22 - Zusammen

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[Louis]

Als wir bei dem Kinderheim ankamen, liefen wir sofort in das Gebäude hinein, um Charlotte zu suchen. Ich spürte, dass Harry nervös war und ich konnte es ihm nicht verübeln. Mich selbst hatte die Nachricht über Leslie auch aus der Bahn geworfen, auch wenn ich sie erst einmal gesehen hatte.
Als wir gerade eintraten, klingelte jedoch mein Handy. Ein kurzer Blick darauf zeigte mir, dass es Dr. Shepherd war.
"Haz.." sagte ich leise, er sah auf mein Handy und nickte.
"Geh ruhig telefonieren."
Ich nickte, drehte auf dem Absatz wieder um und lief zurück auf den Hof, ehe ich den Anruf annahm.
"Tomlinson?"
"Hier ist Dr. Shepherd, hallo Mr. Tomlinson!" meldete sich die bekannte, gut gelaunte Stimme des Arztes.
"Hallo. Ist etwas mit meinem Dad?"
"Nein" antwortete er. "Es ist unverändert. Ich wollte ihnen nur mitteilen, dass ich die Operation für morgen früh um acht Uhr angesetzt habe. Sie wird aber sehr lange dauern, ich rechne mich zehn Stunden mindestens, die genaue Länge kann ich aber nicht vorhersehen, bis ich ihn offen vor mir habe."
Bestürzt riss ich die Augen auf und zog die Augenbrauen zusammen. Bis er ihn offen vor sich hatte? Sicherlich hätte er das auch etwas anders sagen können, da war ich mir sicher. Dr. Shepherd war ganz schön unsensibel.
"Oh, okay, ich verstehe. Also..." ich überlegte kurz, bevor ich weitersprach. "Sind sie...naja, guter Dinge?"
"Oh, absolut! Ich bin sehr gut vorbereitet und mache mir nicht die geringsten Sorgen! Das sollten sie auch nicht!"
Nun musste ich lächeln. Er schien so positiv zu sein, meine Hoffnung stieg immer mehr und ich freute mich, dass es morgen schon los ging.
"Super. Ich komme zum Krankenhaus morgen."
"Machen Sie das, bis morgen Mr. Tomlinson!"

Er legte auf und ich steckte mein Handy wieder weg und drehte mich zu dem alten Gebäude vor mir, atmete einmal tief durch, und ging dann in schnellen Schritten hinein zu Harry. Er saß zusammen mit Charlotte an einem der großen Holztische, an denen die Kinder ihre Mahlzeiten einnahmen. Ich stockte einen Moment, als ich ihn sah.
Er hatte das Gesicht in seinen Händen versteckt und seine Schultern bebten, er weinte. Ich erschrak mich sofort und ging auf ihn zu, sah Charlotte, die neben ihm saß und ihn immer wieder streichelte und ihm gut zuredete. Als sie mich sah, erhellte sich ihr Gesicht für einen Moment.
Schnell ging ich zu ihnen, strich Charlotte kurz über den Arm als eine Geste der Begrüßung, dann kniete ich mich neben Harry und schlang die Arme um seinen Bauch. Er reagierte sofort, legte seine Arme auch um mich, schluchzte ganz leise. '
Sanft streichelte ich ihn und sah zu Charlotte.
"Hey" sagte ich wenig intelligent und sie lächelte mich an und nickte.
"Schön, dass ihr hier seid. Leslie schläft im Moment."
Ich nickte und streichelte Harry weiter.
"Eine schlimme Diagnose. Kriegt ihr das hin, ich meine, kommt ihr klar?" fragte ich sie.
"Ich denke, wir kriegen das hin, ja. Es ist nur so, dass das natürlich ihre Chancen auf eine Adoption extrem mindert. Selten wollen die Leute kranke Kinder, weißt du."
Ich nickte verstehend, auch wenn ich das, was sie da sagte, einfach furchtbar fand. Leslie oder irgendein anderes Kind waren nicht weniger wertvoll, nur weil sie eine Erkrankung hatten.

In meinem Augenwinkel sah ich eine Bewegung und schaute zur Tür neben uns. Einen Moment musste ich schlucken. Da stand die kleine Lilly und spähte eingeschüchtert zu uns hinüber. Sie traute sich offensichtlich nicht zu uns.
"Hey , Lilly." sprach ich sie sanft an und sie machte sich ein bisschen kleiner.
Harry löste sich sofort von mir, als er ihren Namen hörte und sah zu ihr, wischte sich über die Augen und setzte ein Lächeln auf. Ich stand auf und ging einen Schritt zurück.
Lilly zögerte kurz, doch dann rannte sie auf uns zu und sprang in Harry's Arme, der sie fest an sich drückte und ihren Haarschopf küsste.
"Wie geht's dir?" fragte er sie leise.
"Wieso weinst du?" stellte sie die Gegenfrage und kuschelte sich an ihn. Er seufzte leise. "Manchmal weinen wir, wenn wir nicht mehr weiter wissen, Lilly. Das kennst du sicher auch."
Die Kleine nickte sofort.
"Wegen Leslie?"
Wieder nickte Harry, strich ihr durch die Haare. "Genau."
"Was ist mit ihr? Wird sie sterben? So wie Mami und Daddy?"
Mir zerriss es in diesem Moment beinahe das Herz und ich musste mich setzen. Lilly war ganz schön schlau für ihr Alter. Ich fand es traurig, dass sie solche Dinge schon wusste. Harry hatte mir erzählt, dass er derjenige war, der Lilly erklärt hatte, was mit ihren Eltern passiert war. Ich konnte mir nicht ausmalen, wie das hier für ihn sein musste.
"Nein, das wird sie nicht, Kleines. Sie wird ganz lange leben, nur nicht ganz so normal wie du und ich."
Stirnrunzelnd setzte sich Lilly nun auf und musterte ihn kritisch.
"Und wieso weinst du dann?"

Sunshine •|• LS Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt