„Scarlett, steh endlich auf, verdammt nochmal." Man hätte eine Person nicht schlimmer aus dem Schlaf reißen können als so, doch Hugo ist für seine Einfühlsamkeit bekannt, deswegen schockiert mich das nicht. Müde öffne ich die Augen und sehe zu ihm. „Es ist 15 Uhr und ich habe Hunger." Wie genau ich ihm dabei soll, ist mir unklar. Er erwartet doch nicht, dass ich für ihn koche? Niemals würde ich für ihn kochen. Nur weil er mich in Schutz genommen hat, heißt das nicht, dass er nicht immer noch mein Erzfeind ist. „Jetzt hör endlich auf so angestrengt nachzudenken, ich will einfach nur wissen, ob du auch etwas vom Chinesen möchtest? Ja oder nein, es ist ganz simpel."
„Ja, ich nehme das was du nimmst." Ich stehe und strecke mich. „Du hattest recht, diese Couch ist die reinste Hölle. Mir tun alle Knochen weh." Er tippt auf seinem Handy rum und legt es dann in die Hosentasche.
„Dachtest du ich hätte gelogen?" Er macht einige Schritte in meine Richtung und setzt sich auf die Couch. „Mit dir in einem Bett zu schlafen stand nicht gerade auf meiner Wunschliste. Also ja, ich habe es ernst gemeint und wollte nicht einfach nur im selben Bett wie du schlafen." Meine Wut steigt, so wie immer wenn er in meiner Nähe ist. Ich sehe zu ihm und stelle mir gerade vor, wie ich ihm die Augen aussteche. Doch dann erinnere ich mich, dass das noch warten muss. Ich muss es nur einige Monate mit ihm aushalten und dann bin ich ihn los. Für immer. Auch wenn wir Geschäftspartner sein werden, werde ich mein bestes tun, um ihn ganz weit entfernt von mir zu halten. Ich werde einen weiteren Standort eröffnen, ganz weit von hier. Ganz weit von ihm. „Hör auf mich anzustarren." Er hat recht, ich habe ihn angestarrt, aber nicht weil ich ihn bewundert habe, nein, im Gegenteil.
„Ich habe mir gerade vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn ich dich einfach umbringen würde. Würden deine 50 Prozent dann mir gehören? Schließlich sind wir ja verheiratet und ich, als deine geliebte Ehefrau, hätte ein Recht drauf, etwa nicht?" Hugo dreht sich zu mir und durchbohrt mich mit seinem emotionslosen Blick. Zu meinem Erstaunen, nickt er.
„Scheiße würde es Enden, wenn sie auf die Todesursache kommen würden, denn schließlich wärst du die Hauptverdächtige. Spätestens bei der Obduktion würde man drauf kommen, dass du es warst." Die ganze Zeit über, hält er unseren Augenkontakt. Auch ich tue es. Ich hebe die Augenbrauen und grinse.
„Es gäbe aber keine Leiche, Hugo." Diesmal hebt er die Augenbrauen und grinst. „Ich würde dich klein hacken und eine ganz leckere Suppe vorbereiten. Dann würde ich unsere Familien auf ein Essen einladen und mich die ganze Zeit beschweren, dass du immer noch nicht da bist. Ich würde dich anrufen, dir Nachrichten schreiben. Doch egal wie sehr ich es auch versuche, ich komme nicht durch. Unsere Familien gehen nachhause und kriegen mitten in der Nacht einen Anruf von mir. Ich heule, natürlich tue ist das, denn schließlich ist mein geliebter Ehemann immer noch nicht zuhause. Dann rufe ich die Polizei an und schildere ihnen alles. Ich verliere natürlich sehr viele Tränen und bin am Boden zerstört, denn das ist das erste Mal, dass du ohne mir Bescheid zu geben, weg bleibst. Dann beginnt die Suche nach dir, jedoch ohne Erfolg. Eine junge, arme, trauernde Witwe bleibt zurück." Hugo's grinsen wird breiter und am Ende kriege ich einen Applaus.
„Du solltest ein Buch darüber schreiben, Scarlett. Würde sicher gut ankommen, bei Frauen die unzufrieden in ihrer Ehe sind." Unser Gespräch wird unterbrochen durch ein klopfen an der Türe. Hugo steht auf und nimmt unser Essen entgegen. Wir setzen uns hin und fangen an zu essen. „Erinnerst du dich an Jakob?" Kurz überlege ich und dann fällt es mir ein, er war mit uns in der Schule. Ich nicke. „Er hat dich doch gefragt, ob du mit ihm auf den Schulball gehen möchtest, nicht wahr?" Wieder nicke ich. „Aber davor hast du doch bestimmt eine Karte in deinem Spind gefunden, mit einer Einladung und einer Rose?" Als ich mich daran erinnere, muss ich lachen. Ja, das habe ich. Die Rose und Karte kamen von Ken, ein absolutes Arschloch, dass jedes Mädchen einfach nur vögeln wollte. Er war um die fünfzehn und ich habe die Karte mit elf von ihm bekommen. Ich habe ihn so sehr gehasst, weil er die ganzen Mädchen immer nur verarscht hat. Er knutschte mit ihnen, filmte das und verschickte es an die ganze Schule.
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Mein kleines Wunder
RomanceScarlett und Hugo, unterschiedlicher hätten sie nicht sein können, doch was passiert, wenn sie sich auf eine Fake-Ehe einigen um ihr Unternehmen zu schützen? Verlieben sie sich und leben glücklich bis ans Ende oder endet ihre Geschichte an dem Tag...