Kapitel 1

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!TW: häusliche Gewalt, Mobbing, Hate, Thematisierung/Konsum von Drogen, Sv/Suizidgedanken

Leute- ich will nd Spoilern- aber es wird emotional T-T

POV Rezo

Mein Wecker klingelte, ich seufzte- ich wollte nicht aufstehen. Aber ich musste, schließlich musste ich aufpassen, dass mein Vater meine Schwester nicht entdeckte- er sollte wenigstens seine Wut, wenn er schon wieder getrunken hatte, an mir und nicht an ihr auslassen. 

Ich atmete tief durch, dann tappte ich so leise wie möglich auf die gegenüberliegende Seite unseres Zimmers. Leise hauchte ich in ihr Ohr: „Lilly, aufstehen! Solange er noch schläft..." Ich schluckte. Meine Schwester schlug die Augen auf und musterte mit einer gewissen Traurigkeit in ihrem Blick meinen Körper.

 Er war voller blauer Flecken. 

Ich war der, der meistens zu spüren bekam, wenn mein Vater auf Drogen war, zumindest wenn meine Mutter nicht da war. Sie machte oft viel zu viele Überstunden bei ihrem ziemlich schlecht bezahlten Job, um uns alle zu ernähren. 

Mein Vater arbeitete nicht. Er schrie uns nur an, gab Mum's Geld für Mengen an Alkohol aus und hatte Spaß in irgendwelchen zwielichtigen Clubs von denen er nicht selten irgendwelche gerade so volljährigen Frauen mitbrachte- kritisch. Aber ich sagte lieber nichts, wenn ich nicht wollte, dass die alten Wunden wieder aufrissen...

 Mich interessierten diese Frauen eh nicht. Ich hatte es zwar nie jemandem erzählt außer meiner kleinen, über alles geliebten Schwester- wem auch, Freunde hatte ich ja nicht- aber ich stand definitiv auf Männer.

Noch einmal atmete ich tief ein und wieder aus, dann schlich ich mich nach unten, schließlich musste ich dafür sorgen, dass wenigstens Lilly etwas zu essen bekam. 

Ich machte ihr schnell eine Brotdose mit etwas Brot, das ich noch in einer Schublade gefunden hatte. 

Wenn Mum nach Hause kam, in 4 Tagen, konnte ich vielleicht auch was essen... Hä? Nein! Da war sie wieder. Diese blöde Stimme in meinem Kopf. Na, hast du mich schon vermisst? Die ganze Welt hungert, und du Fettsack beschwerst dich? Ich bin gar nicht so f... Du bist so verwöhnt! Wann kapierst du endlich, dass du es nicht einmal wert bist, überhaupt zu existieren? Dass deine Mutter dich noch nicht rausgeschmissen hat... Du bist alt genug. H-Hör auf damit! Das stimmt doch n... Ach ja? Und warum wirst du dann selbst in der Schule gehasst, Loser? 

Das hatte mir den Rest gegeben. Leise schluchzte ich auf. Anscheinend nicht leise genug- fuck. Mein Vater regte sich auf dem Sofa und blinzelte. Nein... bitte nicht schon wieder...

 „Du kleiner Bastard!", schrie mein Vater mich an. Definitiv- er hatte wieder getrunken. Er stellte sich direkt vor mich und packte mich am Kragen. Sei Griff war brutal fest, auch wenn er etwas wankte.

 Ich spürte seinen heißen Atem dicht an meinem Gesicht. Leicht benommen von dem Alkoholgeruch aus seinem Mund hielt ich die Luft an. Dann fühlte ich einen pochende Schmerz in meinem Oberbauch. Ich zuckte zusammen.

 „ Halt gefälligst still, du Lusche!", brüllte der Betrunkene in mein Ohr. Sofort kassierte ich einen weiteren Schlag in mein Gesicht. Nein. Ich versuchte, meine Tränen zurückzuhalten. Ich würde nicht anfangen zu weinen... diese Genugtuung würde er nicht bekommen, egal was er dafür mit mir anstellen würde. Solange Lilly nichts passierte...

POV Lilly

Leise schlich ich die Treppe herunter. Was ich sah, brach mein Herz in tausend Teile. Rezo wurde von unserem Vater an die Wand gedrückt und gerade zusammengeschlagen. Schon wieder...  Ich konnte es nicht ertragen, ihn so unterlegen zu sehen. 

Doch dann fasste mein Kopf einen Entschluss. Aus dem nichts- er hatte es einfach gerade so entschieden. Ich griff nach meinem Handy und drückte auf den Aufnahme-Knopf- bestimmt würde das irgendwann von Nutzen sein.

 Ich sah, wie mein Vater endlich von meinem großen Bruder abließ, die Terassentür aufriss und im Gartenhaus verschwand. Ehrlich gesagt wollte ich gar nicht wissen, was er darin versteckte. 

Eine Träne rann meine Wange herunter. Ich lief zu ihm und kniete mich neben ihn. „Geht es dir gut? Dein Bauch ... was hat er getan", schluchzte ich. Er lächelte, als er mich bemerkte. „Mach dir keine Sorgen um mich. Du musst zur Schule- warte"

Mit wackeligen Beinen stand er auf und schleppte sich zum Küchentisch. Er drückte mir ein Brötchen in die Hand- unser letztes Essen. „Schnell, geh, bevor er wiederkommt." Er gab mir einen schnellen Kuss auf die Stirn und legte mir seine Jacke um. „Die wirst du brauchen", meinte er noch.

 Ich nickte besorgt. Ich selbst hatte keine Jacke mehr- mein Vater hatte sie bei einem alkoholisch bedingten Wutanfall zu Fetzen verarbeitet. Bevor ich die Haustür hinter mir ins Schloss fallen ließ, zog ich meinen großen Bruder noch in eine kurze, vorsichtige Umarmung. Ich hatte Angst, dass sonst seine Wunden aufreißen könnten. Er musste unbedingt mal zu einem Arzt...

POV Rezo

Meine Schwester zog mich noch in eine kurze Umarmung, bei der sie darauf achtete, nicht meine Wunden zu treffen. Süß war das schon- weh tat es trotzdem. Aber das war nicht ihre Schuld- da waren Wunden, von denen sie nichts wusste. Relativ frische- verursacht von einer alten Rasierklinge...

 Ich schüttelte den Kopf, in der Absicht, so meine düsteren Gedanken loszuwerden- vergeblich. Egal- ich musste zur Schule. Vielleicht hatte ich Glück und wurde einfach ignoriert. Ich atmete tief durch- dann trat ich raus auf die Straße. 

POV Ju 

Gut gelaunt schlenderte ich über die Straße. Ich hatte mich für einen kleinen Umweg entschieden, da Joon krank war und dieser Weg hier, ohne an seinem Haus vorbeizulaufen einfach kürzer war.

Als ich auf der anderen Straßenseite angekommen war, stockte ich. Ein paar Häuser weiter sah ich ein kleines Mädchen aus der Einfahrt laufen, kurz danach einen blauhaarigen Jungen- warte... war das Rezo? Wir waren in der gleichen Klasse und ich fand ihn schon ziemlich cute- aber ich hatte nie gewusst, wo er wohnte oder wie es ihm eigentlich so ging im Leben. 

Er war immer schon so schüchtern gewesen...

Rezo lief zügig, aber er humpelte leicht. Was war passiert? Gestern hatte er noch nicht gehumpelt... 

Warum wusste ich das überhaupt?, fragte ich mich selbst. Okay, ich war bi, aber das hieß doch nicht gleich, dass ich nur auf Männer stand. Aber Rezo... Egal. Ich schüttelte den Gedanken ab und lief weiter.

POV Rezo

Als ich die Straße entlanglief, merkte ich, dass mich jemand mehr oder weniger verfolgte. Ich drehte mich um- was gar nicht so leicht war, da ich noch meinen Gitarrenkoffer für den Musikunterricht auf dem Rücken trug- und sah Julien. Oder Ju? Ich wusste nicht, wie ich ihn ansprechen sollte. Unauffällig drehte ich meinen Kopf etwas in seine Richtung. Ich merkte, wie mein Herz plötzlich höher schlug und kleine Sprünge machte. Warum bei ihm??

Naja, süß war er schon mit dieser verschlafenen Frisur und diesem verschmitzten Blick... Bah! Geht es noch ekelhafter? Glaubs du ernsthaft, der will was von so einer Schwuchtel wie dir? Du eingebildetes Stück Scheisse...  Hör auf!, schluchzte ich innerlich. Dann drehte ich mich einfach wieder um. Da war die Schule...

♥️Hab euch lieb, Mickey♥️

(1179 Wörter)

Juzo-Hilf mir!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt