Ungerührt starrte Jimin an die Decke der Zelle. Er wusste nicht wie lange er schon hier unten war. Die Zeit war ihm hier fremd. Es gab nicht einmal eine kleine Luke, durch die er wenigstens einen Blick auf die Tageszeit erhaschen könnte.
Es waren wahrscheinlich bereits Stunden vergangen, seitdem sie ihn hier unten eingesperrt hatten... oder es kam ihm nur so vor. Wer weiß. Seine Umgebung bat ihm nichts. Jeder Winkel war bei jedem neuen Blick unverändert.
Und keine Seele leistete ihm hier unten Gesellschaft. Keine Wachen. Keine Gefangenen. Nur ein paar Seepocken, die die Schiffswände neben ihm säumten.
Die Feuchte des Bodens sickerte bereits durch seine Kleidung. Kleine Splitter der morschen Dielen stachen in seine Fingerspitzen. Jimin zupfte immer wieder an ihnen. Es war eine willkommene Ablenkung von dem unstetigen Tropfen, was ihn regelrecht verspottete.
>>Und nun bist du wieder hier, Jimin. Gefangen. << Er schnaubte gereizt. Eisenstäbe, die ein vertrautes eckiges Muster formten, schirmten ihn von seiner Freiheit ab. Mal wieder. Jimin knirschte mit den Zähnen. Er sah noch immer das abwertende Schimmern in Taehyungs Augen. „War es so schwer, sich zu benehmen?" Benehmen? „Demjenigen gegenüber, der dein Leben verschont hat?" Verschont? Er hatte es doch an sich gerissen. „Kleine Sirene. Wo ist dein Anstand?"
Kleine Sirene. KLEINE SIRENE. Oh. Ein weiterer Mann, der den Namen von seiner Zunge rollen ließ. Süßlich bitter. Jimin wusste, er liebte es. Jede herablassende Silbe. Auch ein Kim Taehyung ergötzte sich daran, ihn hinter Gittern zu sehen. Sein süffisantes Grinsen hatte sich in Jimins Kopf eingebrannt.
Mit jedem weiteren Tropfen, der im Gang auf den Boden platschte, brodelte die Wut weiter ihn ihm auf. >>Ich werde ihm das Grinsen für die Ewigkeit ins Gesicht ritzen. <<
Schritte auf knarrendem Holz rissen ihn aus seinen Rachegedanken. Tock. Tock. Tock. Langsam gemächlich. Eine recht groß gewachsene Gestalt kam vor seiner Zelle zum Stehen. Dunkle Augen starrten zu ihm hinab. Dieses Mal jedoch nicht abschätzig... sondern eher unvoreingenommen.
Es war fast eine Schande, dass das Gesicht des jungen Mannes von den Stäben verdeckt war. Für einen Piraten war er recht ansehnlich. Die Haut unberührt. Wangen und Lippen plump. Kein Anzeichen von Vitaminmangel.
Wenn er nicht hier auf dem Piratenschiff wäre, hätte Jimin vermutet, er gehöre den wohlhabenderen Kreisen an. Bereits auf den ersten Blick konnte er erkennen, dass die schwarze Veste aus gegerbtem Leder war... und das Hemd besaß einen seltsamen Schein. >>Seide? << Seine Kleidung war offensichtlich mit den Jahren wohl in Mitleidenschaft gezogen worden, denn hier und da waren kleine Risse und offene Nähte.
Der Mann trat noch ein Stückchen näher. Das Band, welches in seine kurzen Haare geflochten war, schwang leicht hin und her. Für einen Moment konnte sich Jimin nur darauf fokussieren. Zumindest bis eine warme Stimme an seine Ohren drang. „Ich bin Seokjin." Ein schmales Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. „Ich bin derjenige, der dich behandelt hat."
Jimin blieb ungerührt auf dem Boden sitzen. Was sollte er auch machen? Auf die Knie fallen und ihm danken, wenn er nicht einmal einen Hauch an Dankbarkeit verspürte? Er war verbittert. Eine Stimme im Hinterkopf wisperte ihm zu, dass es besser gewesen wäre, hätte dieser Seokjin ihn einfach an seinem Blut ersticken lassen.
„Ich weiß, du vertraust mir nicht." Das Lachen aus seinem Mund klang etwas unwohl. „Du hast auch keinen Grund dazu." Er räusperte sich. „Und ich schätze es steht mir nicht zu.... Aber ich möchte mich dafür entschuldigen, für das, was man dir angetan hat."
Jimin presste seine Lippen zu einem schmalen Strich. Er konnte es nicht leugnen. Die Entschuldigung überraschte ihn ein wenig. Wenige zeigten Einsicht. Daher fiel es ihm schwer, seinem Mitleid Glauben zu schenken. Aber... was sollte es ihm bringen? Sein Vertrauen? Seokjin hätte nichts davon.
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Ligeia - VMIN
Romance#: Romanze, Fantasy, Angst, Kampf/Gewalt // "Sie lügt, meine Perle" - Die See war nicht seine Freiheit, sie war sein Gefängnis. // // Sirene. Kein berüchtigter Pirat und doch trugen Gerüchte seinen Namen über das Meer. Sein Erscheinen war sanftmütig...