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Alenia

Mit riesigen Augen schaue ich meinem Spiegelbild entgegen und versuche zu verstehen, was gerade passiert ist.

Matteo hat mich geküsst.

Es kam so plötzlich. Ich war darauf überhaupt nicht vorbereitet. Niemals im Leben habe ich damit gerechnet, dass Matteo mich küssen würde.

Und ich habe es auch noch erwidert.

Warum habe ich das getan? Habe ich wirklich so viel Alkohol intus, dass ich nicht mehr klar denken konnte?

In dem Versuch mich zu beruhigen, lasse ich kaltes Wasser über meine Handgelenke laufen. Doch wirklich zur Beruhigung verhelfen, tut es mir nicht.

Als es an der Tür klopft, zucke ich zusammen und höre jemanden durch diese rufen. „Ich möchte ja wirklich nicht stören, aber du bist schon eine Weile dort drinnen und ich muss dringend auf die Toilette." Und ich hatte schon befürchtet, Matteo wäre mir hinterher gelaufen. Doch warum sollte er? Ich bin immerhin vor ihm weggerannt, dies sollte abweisend genug gewesen sein. Wahrscheinlich wird er nie wieder versuchen, mir irgendwie nahe zu kommen. Und ich weiß nicht, ob ich erleichtert, oder enttäuscht darüber wäre. Ich weiß nichtmal ob es richtig oder falsch war, dass ich weggelaufen bin. Oder dass ich den Kuss erwidert habe. Ich weiß gerade überhaupt nichts. Wäre ich doch bloß nicht auf diese Party gekommen.

Als es ein weiteres Mal klopft, beeile mich mich zur Tür zu laufen, schließe sie auf und gehe an dem Jungen vorbei, welcher wer weiß wie lange schon hier wartet. Ein leichtes Lächeln kriege ich noch über meine Lippen. Dann laufe ich zur Treppe, von welcher aus ich den gesamten Raum absuche. Matteo ist nirgend zu entdecken, also renne ich regelrecht nach unten und flüchte aus dem Haus.

Ich verabschiede mich nicht von Kayla oder Kian, da ich nicht riskieren möchte, Matteo noch einmal über den Weg zu laufen. Das wird in der Schule schon unangenehm genug werden. Verdammt.

Dass ich nach dem Kuss sofort weggerannt bin, macht das ganze noch peinlicher. Doch was hätte ich tun sollen? Von Kayla weiß ich schließlich, dass er noch nie Interesse an einer ernsthaften Beziehung hatte. Und selbst wenn es anders wäre, wäre ich nicht dafür geeignet.

Ich schlinge meine Arme um mich, als mich ein kalter Windzug streift. Gerade bei Nacht ist es noch kälter als vorhin, wo ich zur Party gelaufen bin. Der Himmel ist Stockdunkel, doch die Straßenlaternen spenden genug Licht, um den richtigen Weg zu finden.

Nach kürzester Zeit erreiche ich unser Haus. Leise schließe ich die Haustür auf und schlüpfe aus meinen Schuhen. Im gesamten Haus ist es dunkel, was bedeutet, dass Tante und Onkel bereits schlafen müssten.

Ich habe schon viel zu lange nicht mehr auf mein Handy geschaut, weshalb ich es nun heraushole, um zu schauen wie spät es ist. Überrascht schaue ich auf das Display, welches anzeigt dass es erst kurz nach Mitternacht ist.

Ich benutze die Taschenlampe meines Handys, um unversehrt die Treppe hochzulaufen und in mein Zimmer zu gelangen. Dort entledige ich mich zuerst meiner Kleidung und ziehe mir meinen Pyjama an. Dann lege ich mich in mein Bett und nehme mir erneut mein Handy in die Hand, wo mir sofort Nachrichten von Kayla entgegen springen.

„Wo bist du?"
„Ich kann dich nirgends finden."

Schnell antworte ich auf ihre Nachrichten.

„Ich bin schon nachhause gegangen."
„Tut mir leid, dass ich nicht Bescheid gegeben habe."
„Mir ging es nicht so gut."

„Soll ich zu dir kommen?"

„Nicht nötig, aber danke :)"

„Gut, aber wenn was ist, kannst du mir schreiben."
„Ich denke, ich gehe auch bald nachhause."
„Matteo sieht nämlich irgendwie schlecht gelaunt aus und als würde er keine Lust mehr haben, auf dieser Party zu sein."

Bei dieser Nachricht runzle ich die Stirn und antworte.

„Was meinst du damit?"

Ob der Kuss etwas damit zu tun hat?

„Ich weiß selbst nicht was passiert ist."
„Aber ist auch nicht so wichtig."

Ich frage nicht weiter nach, da das zu auffällig wäre. Stattdessen informiere ich mich über meinen besten Freund.

„Lebt Kian noch?"

„Er liegt neben mir auf dem Sofa und hat einiges getrunken, aber er atmet noch."

„Er wird wahrscheinlich die ganze Nacht dort verbringen."
„Ich gehe jetzt schlafen, aber morgen musst du mir alles über dich und Jason erzählen."

Ich schicke meine letzte Nachricht an Kayla ab und stecke mein Handy ans Ladekabel. Nachdem ich meine Zähne geputzt habe, lege ich mich schlafen.

Die gesamte Nacht lang habe ich kaum geschlafen. Meine Gedanken sind ständig um die Party und den Kuss gekreist. Sie haben mich förmlich wachgehalten. Ich habe soviel über den Kuss nachgedacht, dass ich sogar glaube von ihm geträumt zu haben.

Und jetzt, wo ich eigentlich für meine Klausuren lernen möchte, kann ich immer noch nicht mit dem Nachdenken aufhören. Meine Gedanken lenken mich viel zu sehr ab und das ist überhaupt nicht gut. Jedesmal wenn ich mir einen Satz in meinem Geschichtshefter durchlese, vergesse ich ihn sofort wieder. Die Sätze kommen nichtmal in meinem Gehirn an, weil dort momentan nur Platz für einen einzigen Gedanken ist.

Frustriert knalle ich meinen Textmarker auf den Tisch, mit welchem ich mir eigentlich das wichtigste markieren wollte, und schlage meinen Hefter zu.

In dem Versuch mich abzulenken, greife ich nach meinem Handy und schaue, ob Kayla mir mittlerweile geschrieben hat. Und nachdem sie über eine halbe Stunde von Jason geschwärmt hat und mehrmals betont hat, wie sehr sie ihn mag, versuche ich mich ein zweites Mal des Lernens.

Diesmal schaffe ich es tatsächlich meine Gedanken beiseite zu schieben und mich voll und ganz auf Geschichte zu konzentrieren. Und als ich mir nach über zwei Stunden endlich den letzten Satz eingeprägt habe, atme ich erleichtert aus und lehne mich zurück. Zufrieden räume ich alle Schulsachen aus dem Weg und verbringe des restlichen Tag damit eine meiner angefangenen Serien fortzusetzen.

Doch als nach einer Weile mein Handy aufleuchtet und es mir eine Nachricht von einer unbekannten Nummer anzeigt, nehme ich es mir verdutzt zur Hand. Neugierig gehe ich auf den Chat. Ob es jemand von meiner Schule ist, um nach Hausaufgaben zu fragen?

Doch meine Frage beantwortet sich schnell, als ich die Nachricht lese. Mein Herz beginnt zu rasen.

„Lauf nicht immer vor mir weg. Bitte."

Be liedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt