𝟎𝟗

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Alenia

Die Ferien sind schneller vergangen, als es mir lieb ist. Die Schule hat wieder begonnen und in kürzester Zeit steht die Klausurphase an. Bedeutet die Ferien waren die letzte Möglichkeit sich in nächster Zeit zu erholen, und selbst dort musste ich mehrere Schularbeiten erledigen. Doch so ist das in der Oberstufe nunmal. Immerhin möchte ich auch einen guten Abschluss erzielen, um Jura studieren zu können.

Der Herbst neigt sie langsam dem Ende zu und die Temperaturen werden immer kälter. Der Winter steht bevor und dies bekommt man auch immer mehr zu spüren. Wie jetzt gerade, wo ich aus dem Schulgebäude trete und mich nicht nur kühle Luft empfängt, sondern auch strömender Regen. Dummerweise dachte ich heute Morgen, es würde ausreichen eine relativ dünne Jacke, über meinen Pullover anzuziehen. Und das hat es auch. Jedenfalls hat es für die Temperaturen ausgereicht, doch auf Regen war ich nicht vorbereitet.

Da ich aber irgendwie nachhause gelangen muss und keine Lust habe, noch ewig in der Schule zu sitzen und zu warten, bis der Regen aufgehört hat, muss ich mich wohl damit abfinden.

Als ich die Straße entlanglaufe und bereits jetzt schon total nass geworden bin, fährt unerwarteter Weise ein bekanntes Auto neben mir her. „Steig ein!", ruft Matteo mir durch die heruntergelassene Fensterscheibe, und über den Regen hinweg, zu. Diesmal lehne ich nicht ab, sondern gehe dem sofort nach.

„Hätte nicht gedacht, dass du mal bereitwillig in mein Auto steigst." Verübeln kann man es ihm nicht, da ich bis jetzt immer abgelehnt habe, wenn er oder Kayla mir angeboten haben, mich nachhause zu fahren. „Ist eine Ausnahme", erwidere ich und mustere die Inneneinrichtung des Autos. Mit Autos kenne ich mich nicht wirklich aus, aber es sieht ganz schön aus. Generell hat Matteo ein recht neues und teurer aussehendes Auto, wobei ich mich frage, wie er sich solch eines mit achtzehn leisten kann.

„Wegen dem Regen?" Automatisch gleitet mein Blick zum Fenster, welches von Wassertropfen bedeckt ist. „Ja."

Der Grund dafür, dass Matteo alleine in diesem Auto sitzt, ist dass Kaylas Unterricht ausgefallen ist. Genauso wie Kians, denn die beiden hätten eigentlich Erdkunde gehabt.

„Wo fahren wir eigentlich hin?" Verwirrt runzle ich die Stirn, als mir auffällt, dass wir direkt in die Innenstadt fahren. Vielleicht hätte ich Matteo meine Adresse direkt geben sollen, als ich in sein Auto gestiegen bin, doch daran habe ich nicht gedacht. „Etwas essen." „Etwas essen?", wiederhole ich fragend. „Ja, wir gehen etwas essen." „Das ist nicht nötig. Ich kann auch einfach hier aussteigen und nachhause laufen." mittlerweile ist der Regen sogar etwas abgeschwächt.

„Nein, wenn ich dich schonmal hier bei mir im Auto habe, lade ich dich gerne zum Essen ein. Sonst würde es wahrscheinlich noch eine Ewigkeit dauern, bis du einer Verabredung mit mir zusagst." Damit habe ich nicht gerechnet. Doch wer hätte gedacht, dass er so hartnäckig bleibt? „Das letzte Mal, als wir geredet haben, meintest du noch, du wärst dir sicher, ich würde dir irgendwann zusagen." „Bin ich mir noch immer, deshalb meinte ich auch, es würde noch eine Ewigkeit dauern und nicht, dass du sonst niemals zusagen würdest. Doch was spricht dagegen den Prozess zu beschleunigen? Nichts, also steig aus und komm mit." Noch etwas perplex steige ich aus und folge ihm. Schließlich wäre es auch irgendwie unhöflich jetzt einfach zu gehen.

Als wir vor dem Laden ankommen, stelle ich fest, dass es derselbe Asiate ist, bei welchem ich vor einigen Wochen auch mit Kayla war. „Ich hoffe dieses Restaurant ist in Ordnung für dich. Ich weiß, dass du mal mit meiner Schwester hier warst und dachte mir, dann kann es kein Fehltritt sein." Ich mag dieses Restaurant. Hat er Kayla danach gefragt, oder hat sie es ihm einfach so erzählt?

„Also", setze ich an, als wir uns an einen freien Tisch gesetzt haben. „Deine Schwester hat mal beiläufig erwähnt, dass du Lehramt studieren möchtest." Überrascht schaut er mich an und nickt. „Ja. Sport und Mathe." Ich verziehe etwas das Gesicht, woraufhin er lacht. „Ich habe ja schon mitbekommen, dass du Mathe nicht sonderlich magst." Eine Kellnerin kommt und nimmt unsere Bestellungen auf.

„Was möchtest du denn nach der Schule machen?" „Jura studieren", antworte ich ihm kurzgebunden. Ich hatte eigentlich gehofft, weitestgehend fragen am mich zu vermeiden, weshalb ich auch ein Gespräch über ihn angefangene habe und nun fortführe. „Weißt du denn schon, wo du studieren möchtest." „Nein, noch nicht ganz. Ich habe erst grobe Vorstellungen." Verstehend nicke ich. Ich weiß selbst noch nicht, wo ich studieren möchte. Aber zum Glück bleibt uns noch etwas Zeit. Immerhin sind wir noch im ersten Halbjahr der elften Klasse. Bis wir die zwölfte und damit auch das Abitur beendet haben, dauert es also noch etwas.

„Und wie gefällt dir die Stadt?" „Du stellst ziemlich viele Fragen, dafür dass ich dich quasi zu diesem Essen zwingen musste", stellt Matteo fest. „Warum nicht? Du hattest doch wohl hoffentlich nicht vor, dieses Essen in schweigen zu verbringen." „Nein, natürlich nicht." Unsere Getränke werden vor uns abgestellt.

„Du hast mir nicht geantwortet." Ausdruckslos schaut er mich an und zuckt mit den Schultern. „Es gefällt mir eigentlich ganz gut hier. Es ist hier schöner als dort, wo ich vorher gewohnt habe." „Vermisst du dein altes Zuhause nicht? Deine Freunde?" Ich kann mir garnicht vorstellen, von hier wegzuziehen. Kian ist mir sehr wichtig. Und nun ist mir auch Kayla sehr wichtig geworden. Es ist unvorstellbar für mich, nicht mehr die Möglichkeit zu haben, sie so oft zu sehen.

„Zu einigen habe ich zwar noch Kontakt, aber der Umzug ist mir erstaunlich leicht gefallen. Es hört sich vielleicht gemein an, aber ich hätte auch nicht gedacht, dass ich meine Freunde so wenig vermissen würde." Ich habe das Gefühl, dass er noch mehr dazu zu erzählen hat, es aber nicht möchte. Aber gut, so nah stehen wir uns nun auch wieder nicht. Schließlich bin auch ich diejenige, die die ganze Zeit versucht, fragen über sich zu umgehen.

Als wir mit dem Essen fertig sind, bringt uns ein Kellner die Rechnung. Matteo besteht darauf, die Rechnung zu bezahlen, während ich meine, dass es nicht nötig sei, dass er für mich bezahle. Allerdings behaart er solange darauf, dass ich schließlich nachgebe und mich bei ihm bedanke.

Natürlich ist Matteo so nett und fährt mich noch zu mir Nachhause. Mittlerweile hat der Regen zwar aufgehört, aber dafür sind die Temperaturen gesunken, weshalb ich sehr froh darüber bin und mich bei ihm bedanke, als wir vor meiner Haustür stehen.

„Ich hoffe wir können das wiederholen", ist das letzte was er sagt, als ich aus seinem Auto steige.

Be liedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt