war so unfassbar wütend auf mich selbst, weil mich Jeongin nach drei Jahren noch immer aus der Fassung brachte. Dabei war er nicht mal im Raum, lediglich sein Name hatte hier Platz gefunden.

"Fuck!" meine Stimme schallte aufgrund der hohen Decken durch den Raum. Ich hatte Seungmin mehrere Nachrichten geschrieben, ihn versucht anzurufen, aber keine Reaktion. Seungmin hat mich vieles Durchgehen lassen, aber diesmal war ich wahrscheinlich zu weit gegangen. Ich wusste, dass er ein Geständnis von mir wollte. Ein "Ja, ich liebe Jeongin noch.", welches nicht nur in meinem Kopf existierte, aber es laut auszusprechen scheiterte schon an dem Ja.

Ich lief im Wohnzimmer auf und ab, trank unnötig viel Wasser in der Küche und ging öfter die Treppe rauf und wieder runter, als in dem ganzen Jahr zusammen, in dem ich hier wohnte.

Ich versuchte es ein erneutes mal bei Seungmin, aber wieder wurde ich nur zur Mailbox weitergeleitet. "Min, ruf mich bitte zurück. Es tut mir leid, ich bin zu weit gegangen. Mal wieder. Ich bin ein Arsch, ich weiß. Bitte nimm dir die Zeit und hör mir zu." Meine Stimme bebte, man hörte das klackern meiner Zähne.

Als ich Jeongin als meinen festen Freund verlor, hatte ich mich in Frankreich versteckt. Bei Seungmin würde ich in die Hölle gehen.

-

"Hyunjin, ich reiß dir deinen Arsch auf. Wo zur verfickten Hölle steckst du?"

Ich hatte das Gaspedal komplett durchgedrückt, als ich über die Autobahn fuhr. "Ich bin in..." mein Blick fiel auf das Navi "...zwölf Minuten da."

"Du hättest schon vor zwei Stunden hier sein sollen und hast meine Anrufe ignoriert. Verdammter Egoist, wenn du nicht so gut zahlen würdest, würde ich dich aus unserer Firma schmeißen." Jihyo wusste, dass ihre Chefin mich niemals feuern würde. Zu meinem Glück war ich der am besten zahlende Künstler.

"Gib mir fünf Minuten." Ich legte auf, überholte einen Mercedes-Benz und schaffte es gerade noch über eine Gelbphase der Ampel. Fünf Minuten später stand ich auf dem Parkplatz meines Managements.

"Ich hasse dich!" meine Managerin stand vor der Tür, auf ihrer Haut klebten Nikotinpflaster, die unter dem Ärmel ihrer Bluse rausschauten. "Tust du nicht." sagte ich zwinkernd, sie blieb weiterhin mit wütender Miene stehen. "Glaubst du eigentlich, dass sich meine ganze Welt um dich dreht? Ich habe eine Freundin, mit der ich heute Jahrestag habe und stattdessen muss ich auf dich kleinen Pisser warten, weil du nur an dich denkst."

Jihyo zu sagen, dass ich die ganze Nacht wach lag und falsche Entscheidungen bereute, passte nicht in unsere Beziehung. "Warum sagst du sowas nicht?"

"Bitte?" abtrünnig hob sie einen Braue "Ist das jetzt meine Schuld?"

"Nein, natürlich nicht! Ich wusste nicht, dass-"

"Was? Das ich meinen Jahrestag mit dir verbringe, oder dass ich eine Freundin habe?" Jihyo war wirklich kein Fan von mir, dabei hatten wir uns am Anfang sehr gut verstanden. Ich seufzte: "Ob du es glaubst oder nicht, aber meine einzige Beziehung war mit einem Jungen." Ich schaffte es tatsächlich gelassen dabei zu wirken. Jetzt hob Jihyo gleich beide Brauen: "Du? In einer Beziehung? Das schockt mich mehr als das Geschlecht."

Tatsächlich musste ich auflachen, was uns beide schockierte. "Steig ein." sagte ich und zeigte auf meinen Sportwagen.

"Was, wieso? Du kommst jetzt eher ins Gebäude. Wir haben ein Meeting, schon vergessen?" Jihyos überraschter Gesichtsausdruck meines Lachens wegen, verschwand schnell wieder und wurde ein genervter.

"Find's echt süß, dass du ein Treffen zwischen uns beiden Meeting nennst, obwohl wir beide wissen, dass du erzählst und ich mit dem Kopf nicke. Jetzt steig ein." langsam bewegte ich mich auf mein Auto zu.

"Hyunjin. Das Meeting!" Jihyos Stimme war fast schon trotzig, als sie versuchte mich zurückzurufen.

"Ich nicke eh alle ab, was du sagst. Das können wir auch in Auto machen. Jetzt steig in den beschissenen Wagen ein." Ich rollte mit den Augen, als ich mich wieder zu Jihyo drehte.

"Gott, bist du sturr! Wo willst du denn hin?"

"Na wohin wohl? Dich zu deiner Freundin bringen. Ich habe schon meine Beziehung zerstört, ich zerstöre nicht auch noch die von anderen." Ich öffnete die Beifahrertür und schaute sie so lange an, bis sie sich in Bewegung setzte. Sie schien sich nicht mehr dagegen wehren zu wollen.

-

"Willst du darüber reden?" Die ersten zehn Minuten hatte Jihyo geschwiegen. Lediglich die Adresse ihrer Wohnung hatte sie mir genannt. Aus dem Radio ertönte leise Musik, die die unangenehme Stille nicht ganz so unangenehm machte.

"Über meine gescheiterte Beziehung?" Ihr Blick vorhin hatte mir deutlich gemacht, dass mein Satz nicht spurlos an ihr vorbei gegangen war. Mit einer schnellen Bewegung schenkte ich ihr einen Seitenblick. Nervös biss sie sich auf die Unterlippe: "Ich bin nur überrascht, dass du nicht Hetero bist. Sonst interessieren dich nur Frauen."

"Falsch." Ich setzte den Blinker nach rechts, "Queere Männer gehen das Risiko nicht ein, mit einer hetero Person zu flirten. Ich bin permanent in der Presse, immer mit einer anderen Frau an der Seite. Warum sollte irgendjemand denken, dass ich bisexuell bin?" Das war eine Lüge. Ich ging Männern absichtlich aus dem Weg, aber das ging sie nichts an.

"Stimmt und Südkorea ist nicht gerade queerfreundlich." Ein seufzen verließ ihre Lippen, genau so erdrückend wie das Thema.

Ich lachte auf: "Dafür mein kompletter Freundeskreis." Indem auch mein Exfreund war. Ich liebte mein Leben.

"Kann nicht jeder von sich behaupten." Ich hatte das Gefühl, das hinter Jihyos Worten mehr steckte, als sie sagen wollte. Die Worten schwebten zwischen uns im Raum, während ich einen LKW überholte. Wir wechselten das Thema, wissend, dass wir beide mit Situationen zu kämpfen hatten, die wir noch nicht aussprechen konnten. Als wir ankamen, beeilte sie sich damit mein Auto zu verlassen.

"Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, aber danke." Jihyo lehnte ihren Kopf nach vorne, um mir in die Augen zu sehen, sobald sie das Auto verließ.

"Ich habe dich zwei Stunden warten lassen, ich sollte mich eher entschuldigen." gab ich zu und versuchte ein Lächeln hinzubekommen.

"Worauf wartest du dann?" wartend schaute sie mich an, wirkte geradezu geduldig.

"Es tut mir leid, ich werde mehr darauf achten pünktlich zu sein." Sie hatte recht, ich war egoistisch. Ich hatte nie daran gedacht, dass sie wegen mir länger arbeiten musste oder ihr Privatleben hinten anstellte. Das erste mal seit langer Zeit lächelte Jihyo mich an, ohne es schauspielern zu müssen.

Ex // HyuninWo Geschichten leben. Entdecke jetzt