16. Streicheleinheiten

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Trotz meiner felsenfesten Überzeugung, dass ich es diesmal nicht mit dem Alkohol übertrieben hatte und ohne Kater aufwachen würde, fühlte ich mich am nächsten Morgen nicht ganz so fit. Lange nicht so schlimm wie letztes Mal, aber mein Schädel brummte dennoch ein kleines bisschen als mein Wecker um halb 11 klingelte.

Deshalb drehte ich mich nochmal um und döste wieder ein. Was gab es Schöneres, als einfach so lange zu schlafen, wie man wollte.

Nur, dass ich nicht so lange schlafen konnte, wie ich wollte.

Denn, eine unbestimmbare Zeit später, hämmerte plötzlich jemand ohne Rücksicht gegen meine Zimmertür. Ich schreckte auf, bereit für wer auch immer sich hier gewaltsam Zutritt zu meinem Zimmer verschaffen wollte.

"Ja?", stöhnte ich gequält und hoffte, dass das intensive Klopfen endlich aufhörte.

Die Tür wurde aufgerissen und da stand Noah. Er verschränkte die Arme und sah mich an, ohne etwas zu sagen. Ich war völlig perplex. "Hä?", murmelte ich und rieb mir die Augen. Doch er war auch dann noch da. Als ich realisierte, dass es keine Einbildung war, strich ich meine Haare so gut es ging glatt und richtete mich auf, um nicht ganz so verschlafen zu wirken.

"Was machst du hier?", stellte ich die offensichtlichste Frage zuerst. Linnea oder ihre Mutter mussten ihn hereingelassen haben. Trotzdem erklärte das nicht, warum er jetzt in meinem Zimmer stand.

Noah sah demonstrativ auf die Uhr. "Es ist kurz vor 14 Uhr. Die Katzen warten auf uns."

Oh.

"Achso. Die Katzen. Ja...", murmelte ich und kratzte mich am Kopf. "Gib mir 10 Minuten, dann bin ich soweit", entschuldigte ich mich. Ich hatte echt voll verschlafen. Dabei könnte ich schwören, dass ich seit meinem letzten Wecker nur ungefähr fünf Minuten geschlafen hatte.

"Gut. Ich warte hier. Also Beeilung", dirigierte Noah mich und setzte sich auf meinen Schreibtischstuhl.

Während er vor und zurück wippte und sich im Kreis drehte, schnappte ich mir schnell Klamotten aus dem Schrank und verschwand im Bad.

Zehn Minuten später standen wir verpackt in dicken Jacken vor der Tür und machten uns auf den Weg zum Tierheim. Ich war ziemlich stolz auf meine Rekordzeit. Schneller hatte ich noch nie Zähne geputzt, mich umgezogen und Co. Wir würden fast sogar noch pünktlich beim Tierheim ankommen. Die Streicheleinheiten waren immer sonntags von 14 bis 17 Uhr möglich.

"Nächste Woche beginnt einfach schon die fünfte Woche, kannst du das glauben? Halbzeit. Und ich wette, die zweite Hälfte vergeht nochmal viel schneller als die erste", sinnierte ich auch dem Weg.

"Befürchte ich auch", stimmte Noah mir zu. "Aber sieh uns an. Hier gehen wir, ganz ohne Streit. Wo wir wohl in einem Monat sein werden?" Er wackelte vielsagend mit den Augenbrauen. Ich schnaubte. "Pah. Schlage dein Märchenbuch zu. Ich bemühe mich eben vorübergehend für gute Stimmung - mir zuliebe", erklärte ich das Offensichtliche.

Kurz darauf wurden wir von einer Mitarbeiterin des Tierheims angewiesen und durften dann zu den Katzen.

Noah tauchte sofort ab und spielte mit den Fellnasen. Ich setzte mich etwas entfernt von ihm hin und streichelte vorsichtig eine schwarze Katze, die mit einem nach oben gestrecktem Schwanz unentwegt um mich herumstreunte.

"Was hat das zu bedeuten?", fragte ich Noah, der gerade drei Katzen gleichzeitig bespaßte. Das Tierheim würde ihn sicherlich gerne einstellen, so viel Körpereinsatz gab er. Auch den Katzen schien es zu gefallen. Vielleicht hatte es sein Mister Poppers doch nicht so schlecht bei ihm gehabt, wie angenommen.

Er sah kurz auf und musterte mich und die Katze. "Den Schwanz meinst du? Sie ist freudig und aufgeschlossen."

"Echt?", wunderte ich mich und betrachtete das Tier vor mir. Es sah interessiert zurück. Noah lachte. "Ja, das wundert mich auch. Ich dachte, du versprühst all deine Katzen-Hasser-Funken und kein Tier nähert sich dir auf zwei Meter."

Katzenbegräbnisse, Polarlichterjagd und andere SchwierigkeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt