2 || Zoologischer Garten

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Zoologischer Garten"
Noch etwas verschlafen lehnte Jonna ihren Kopf an die Scheibe der U-bahn. Es war durchaus berechtigt, ihr Chef wollte sie bereits 6.30 Uhr im Büro haben, um vor dem Meeting um 8 mit ihr die wichtigsten Punkte durchzugehen. Herr Strehl war ein durchaus guter Chef, trotzdem wurde er schnell zu einer anderen Person, sobald etwas nicht so läuft wie er es will; sei es der Kaffee oder neue Kunden.

Im gläsernen Bürogebäude stieg sie aus dem geräumigen Fahrstuhl aus und wurde direkt von Sabine begrüßt.
Sabine Strehl, Frau von Michael Strehl. Sie arbeitete seit dem ersten Tag in dieser Firma, und auch wenn sie nurnoch am Empfang steht, wäre dieses Unternehmen wohl aufgeschmissen ohne sie, sie war die Firmenmutti.
„Jonna, Michael erwartet Sie bereits in seinem Büro. Ich hab Ihnen einen Kaffee auf den Platz gestellt.", teilte sie Jonna freundlich mit und zog einige Zettel hervor. „Könnten Sie auf dem Weg diese Zettel am Brett aufhängen?" Sie nickte und begab sich in Richtung des großen Glasbüros ihres Chefs.

Durch die Tür konnte sie ihn bereits die Unterlagen studieren sehen. Jonna klopfte kurz und öffnete die Tür. „Frau Beilich, schön Sie zu sehen. Wir haben einiges für das neue Bürogebäude zu besprechen. Haben sie die Pläne fertig?" - „Natürlich habe ich das." Sie zog eine Rolle aus ihrer Tasche, legte diese vor Strehls Nase und setzte sich auf den ihm gegenüber stehenden Stuhl. Dieser nahm den Deckel der Dose, in der die Pläne steckten, ab und zog diese behutsam raus, um sie sich anzusehen. „Herr Strehl, wo wird die Filiale eigentlich gebaut?", fragte Jonna ihren Chef. Er hatte öfter mal etwas erwähnt von freien Flächen für ein Bürogebäude, in München, in Frankfurt oder-
„In Hamburg. Unseren Sitz an die Küste zu erweitern ist der Schritt. Sowohl die Niederlande als auch Dänemark sind nicht sehr weit weg, das heißt, wir können anfangen, die ersten internationalen Aufträge anzunehmen." Jonna hielt ihre Tasse nun mit beiden Händen fest. Es wäre ihre Chance, weiterhin bei Strehls Architecture zu arbeiten, und wieder zurück in ihre Heimat zu ziehen. Doch bis sie das Gebäude eingerichtet und all den bürokratischen Kram erledigt hatten, würde sie vielleicht schon im ersten Mutterschaftsurlaub sein.

„Nun, da Sie schon damals als Praktikant sehr zuverlässig waren, und bis heute ein sehr wichtiges Mitglied dieser Firma sind, wolle ich Sie fragen, ob sie eventuell Interesse an der Leitung und einer Möglichen versetzung nach Hamburg hätten?", Herr Strehl schloss den eben noch geöffneten Heftern zum Projekt Hamburg und verschränkte seine Finger ineinander. Über Jonnas Gesicht fuhr Überraschung. Sie hatte im Verhältnis zu ihren Kollegen um einiges weniger Berufserfahrung, sie hatte nicht einmal die 30 überschritten und ihr Chef wollte sie als Leiterin des neuen Sitzes in Hamburg haben. „Also... Herr Strehl, ich danke Ihnen für die Möglichkeit, doch ich kann gerade keinen klaren Gedanken darüber fassen, würden Sie mir vielleicht ein wenig Bedenkzeit geben." - „Natürlich, nehmen sie sich all die Zeit der Welt.", bejahte er vollkommen entspannt und lehnte sich im Stuhl zurück. „Gut, dann war es das erstmal. Ich sehe Sie dann in einer halben Stunde im Meeting. Sie sitzen gegenüber von mir." Herr Strehl entließ Jonna aus seinem Büro, woraufhin sie sofort in ihr danebengelegenes flüchtete. Gegenüber von ihrem Chef hieß das andere Ende des Tischs. Den Platz bekamen immer nur wichtige Leute. Strehl meinte es wirklich ernst, sie in den Posten als Leitung für die Zweigniederlassung. Seufzend ließ sich Jonna in ihren Bürostuhl fallen. Ein wenig Angst vor dem Meeting hatte sie schon.

Lächelnd kam Sabine auf Jonna zu, nachdem Strehl allen Mitarbeiter das Projekt Hamburg vorgestellt wurde. „Sie haben das wirklich sehr verdient, mein Mann vertraut ihnen wirklich. Sie würden uns zwar allen fehlen, wenn Sie wieder nach Hamburg gehen, doch das ist eine einmalige Chance, vor allem in Ihrem Alter. Michael hat damals noch in der Universität gesessen und bei seinen Eltern gelebt." Sie lachten kurz auf. „Sie sollten sein Angebot gut überdenken.", beendete Sabine ihren Satz und zwinkerte Jonna zu. „Und jetzt, husch husch, du darfst nach Hause, auf dir lag genug Stress. Anordnung vom Chef." Jonna nickte und verabschiedete sich von ihr. Nachdenkend lief sie durch den Flur, schnappte sich aus dem Büro ihren Beutel und trat ihren Heimweg an. Natürlich mit Zwischenstopp bei Felix.

Das Wetter in Berlin war nicht wirklich schön. Es war bewölkt, ab und zu tropfte es, doch immerhin war Jonnas U-bahn relativ leer. Aufgewühlt von Strehls Angebot und glücklich über ihren frühen Feierabend sendete sie eine kurze Nachricht an ihre Mutter über ihre mögliche Versetzung. Sie schlenderte ihre Straße herab, bis ihre Augen auf einen schwarzen Mercedes fielen. Normalerweise stand dort immer Felix' weißer Sprinter, der schon um einiges bessere Tage gesehen hatte, und kein schwarzer AMG CLS 53. Verwirrt trat Jonna in den Laden. „Felix, du glaubst nicht was mein Chef heute gesagt hat!", sagte Jonna während sie eintrat. Doch es kam keinerlei Antwort, nicht einmal ein Rumpeln von irgendwelchen Kisten. Schulterzuckend lief sie zur Kühltruhe, schnappte sich einen Salat und lief zum Tresen. Erneut sah sie sich im Laden um. Vielleicht war Felix' Auto kaputt, ist mit der Bahn gefahren und sitzt gerade im Hinterhof und trinkt. Aber er machte immer pünktlich um 12 Mittagspause und sperrte dann die Tür ab. „Hallo?", rief sie durch den Laden. Plötzlich kam eine große Gestalt aus dem Hinterhof. Und ein Hund. Ziemlich niedlich eigentlich, hätte er sie nicht angeknurrt. „Chopper, aus!", brummte der Mann und stellte sich an die Kasse. Stumm tippte dieser die Artikelnummer des Salates ein und drehte dann die kleine Anzeige mit dem Preis herum. Er sah nicht wirklich freundlich aus, eher ein wenig angsteinflößend, weshalb Jonna stumm ihr Portemonnaie herauszog und einen 5€ Schein herausnahm.

„Wo ist Felix?", fragte sie ihren gegenüber vorsichtig und schob das Geld über das dunkelbraune Holz. „Krank.", antwortete dieser knapp, legte das Geld in die Kasse und nahm das passende Rückgeld raus. „Wann wird er wieder da sein?" Jonna war dieses Gespräch sichtlich unangenehm, doch sie musste wissen, was mit ihm los war, seine Nummer hatte sie nie gewollt. „Keine Ahnung, in 'nem Monat oder so." Dieser Typ hatte es anscheinend nicht wirklich mit detaillierten Antworten. Nickend drehte sich Jonna um und rollte ihre Augen. Wie konnte Felix durch so einen Proll ersetzt werden.

„Warte mal!", rief er ihr hinterher, woraufhin Jonna abrupt anhielt. „Ja?" - „Bist du diese Jonna?" Hatte Felix sie erwähnt? Hatte er ihm eine Nachricht hingelegt auf der stand Jonna nicht vergraulen, gibt immer viel Trinkgeld und ist bester Kunde ? Fragen über Fragen. Kurz nickte sie und setzte gerade an zum weitergehen bis sie seine Präsenz im Rücken spürte. „Ich soll mir deine Probleme anhören und dir abends nach Ladenschluss Krautsalat von meiner Mutter hochbringen, wenn noch welcher da ist." Felix ist ein Engel. Aber wieso sprach dieser Mann, der auf keinen Fall aus so einem Kuhdorf wie Felix kommen konnte, vom seiner Mutter?

Ein riesiges, auch für den Mann, der, wie Jonna eben bemerkte, keine freie Stelle auf der Haut, bis auf sein Gesicht, besaß; schien ihre Frage zu verstehen. „Felix ist mein Halbbruder, gleiche Mutter, zwei Väter." Jetzt macht das ganze um einiges mehr Sinn. Er streckte Jonna eine Hand entgegen, welche eben noch in den Hosentaschen des schwarzen Adidas Trainingsanzugs steckte. Zögernd nahm sie diese mit einem schiefen Lächeln an.

„Marten."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 01 ⏰

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U2 nach Pankow || Marten81Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt