29.

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Ich musste bestimmt zum hundertsten Mal nervös schlucken während ich darauf wartete das Lily die Tür öffnete. Es war etwas später geworden als erwartet und die Sonne begann schon unterzugehen was im Winter nichts Ungewöhnliches war.
Lily öffnete die Tür für einen kurzen Moment lehnte sie in der Tür und musterte uns, die Angst packte mich dann doch, was, wenn sie es sich anders überlegt hatte?
Die Rothaarige öffnete ihre Arme für mich und fast augenblicklich ließ Eystein los und stürzte mich in ihre Arme.
»Hey Soph.« hörte ich sie in meine Haare nuscheln.
»Hey« nuschelte ich ebenfalls zurück. Ich kämpfte mit den Tränen.
»Wo sind die Jungs?«, fragte ich, nachdem ich mich von ihr gelöst hatte.
»Die beiden warten drinnen auf dich. Sie haben noch nichts von dem ganzen Drama mitbekommen«, sagte sie mit angespannter Miene.
»Oh, ach ja Lily, das ist Eystein, mein Mann« stellte ich ihn vor, nach dem er sich geräuspert hatte. Dann stürmte ich an Lily vorbei ins Haus.
Ich hörte sie noch sagen, »Freut mich«, es klang sehr versteift und kein Stück erfreut. Ja das würde Spaßig werden, zumindest für Eystein.
Ich unterdessen trat in den vertrauten Flur ein. Ich sog den Geruch von frisch gemachter Lasagne ein, es war nicht nur das Lieblingsessen eines gewissen roten Katers, sondern auch meins. Als ich ins Wohnzimmer eintrat, musste ich fast augenblicklich erstarren. Unge hockte am Sofa und kritzelte sehr angestrengt tuend und sein Matheheft, was ich am blauen Umschlag erkennen konnte. Es war Paul, der sich aus seinem Versteck hinter der Tür hervorsprang, obwohl er inzwischen ein bisschen zu alt dafür war, machte er es dennoch immer noch sehr gerne. Er sprang auf mich zu »Sophie«, grinste mein Bruder und schlang die Arme um meine Hüfte. »Na mein kleiner«, grinste ich ihn an und wuschelte ihm, durch die lockigen, braunen Haaren. »Sophie, du warst länger weg als eigentlich gesagt.« Unge schaute während des ganzen nur still zu uns hinüber. Mein kleiner Bruder schaute mich mit diesem Blick, an den er schon von klein auf gut konnte. Er sah dann immer älter aus als er eigentlich war. Und wirkte so als trüge er die ganze Verantwortung auf seinen Schultern. Ich hasste diesen Blick.
Ich wusste genau was es bedeutet, ich konnte es in seinen Augen sehen. Er wusste es. »Hi Junior«, nutzte ich mit Absicht seinen Spitznamen.
Ich war dankbar dafür das Lily anscheinend Eystein noch im Flur aufhielt. »Wo ist er?«, fragte Unge nur mit kalter Stimme. »Noch draußen.« , antwortet ich und mein Bruder erhob sich vom Sofa. Er kam auf mich zu und zog mich in eine Rippenbrechende Umarmung.
»Paul weiß noch nichts von ihm. Das musst du ihm schon selbst erklären. Ich hab mitbekommen, dass Dad dich rausgeschmissen hat.« Dann löste er sich von mir. Trotz das er jünger war als ich, war er dennoch größer. »Hast du auch schon von seiner neuen Freundin gehört?«, konnte ich mir nicht verkneifen. Mein Bruder starrt mich aus großen braunen Augen an. Seine braunroten Haare, sahen im letzten Licht der untergehenden Sonne, so aus als würden sie beginnen zu brennen.
Paul sah aus wie eine Minivision meines Vaters, aber mein Bruder Unge, sah meiner Mutter ähnlich. Ich hatte zwar ihre Nase und ihre Gesichtsform, doch der Rest von mir war mein Vater.
»Wo ist wer?«, fragte Paul verwirrt. Ich trat aufs Sofa zu und ließ mich auf eben dieses fallen. »Komm«, bedeute ich ihm. Mein Bruder schob sich zu mir auf das Sofa. Unge schaute uns noch einmal an, bevor er die Tür zum Wohnzimmer schloss. »Paul«, ich legte einen Arm um meinen Bruder. »Erinnerst du dich noch daran, als Cousine Magda geheiratet hat?«
»Ja?«, fragte er verwirrt. »Ich bin dreizehn nicht dämlich«, erklärte er mir, in seiner erwachsenen Stimme.
»Gut« Ich wusste nicht wie ich weiter machen sollte. Ehrlich gesagt hatte ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Nun wünschte ich mir, ich hätte mir ein bisschen mehr Zeit dafür genommen. Ich hörte klappern in der Küche. Wahrscheinlich hatten Unge, Eystein und Lily sich dort hin zurückgezogen. Um Paul und mir Privatsphäre zu geben.
Gerade wünschte ich mir, dass sie einfach nur ins Wohnzimmer gestürmt kamen, um mir die Verantwortung abzunehmen, es meinem kleinen Bruder zu erklären. »Ich hab geheiratet, als ich weg war. Sein Name ist Eystein, deswegen war ich auch so lange weg. Ich musste noch paar Sachen erledigen«, sagte ich. Er schaute mich stumm an. »Also hatten die Kinder in der Schule doch recht«
»Recht, womit?«, fragte ich verwundert. »Recht damit, das du mich ab jetzt verlassen wirst, dass du uns nicht liebst und nur deswegen geheiratet hast, um uns loszuwerden.«
»Paul, nein! Ich verstehe, dass das eine überraschende Neuigkeit für dich ist. Du bist mein kleiner Bruder und ich liebe dich, hörst du mich? Meine Entscheidung zu heiraten ändert nichts an unserem Verhältnis. Du kannst jederzeit zu mir kommen. Du und dein Bruder, ihr seid meine Familie und ich liebe euch. Ich wollte ganz bestimmt nie diese Familie verlassen. Ich liebe euch doch, so, so doll. Okay, komm her«, zog ich ihn gegen meine Brust und hielt ihn fest. Ich wiegte ihn hin und her, so wie ich es immer gemacht hatte, wenn einer von ihnen unsicher war.
»Ich würde euch nie freiwillig verlassen«, flüsterte ich gegen seine Haare, bevor ich einen Kuss gegen seine Stirn drückte.
Ich wusste nicht, wie ich ihm jetzt, noch erklären sollte das ich ausziehen würde, weil mein Dad mich rausgeschmissen hatte. Was ein Dick Ich beschloss einfach es schnell zu machen. Wie bei einem Pflaster einfach schnell abreißen.
»Dad hat mich rausgeschmissen.«, mein Bruder starrte verwirrt zu mir auf. »Was?«, ich konnte Tränen sehen, die in seinen Augen aufstiegen. Super Ein weinendes Kind gerade das was ich brauchte. Hast du super gemacht, Sophie dachte ich mir. So viele dazu, das man das Pflaster schnell abziehen musste.
»Warum hat er dich rausgeschmissen?«, fragte Paul mich verwirrt.
Weil seine neue Freundin, eine Schlampe ist, er das aber nicht sieht
»Wir hatten eine ziemlich heftige Meinungsverschiedenheit.«, das stimmte auch. Auch wenn ich es gerne mit ein paar mehr Schimpfworten, versehen hatte. »Aber das bedeutet nicht, das wir uns nie wieder sehen müssen. Hörst du mich? Ich werde immer da sein, wenn du mich brauchst«, hauchte ich. Er nickte. »Gut möchtest du ihn kennenlernen?«, fragte ich meinen Bruder. »Nur wenn er nett ist!«, sagte er. Ich grinste »Er ist sehr nett.«
»Gut, sollte er mal nicht nett sein, weiß ich wo man gut Leichen loswerden kann.«
»Will ich wissen, woher du das weißt?«, fragte ich ihn, ein kleines lächeln formte sich auf meinen Lippen.
Wusste ich doch, dass er nur so drohte und es nicht ernst meinte.
»Das willst du gar nicht wissen.«, ich musste ein Lachen unterdrücken, ich hatte meine Brüder vermisst. »Na komm du, ich verspreche dir Eystein ist nett.«
»Eystein wie Eystein Ragnasøn, auch bekannt als Odin von der Band, die Dad so hasst?«, fragte er mich. Ich nickte lachend. »Uhh das hast du gut gemacht!«, grinste er mich stolz an, Ich grinste zurück. Nahm seine Hand und zog ihn mit mir zur Tür, die vom Wohnzimmer, direkt aus in die Küche führte.
Eystein saß auf einem der Ausklappbaren Küchenstühle, an dem kleinen Küchentisch, den Lily zumeist nutzte, um Sachen darauf abzustellen. Schließlich hatten wir im Wohnzimmer, einen riesigen Esstisch stehen.
Er hatte ein Glas Cola vor sich stehen, Unge saß ihm gegenüber und musterte ihn aus zusammen gekniffenen Augen. Das schien ja schon einmal gut zu laufen
Wir saßen inzwischen im Wohnzimmer, jeder einen Teller vor sich und Lilys super gelungene Lasagne stand in der Mitte des Tisches. Bis jetzt waren noch keine peinlichen Fragen gestellt worden, doch was ja noch nicht war, konnte ja noch werden. Und wie um meine Gedanken zu bezeugen, fragte Paul. »Wie ist das jetzt eigentlich, nachdem Dad dich rausgeschmissen hat?«, nach einem ziemlich verwirrten Blick von mir erläuterte er: »Naja schläfst du bei Blue oder so? Oder bei ihm, mit ihm?« Eystein verschluckte sich an seinem Getränk und prustete los. »UNGE«, herrschten sowohl Lily als auch ich ihn an. »Was denn, das war eine ernst gemeinte frage Schließlich sollte ich wohl wissen, ob meine Schwester schwanger ist oder nicht«, ich würde ihn umbringen!!!
Hier und jetzt würde ich meinen Bruder töten. Gut wir wissen glaube ich alle, dass ich das nie tuen würde, doch gerade jetzt wollte ich es ungemein.
»Ich bin nicht schwanger!«
»Und woher weißt du das? Hast du dich testen lassen? Wir wissen schließlich alle, das Paul nur ein Unfall war«, herrschte er mich an.
Es stimmte, Paul war ein Unfall gewesen, das Kondom, das meine Eltern genutzt hatten, hatte ein Loch gehabt.
Ich schaute meinen Bruder böse an, bis mir eins klar wurde, und zwar so glasklar, das ich mich am liebsten selbst Schlagen wollte. Wie war mir das bis eben nicht aufgefallen? Wann immer Eystein und ich miteinander geschlafen hatten, hatten wir kein Kondom verwendet. Und wir hatten diesmal keine Pille für danach geholt Verdammte Scheiße! Ich musste sowas von zum Frauenarzt.
Und das so schnell wie möglich und einfach hoffen, dass ich nicht schwanger war, schließlich herrschte in meiner wundervollen Stadt ein Anti-Abortion gesetzt, das irgendwelche weißen Säcke erlassen hatten, in dem versuch Frauen ihre rechte zu nehmen. Um ehrlich zu sein hatte ich schon oft darüber nachgedacht das Land zu verlassen, aus dem Grund, weil die Regierung gefühlt unbedingt zurück ins Mittelalter wollte. Und es anscheinend auch immer mehr zu schaffen schienen, mit jedem neuen Gesetz das erlassen wurde.
Inzwischen hatten sie uns sogar das recht genommen das, Staat für Staat Sachen entscheiden konnte. Nein inzwischen wurde für ein neues Gesetz abgestimmt und dann wurde dafür gesorgt, das jeder Staat und jedes noch so kleine Dorf sich daranzuhalten hatte. Ein Travel-Ban war für schwangere Frauen ausgesprochen worden. Es war so schlimm geworden das man sich noch nicht einmal am Ticketschalter ein Ticket holen konnte, weil der Ban sofort angezeigt wurde, sobald man den Namen abrief. Weshalb auch immer mehr Frauen die Schwanger waren, und sich sicher waren, direkt an gewisse Leute wanden und gar nicht erst an ihren Frauenarzt.
Ich wusste nur leider nicht wie ich feststellen sollte, ob ich schwanger war, denn sobald ich in eine Drogerie gehen würde, um mir dort einen Schwangerschaftstest zu kaufen, wäre das in den News bevor ich überhaupt niesen könnte. Und dann würde mein Dad davon erfahren. Das wäre so gar nicht gut. Außerdem wollte ich mich sowieso noch auf Krankheiten untersuchen lassen. Es würde schon nichts sein Ich mein, ich musste doch merken, wenn ich schwanger war, oder?
Es war das laut klingelnde Telefon, das mich aus meinen Gedanken riss.
»Ich geh schon!«, sagte ich schnell, um dem Peinlichen schweigen am Tisch zu entkommen.
»Hier bei Rey«, sagte ich ins Telefon. »Sophie?«, heulte da meine beste Freundin Finnie in den Hörer. »Traver, Traver«, heulte sie weiter in den Hörer. »Traver ist was? Finnie was ist los?«, fragte ich so sanft wie möglich. Was war nur bei Finnie los. »Er ist tot, Sophie.«

The Troublemaker Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt