Kapitel 3

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Noch einmal alle Triggerwarnungen (geltend für die gesamte Story). Bitte nicht lesen, wenn euch eines dieser Themen triggert!!

-häusliche Gewalt-Sv/Suizidgedanken -Mobbing, Hate-Thematisierung/Konsumierung von Drogen-Albträume- Blut- Beleidungen-Homophobie-

Wenn ich etwas vergessen haben sollte, teilt es mir bitte mit.

POV Ju 

Volltreffer.

Rezo erstarrte. Damit hatte ich anscheinend einen wunden Punkt getroffen. Ich sah, wie sich seine eisblauen Augen, in denen man sich immer so schön verlieren konnte, langsam mit dicken Tränen füllten.

Ich schluckte. Ihn so zu sehen, brach mir mein kleines Herz. So etwas schönes und süßes wie er hatte diesen ganzen Schmerz einfach nicht verdient. Niemand hatte das verdient.

Hilflos schaute Rezo sich um und drückte verzweifelt sein bereits jetzt schon verheultes Gesicht in den nächstbesten Stoff, den er finden konnte: Meinen Hoodie. Ab jetzt konnte ich nicht mehr anders. Ich legte meinen Arm um den Blauhaarigen und zog ihn näher zu mir heran. Ich vergrub meine Nase in seine verstrubbelte Frisur und sog seinen Duft ein. Sommerregen- Eisbonbons- frische, klare Nachtluft... ich liebte diesen Geruch. Wie er aussah- dieses süße Lächeln, wenn er mich manchmal anguckte... Alles... 

„Heyy", versuchte ich ihn zu trösten, „alles wird gut. Ich...", kurz zögerte ich, doch dann fügte ich noch leise hinzu: „Ich beschütz dich, Rezo." Ich wusste nicht, wie es passiert war, aber es fühlte sich richtig an, als sich mein Arm wie von allein um Rezo's Taille schlang. Ich wollte einfach, dass er sich sicher fühlte...

POV Rezo

Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Sein Arm um meine Taille ließ meinen ganzen Körper erbeben. Ich fühlte mich irgendwie aufgehoben bei ihm- lebendiger, als könnte ich ihm alle meine Geheimnisse erzählen und er würde mich verstehen, mich nicht dafür verurteilen, was ich bin, als einziger Mensch dieser Welt. Und das, obwohl wir bisher erst in Gruppenarbeiten für die Schule gesprochen hatten. Die Schmetterlinge in meinem Bauch spielten verrückt- es war schon so unzählbar lange her, dass sie das letzte Mal gefeiert hatten. Ju hatte seinen Gesicht in meinen Haaren vergraben und kraulte nun sanft meinen Kopf mit seiner freien Hand. Es tat so gut. Bitte hör nicht auf, bettelte ich innerlich.

 Dann hielt er kurz inne. „Du kannst mir alles sagen, okay?", murmelte er vorsichtig in mein Ohr. „Wir reden darüber, wenn du dich bereit fühlst." Er war so süß, so fürsorglich. Ich konnte nur leicht nicken, sonst hätte ich wahrscheinlich wieder angefangen zu weinen. Ich schloss die Augen und genoss diesen seltenen Moment der Ruhe und der Zweisamkeit. Langsam fiel ich in einen unruhigen Halbschlaf...

POV Ju

Rezo hatte die Augen geschlossen. Ich lächelte. Er sah echt süß aus, wie er an meine Schulter gelehnt seinen eigenen Gedanken nachging. Ich hoffte, dass es ihm gut ging, auch wenn ich befürchtete, dass dem nicht so war. Und wenn ich mitbekommen würde, wenn jemand ihn verletzen wollte, würde ich persönlich dafür sorgen, dass der Mensch, der ihm das angetan hatte, nie wieder so jemanden wie Rezo verletzen konnte. 

Dieses Kribbeln in meinem Bauch, dass manchmal da gewesen war, wenn ich Rezo getroffen hatte, war stärker geworden, deutlicher. Ich hatte es schon lange geahnt, aber jetzt, wo Rezo so friedlich und als wäre das Leben perfekt, hier in meinen Armen lag, war es mir endgültig klar geworden: Ich hatte mich in diesen Schlumpf verliebt. Meinen Schlumpf.

POV Rezo

Ich rannte. Ich rannte und rannte, ohne zu wissen, ob ich jemals wieder hier herausfinden würde, ob ich jemals ruhen könnte. Meine Beine wurden weich, schmerzten, und meine Lunge brannte. Doch ich konnte jetzt nicht anhalten. Ich hatte das Gefühl, verfolgt zu werden. Die Bäume flüsterten mir zu, und die Nacht wurde immer schwärzer, während ich einfach weiterrannte. Einfach immer weiter. Das Etwas, das mich verfolgte, kam näher, immer näher, und es machte keine Anstalten, aufzugeben, Müdigkeit zu zeigen, sich auszuruhen. Angst und Panik stiegen in mir auf, ich wollte schneller rennen, weg von hier, weit weit weg, raus aus diesem grausamen Wald. Doch ich konnte nicht mehr. Irgendwann musste ich anhalten, mich ausruhen, eine Pause machen und mich für einen kurzen Moment fallen lassen, und dann würde es mich kriegen. Das Etwas holte immer mehr auf. Immer weniger Abstand  lag zwischen mir und ihm, beunruhigend wenig. 10 Meter, 5 Meter- zwei Meter. Tränen liefen meine Wangen herunter. Nein. Ich stolperte. Jetzt war alles zu spät. Es hatte mich eingeholt- endgültig eingeholt. Langsam schlich es um mich herum, versperrte mir die Sicht auf den Weg hier heraus. Wie eine schwarze, bedrohliche Wolke legte es sich um meinen Körper. Dann übernahm es ihn, drang in meine Seele ein, verbannte alles schöne und hinterließ nur einen toten Haufen Asche und eine blutende, leere Seele in mir. Ich schrie auf vor Schmerz und sackte auf dem kalten, abweisenden Waldboden zusammen. Von irgendwoher drang eine leise Stimme durch den stickigen, trüben Nebel zu mir... „Hey! Hallo! REZO!"

„Hallo! Rezo, Rezo wach auf!!" Jemand schüttelte mich energisch. Ju... Ich schreckte auf. Mein Atem ging schnell und flach, und mein Gesicht fühlte sich an, als wäre ich in ein Bad aus Salzwasser eingetaucht worden. „Rezo! Du bist wach- du zitterst total und- du hast geschrien! Ist alles gut? Rezo!" In seinen Augen lag Panik. 

Es stimmte. Ich zitterte wirklich. Langsam realisierte ich auch, was das auf meinem Gesicht war- „Tränen...", stellte Ju fest und schaute mich besorgt an. Ich nickte vorsichtig. „Mhm...", murmelte ich nur, während ich mit einer schnellen Handbewegung die Tränen aus meinem Gesicht wischte und versuchte, meine Atmung zu beruhigen. Ju drückte mich noch etwas fester an sich. Ich zischte auf. Sofort zuckte Ju zurück und ließ wieder los. 

Direkt bereute ich dieses Geräusch. „Sorry", flüsterte ich nur mit gebrochener Stimme und schaute beschämt weg. „Alles gut", antwortete Ju. „Aber- du weißt, dass du mit mir reden kannst, wenn du das willst, oder?" Trotz dem Stechen meines pochenden Herzen in meiner Brust  und dem beunruhigenden Traum gerade eben schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. „Ja", sagte ich nur.

Na, dachtest du, ich gebe so schnell auf, Rezo? Aber ich bin doch deine treue Begleiterin. Ich werde dich verfolgen. Immer weiter, bis ich dich endgültig in meiner Macht habe. Dich verfolgen, deine Gedanken und Träume kontrollieren. Und du kannst nichts dagegen tun- denn ich werde niemals aufgeben. Du bist zu schwach, um ohne mich zu leben. Zu schwach, mich abzuschütteln. Du bist mir hilflos ausgesetzt...

Die Stimme.

„Ich- ich muss nach Hause, es ist schon spät", meinte ich knapp und sprang auf. Leicht verwirrt brachte Ju nur noch ein „okay..." heraus und schaute mich mit einem Fragezeichen im Gesicht an. Es tat mir leid, aber ich konnte jetzt nicht hier sein. Meine Schwester würde bald nach Hause kommen, und ich konnte nicht zulassen, dass ich Egoist sie bei unserem Vater alleine lassen würde. Ich musste für sie da sein. „Bye", ich winkte Ju noch ein letztes Mal, dann begab ich mich auf den Heimweg. Sorry, Ju... 

♥️Hab euch lieb, Mickey♥️

(1168 Wörter)

Juzo-Hilf mir!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt