8 - Teil der Crew

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Taehyungs Sicht:

„Hältst du es wirklich für weise, ihn frei laufen zu lassen?" Oh. Wie oft er sich diese Frage in den letzten Tagen schon gestellt hatte. Seine Bedenken nagten zu jeder Tageszeit an ihm. Es wirkte wie wahrer Irrsinn. Jemanden wie ihn konnte er keinesfalls unter seine Leute lassen... und doch hatte er ihn aus seiner Zelle befreit. Ihm eine weitere Chance gegeben.

„Ich vertraue dir, Yoongi." Oder er war einfach nur ein Narr. Nein. Er war sicherlich keiner derjenigen, die glaubten, dass diese Person mystische Kräfte in sich verbarg. Die Seele einer Sirene. Aber er wusste... Jimin verkörperte gewissermaßen ihre Grausamkeit in sich.

Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte er sie zu spüren bekommen. Und mit jedem weiteren Mal konnte er sie in seinen Augen sehen. Das Lechzen nach ihrem Blut. Wenn er könnte, würde Jimin sich jedes einzelne Herz auf diesem Schiff zu eigen machen.

Dieser Mann war gefährlich. Taehyungs größter Fehler wäre, wenn er es wagen würde, ihn zu unterschätzen... Aber er konnte es nicht über sich bringen, ihn dort unten weiter verrotten zu lassen. Mit jedem weiteren Tag wirkte seine Haut fahler, der Körper schmächtiger und seine Augen lebloser. Er hielt keinen Gefangenen mehr... nur noch sein Skelett.

Taehyung war noch nie gut darin, Menschen bei ihrem Leiden zuzusehen. Er mochte keinen Kummer... er hasste Schmerz. In seiner Rolle als Kapitän musste er jedoch damit spielen. Es war etwas, das er über den Köpfen seiner Gegner baumeln lassen konnte. Seine Macht ihnen Privilegien zu geben und zu nehmen.

Auch wenn er das Leben nicht als Privileg bezeichnen wollte. Ein jeder Mensch sollte selber darüber bestimmen dürfen. Er hatte kein Recht es zu nehmen. In seiner Position, musste er es sich jedoch zu eigen machen. Und dieses Mal... wollte er ihm das Leben zurückgeben. Er wollte wissen, ob in dieser Person etwas anderes steckte als Zorn.

„Vertrauen?" Yoongi schnaubte. „Es kommt nicht auf dein Vertrauen an. Wir kennen ihn nicht." Seine Augen verfolgten jeden von Jimins Schritten. „Ja. Du weißt um meine Talente... Aber kommen sie im entscheidenden Augenblick gegen seine an?" Yoongi hob sein Kinn an. „An jenem Tag habe ich genauso wenig gesiegt wie er versagt hat."

Taehyung war bewusst, dass auch er damals nicht gewonnen hatte. Zumindest nicht wirklich. Sie beide waren geschwächt von ihren Wunden... und Jimin obendrein von dem Verrat. Er hatte dem Feind allein ins Auge geblickt.

„Pass auf, wo du hintrittst!" Die barsche Stimme dröhnte über das Schiff. Es war keine tatsächliche Wut... eher offene Provokation. Das Grinsen verriet ihn. Taehyung könnte es nie verhindern, egal wie sehr er auch auf seine Mannschaft einredete. Sie alle waren Männer mit einem Ego zu groß für ihren Körper.

Jimin sah von seinem Platz auf dem Boden auf. Der Eimer mit dem Wischwasser rollte geräuschvoll über die Planken neben ihm. Er musste wohl mit Taehyungs Crewmitglied zusammenstoßen sein.

Der vordere Teil seines dunklen Oberteils war vollkommen durchnässt. Das Wasser tropfte von seinen Haarspitzen hinab auf sein Gesicht. Die kleinen Perlen schimmerten im Licht der Sonne wie das Schillern der Schuppen einer Kreatur aus der Tiefe des Ozeans. Und so waren auch seine Augen. So unergründlich tief.

„Niemand traut ihm." Taehyung riss sich von dem Anblick los. „Und keiner wird ihm jemals trauen, Taehyung. Dafür unterscheidet er sich zu sehr von uns." Yoongi schenkte ihm keine weitere Beachtung und wandte sich von ihm ab.

„Jimin. Du sollst nicht mit dir selbst das Deck schrubben", sagte Yoongi trocken, als er vor Jimin zum Stehen kam. Keiner von den beiden rührte sich. Sie starrten sich gegenseitig nieder. Taehyung seufzte. >> Das kann ja was werden. <<

~...~

„Ich verstehe nicht, warum du mich nicht in seine Nähe lässt, obwohl du ihn rausgelassen hast." Seokjin starrte ihn böse von seinem Platz am Tisch ihm gegenüber an. Es erzielte keineswegs die gewünschte Wirkung, denn Taehyung rollte nur mit den Augen. „Du vergisst immer jegliche Vorsicht, Jin. Ich möchte nicht, dass du mit einer aufgeschlitzten Kehle endest, bloß weil du ein zu großes Herz besitzt."

Ligeia - VMINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt