Erste Stunde Englisch. Ich sitze in der hintersten Reihe, neben einem Mädchen, dass ich nur vom Sehen her kenne. Der Lehrer vorne erklärt gerade was in den nächsten Monaten auf uns zukommt und ich schlafe fast ein. Shakespeares Romeo und Julia. Ist das sein ernst?Und wie ist Schule so? Ich blicke kurz von Sams Nachricht auf, um festzustellen, dass der Lehrer nun irgendetwas an die Tafel schreibt.
L:>Grausam.<
S:>Sei glücklich, dass du dein Geld noch nicht selbst verdienen musst!<
L:>Als ob du irgendwelche Probleme damit hättest...<
S:>Hey! Ich hatte auch ein Leben vor YouTube!<
L:>Sicher?<
S:>Ja!< Ich lache.
"Olivia!" Erschrocken schaue ich hoch. Der Lehrer funkelt mich böse an. "Was ist so witzig?" Schnell schüttle ich den Kopf undversuche so unschuldig wie mögliche zu gucken. "Dann konzentriere dich bitte auf den Unterricht." Den Augenblick, als er sich wieder zur Tafel dreht nutze ich um mit den Augen zu rollen.
S:>Hast du nicht eigentlich Unterricht?!<
L:>Ja<
S:>Böse Liv, böse! Was würden nur deine Eltern von dir denken!<
L:> Sie würden denken: Was für einen schlaue Liv, das sie sich nicht von diesem unwichtigen Schulstress das Leben versauen lässt und sich stattdessen auf die wichtigen Dinge im Leben konzentriert!< Als ich die Nachricht abschicke entfährt mir ein leises Kichern. Leider aber nicht zu leise, denn als ich aufblicke steht der Lehrer direkt vor mir.
"Ich glaube nicht, dass das, was auch immer du da machst, spannender ist als mein Unterricht." Seine Augen sehen mich streng an und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich jetzt nichts falsches sagen darf. Die ganze Klasse sieht mich an. Fast dreißig Augenpaare warten auf die Wahrheit. Sie wollen alle wissen, ob ich genug Mumm hab ihm das ins Gesicht zu sagen, was alle denken. Ich blicke auf meine Hände und schüttle den Kopf. Die Blicke wandern wieder zurück. Damit hat sich für alle bestätig, dass ich nicht den Mut habe. Aber hätte den hier irgendjemand? Würde irgendjemand in diesem Raum riskieren von der Schule zu fliegen nur um die Wahrheit zu sagen? "Dann konzentrier dich bitte auf den Unterricht." Damit dreht er sich wieder um und mein Handy verschwindet in der Tasche.
In der Mittagspause suche ich die ganze Mensa nach einem blonden Schopf Ausschau. Leider gibt es zu viele davon, weshalb ich mich letztendlich an einen der wenigen freien Tische setzte. Das Essen auf meine Tablett ist verdammt spärlich.
"Also, wer waren die Typen?" Meine beste Freundin lässt sich neben mich fallen. Im Gegensatz zu mir scheint sie wenigstens Hunger zu haben.
"Welche Typen?", frage ich unschuldig und beiße in meinen Apfel.
"Na die von letzter Woche. Die du angerufen hast." Ich seufze.
"Das hab ich doch schon gesagt. Nur so nen paar Kumpel." Genüsslich kaue ich auf dem abgebissenen Stück herum und weiche ihrem Blick aus.
"Liv-" Weiter kommt sie nicht, denn plötzlich lässt sich jemand uns gegenüber nieder. Ich blicke auf.
Ich glaub echt nicht diese Augen wieder auf mir zu spüren. Dieses Braun lässt meinen Körper noch immer kribbeln. Oh fuck! Ich sollte doch längst über ihn hinweg sein!
"Was willst du?", versuche ich so gleichgültig wie möglich hervor zu bringen und zwinge meine Augen dazu ihn nicht weiter anzustarren.
"Nichts", brummt er genauso ausdruckslos wie ich und ich spüre ein Stechen in der Brust. "Das hier sind nun mal die einzigen noch freien Plätze." Er macht eine Pause in der ich Zeit habe mich umzusehen und festzustellen, dass er Recht hat. Dann fährt er fort: "Außer ich möchte mich zu den Sechsern setzten und da seit ihr doch eine bessere Wahl." Ihr weist mir den Daumen zu dem lautesten Tisch in der Mensa und ich nicke abwesend, während ich mich dabei erwische, wie ich ihn wieder anstarre. Man Liv! Unter Tisch tritt mir Nina gegen's Schienbein und ich sauge mit schmerzverzerrtem Gesicht die Luft ein. Scheiße das tut echt weh! Mein Kopf schnellt zu ihr um eine vernünftige Erklärung für diesen Schmerz zu erfahren, aber sie sieht mich nur zufrieden an. Nachdem ich sie einige Zeit fragend gemustert habe widme ich mich wieder meinem Apfel.
"Was machst du eigentlich noch hier?", frage ich nun an Paul gerichtet, der erst gar nicht zu bemerken scheint, das ich mit ihm rede, denn es braucht ein wenig, bis er aufsieht.
"Bin letztes Jahr sitzen geblieben", sagt er missmutig und mich unterdrücke ein Lachen.
"Dein Ernst?!" Das breite Grinsen auf meinem Gesicht ist leider nicht so leicht zu verbergen. Er nickt nur desinteressiert.
"Du hast mir immer noch keine Antwort gegeben, Liv", meldet sich Nina jetzt wieder zu Wort, bevor ich noch irgendetwas dummes anstellen kann- und glaubt mir, ich hatte zwar noch keinen Plan, aber ich schaffe es immer aus einer neutralen Situation eine echt peinliche zu machen, vor allem, wenn die Situation nicht ganz soooo neutral ist.
"Aus welche Frage?" Ich sehe sie an und ihre Augen sagen mir, dass sie gerade echt genervt von mir ist.
"Wer die Typen waren."
"Ach so." Erwartet Sie da noch immer einer Antwort drauf? "Wie gesagt, nur Freunde."
"Da hat mir Holly aber was anderes erzählt."
"Bitte was?!" Wenn ich gerade noch angepisst von ihr war, dann bin ich jetzt eindeutig erschrocken!
"Ja! Ich hab letzte Woche Mittwoch bei euch angerufen und Holly ist rangegangen. Sie meinte du wärst gerade beschäftigt deiner Mutter zu erklären, warum da ein Junge in deinem Bett lag." Ich seufze. Ja, das war echt nicht einfach, aber die Tatsache, dass Holly Nina das erzählt hatte, war jetzt gerade wichtiger.
"Diese blöde Kuh!", schimpfe ich- was für eine grauenvolle, vernichtende Beleidigung! "Das hätte sie wahrscheinlich jedem Fremden erzählt!" Gut das ich Holly von meinem Standpunkt aus nicht sehen kann, denn sonst wäre ich gemütliche Mittagspause jetzt vorbei.
"Aber er war einer von deinen?"
"Ja. Sam ist einen von 'denen'." Mein Blick schweift kurz zu Paul rüber, der seinen Kopf hektisch senkt und plötzlich großes Interesse an seinem Sandwich findet. Hat er uns etwa zugehört?
"Und du bist dir sicher, dass da nicht mehr läuft?", hakt Nina nach. "Schließlich ist er ja in deinem Bett gelandet..." Sie sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an. Für einen Augenblick wäge ich den Plan ab, der sich gerade in meinem Kopf zusammen setzt. Es wäre eine Chance...
"Ich weiß nicht..." Meine Stimmung und das Interesse an diesem Gespräch schlägt sofort um. Ich blicke Nina nachdenklich an und beobachte dabei aus dem Augenwinkel, wie Paul zu uns rüber schielt. Ja, er hört zu. "Ich meine, ich habe die ganze Nacht mit ihm verbracht. Und er war total nett und freundlich." Schwärmend blicke ich auf meine Hände, die immer noch den angebissenen Apel halten. Irgendwie fällt mich das ganze überhaupt nicht schwer. Könnte daran liegen, dass es alles die Wahrheit ist, denn Sam ist nun mal super. "Er ist genau der Kerl, den man sich in seinen Träumen vorstellt: Nett, süß, sympathisch, humorvoll, aber auch heiß..." Ein Räuspern kommt von meinem Gegenüber und ein Lächeln huscht über meine Lippen. Es ist ihm eindeutig unangenehm. Also bin ich ihm wohl doch nicht total egal- nach einem Jahr...
Das hört sich echt krank an, Liv. Du trauerst ihm schon ein Jahr lang hinterher... Ich kann der Stimme in meinem Kopf nur zustimmen.
Nina ignoriert Paul einfach und sieht mich fragend an. "Und das erfahr ich erst jetzt? Du verliebst dich in einen Kerl und erzählst mich erst eine Woche später davon?" Sie ist kein bisschen und wütend und auch nicht enttäuscht. Sie hat es verstanden, mein Spiel und sie spielt mit. Schließlich weiß sie alles über meine Trennung mit Paul und alles, was er gesagt und getan hat. Sie hat alles mit durchgemacht, an meiner Seite.
"Ich war einfach zu aufgewühlt nach dieser Nacht. Ich weiß auch nicht..." Diesen Satz hab ich jetzt eindeutig zu oft gesagt.
"Ich verstehe..." Sie sieht mich mitleidend an und wirft einen schnellen Blick zu meinem Ex, der irgendwie nicht mehr ganz so entspannt wirkt. Es dauert keine zwei Minuten, dann steht er auf, schnappt sich sein Tablett und verschwindet, nachdem der mich einen kurzen, sehr seltsamen Blick zugeworfen hat. Sieg? Sieg!
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Yey! Geschafft.
So Leute, jetzt kommt das Kapitel um kurz vor sieben um euch allen einen fröhlichen Montag zu wünschen, juhu!
Der 'schlimme' und 'kaum zu überwältigende' Teil ist geschafft. Jetzt wird's hoffentlich wieder etwas regelmäßiger.
Alles Liebe
Karla
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Two confused hearts
Teen Fiction>>Seine Lippen schmecken nach Alkohol und Zigaretten. Aber auch nach kühler Waldluft und muffigen, alten Büchern. Das Kribbeln auf meiner Haut ist wie das Knistern des Feuers im alten Kamin; wie die raue Stimme meines Großvaters der im immer wieder...