Ohne Hoffnung lässt es sich nicht leben

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Weitere 2 Tage sind vergangen und von Tim habe ich nichts mehr gehört. Gestern kam Lucy vorbei und erzählte mir, dass Tim manchmal sehr aggressiv und abwesend war. Sie hätten eine neue Spur, wo sich der Typ aufhalten könnte, allerdings wollte sie mir nichts näheres sagen, damit ich nicht auf dumme Ideen kam. Anscheinend erzählte John viel über mich. Denn wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann werde ich es auch durchsetzten. Und vor allem in einer Situation wie dieser. Ich vertraue außer John keinen und würde am liebsten alles selbst in die Hand nehmen, auch wenn das dumm wäre, da ich keine Erfahrungen und Kenntnisse über die Polizei-Arbeit hatte.

Ich hätte mir nie vorstellen können , wie langweilig es wäre, mehrere Tage nur im Bett zu liegen und nichts tun zu können. Ich hatte keine Lust mehr, auf Krankenschwestern angewiesen zu sein, aus dem Bett zu kommen. Ich wollte unbedingt mal etwas anderes essen als das, was ich immer im Krankenhaus bekam. Eine Etage unter meinem Zimmer gab es einen Automaten mit Süßigkeiten und das war genau das, was ich gerade unbedingt brauchte. Ich wollte nicht den Notfallknopf drücken, um eine Krankenschwester zu holen. Ich wollte es eigenständig schaffen, aus dem Bett zu kommen. Ich nahm mein rechtes Bein und hob es über die Bettkante, gefolgt von meinem linken Bein. Nun saß ich gekrümmt auf meinem Bett und spürte, wie ich über die Zeit im Krankenhaus, Kraft in meinem Rücken verlor. Mein Rollstuhl stand Gott sei Dank  direkt neben meinem Bett, also sollte es doch nicht so schwierige sein, oder?

Ich nahm meine gesamte Kraft und rutschte langsam mit den Beinen in Richtung Boden. Ich hatte keine Schuhe an und dennoch spürte ich nicht, wie meine Füße den Boden streiften. Das taube Gefühl in meinem Unterkörper ist noch immer sehr ungewohnt. Ich will mich auch nicht daran gewöhnen, ich will einfach wieder meine Beine spüren können!

Als ich langsam mehr Gewicht auf meine Beine verlagerte, merkte ich, wie sich langsam krümmten. Ich wusste nicht, wie ich es ohne Hilfe in den Rollstuhl schaffen sollte. Ich streckte meinen rechten Arm nach der Lehne des Rollstuhls aus und stützte mich noch mit dem linken Arm auf der Matratze ab.

Mit zitternden Armen und Beinen versuchte ich es, mich in den Rollstuhl zu setzen. Ich brauchte nur noch ein paar Zentimeter und ich hätte es geschafft. Da ich meine Beine nicht benutzen konnte, lag meine ganze Kraft in meinen Armen, die vergebens versuchten, mich weiter zum Rollstuhl zu bringen. Auf halbem Weg sackte ich in mich zusammen und landete auf den harten Boden. Mein rechter Arm klemmte sich im Rollstuhl ein und ließ mich einen brennenden Schmerz spüren. Ich fühlte schon, wie ein Teil meiner Haut abschürfte und wie das Blut mein Arm hinabfloss. Durch mein lautes Aufschreien, hatte mich eine Krankenschwester gehört und stürmte in mein Zimmer.

Mit verbogener rechter Hand und einem Schmerz verzierten Gesicht saß ich auf den Boden und schaute zur besorgt aussehenden Krankenschwester hinauf. Sie hatte blondes Haar, kastanienbraune Augen und sah wie Mitte 20 aus. Sie eilte zu mir und versuchte vorsichtig meine Hand aus dem Rad zu entfernen. Dann hob sie mich wieder aufs Bett und hielt mir eine lange Predigt darüber, nicht noch einmal versuchen, alleine aufzustehen.

Währenddessen desinfizierte sie meine Hand und Band ein Verband darum. Ich hörte kaum noch zu und starte aus dem Fenster.
Draußen wehte es sehr stark und wahrscheinlich waren es heute um die 10 Grad. Die Laubblätter tanzten durch die Lüfte und erinnerten mich an den einen Schultag, den ich mein Leben lang bedauern würde, dass ich nicht früher nach Hause gekommen wäre. Ich hätte den Tod meiner Mutter vielleicht verhindern können und die hätten mir auch die Erlösung von dem bevorstehenden Leid gegeben. Ich hätte diese grausame Welt gemeinsam mit meiner Mutter verlassen können und mein Vater wäre nachgekommen. Stattdessen lag ich hier gelähmt von einem Schuss, einsam und allein in einem Krankenhaus. John war Tag und Nacht mit unzähligen Fällen beschäftigt und die einzige, die mich manchmal besuchen kam, war Lucy. Sonst kümmerte sich keiner um mich. Keiner wollte mich von meinem Leid erlösen und keiner wollte versuchen, mich von meinen deprimierenden Gedanken abzulenken. Ich weiß, dass ich sehr in Selbstmitleid versunken war, aber mir blieb nichts anderes übrig. Mein Leben war elend und außer John hatte ich keinen. Keiner konnte mir Sicherheit geben, die ich mir so sehr sehnte. Das Gefühl, fest umarmt zu werden und zu wissen, dass mich diese Person beschützen würde, egal was kommt.

𝓟𝓻𝓸𝓽𝓮𝓬𝓽𝓲𝓸𝓷 - Tim BradfordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt