4. Kunstunterricht

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Vor Verzweiflung schloss ich kurz die Augen und atmete tief durch. Jetzt bloß nicht heulen. Ich holte mein Handy hervor und checkte meine Nachrichten.

Nichts. Linnea hatte nichts geschrieben.

"Bist du Ella?", fragte mich plötzlich eine tiefe Stimme auf Englisch und ich sah auf.

"Ja?"

"Ich bin Erik. Linnea hat mich gebeten, dich auch abzuholen", erklärte er mir. "Ich bin Noahs Austauschpartner." Er zeigte auf Noah der etwas entfernt wartete und zu uns herübersah.

"Oh Gott danke, ich dachte schon ich muss wieder zurückfliegen, weil Linnea es sich anders überlegt hat!" Mir fiel ein Stein vom Herzen. Dankbar fiel ich Erik um den Hals. Er lachte.

"Nein keine Sorge, du kannst schon zu ihr." Hilfsbereit nahm Erik den großen Koffer und wir gingen zu Noah hinüber. Erik war mir jetzt schon sympathisch. Ein richtiger Gentleman, da konnte sich der ein oder andere noch was abschauen. Wieso hatte Noah so ein Glück mit seinem Austauschpartner und ich nicht?

"Wieso kann Linnea denn nicht?", erkundigte ich mich neugierig, als wir Noah erreicht hatten und nun zu dritt zum Parkbereich liefen, wo Eriks Mutter mit dem Auto auf uns wartete.

"Sie ist bei ihrem Freund", meinte Erik kurz angebunden.

Wie? Konnte sie nicht immer bei ihrem Freund sein? Klar, es war eine lange Autofahrt von Oslo nach Kristiansand, aber es war doch keine Sache der Unmöglichkeit.

"Ist sie denn nett?", hakte ich nochmal genauer nach.

Erik zuckte die Schultern. "Ich habe nicht viel mit ihr zu tun. Und ich will dir kein schlechtes Bild vermitteln, mach dir lieber selbst eins."

Noah neben uns lachte kurz. Und ausnahmsweise hatte er recht. Wenn Erik das schon sagte, war es unwahrscheinlich, dass Linnea nett war.

"Und sie hat einen neuen Freund, das heißt sie hängt ziemlich viel bei ihm ab", führte Erik nun doch noch etwas aus. "Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob sie noch nach Deutschland will. Aktuell wahrscheinlich nicht, aber hängt sicherlich davon ab, wie lange ihre Beziehung überhaupt hält."

Nach unserem Aufenthalt würden die Norweger dann zwei Monate zu uns kommen. Oder auch nicht.

Ich fragte mich, warum Linnea dann überhaupt bei dem Austausch mitmachte, wenn es stimmte, was Erik sagte. Aber zum Zeitpunkt der Bewerbung war sie wohl noch nicht mit ihrem Freund zusammen gewesen und ich vermutete, dass man so kurz vor knapp nicht ohne triftigen Grund abspringen konnte. Mindestens die Kosten hätte sie übernehmen müssen.

Das waren ja ziemlich miese Aussichten, eine Austauschpartnerin, die gar keine Lust auf mich hatte. Ich wünschte, ich hätte Erik bekommen.

Wir kamen beim Auto an und begrüßten Eriks Mutter. Noah und ich nahmen auf der Rückbank Platz, nachdem wir unsere Koffer untergebracht hatten.

"Ziemlich blöd mit Linnea", meinte nun auch Eriks Mutter, als sie losfuhr. "Aber es ist nicht weit von Linnea zu uns und du bist immer herzlich willkommen!" Oh Mann, die waren ja süß. Aber bei ihnen wäre Noah, dagegen war diese Linnea wahrscheinlich noch das geringere Übel.

Während der nochmal vierstündigen Fahrt, schlief nun auch ich ein. Als wir in Kristiansand ankamen, war es schon lange dunkel. Wobei das wenig hieß, um diese Jahreszeit war es sowieso nicht lange hell.

"Ella", wurde ich unsanft wachgerüttelt. Mit müden Augen sah ich mich um. Noah hatte mich am Arm gepackt und geweckt. "Du sollst aussteigen."

Ah. Wir waren wohl bei Linnea angekommen. Ich bedankte mich bestimmt drei Mal aufrichtig bei Erik und seiner Mutter. Er half mir mein Gepäck aus dem Kofferraum zu hieven und trug es zur Tür. Während Noah nur faul im Auto saß.

Katzenbegräbnisse, Polarlichterjagd und andere SchwierigkeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt