6 - Leiden

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Mit jedem neuen Tag siechte er weiter dahin. Nicht einmal Seokjin konnte ihm wirklich helfen. Ihm war es ohnehin verboten, ihn zu besuchen. Zumindest vermutete er das. Sein sporadisches Erscheinen war jedes Mal hektisch und überstürzt.

Mit jeder Mahlzeit erhielt Jimin wenige Schlucke Rum. Zumindest die Möglichkeit dafür. Nach den ersten Malen hörte er auf, diese zu sich zu nehmen. Der Alkohol brannte in seinem Mund, als hätte man ein Feuer darin entzündet... und es brauchte nur wenige Sekunden bis sein Hals anschwellte.

Jeder Versuch hatte ihn zurück an diesen Tag versetzt. Windend und weinend, als er sich an das Leben geklammert hatte. Der Unterschied bestand wohl darin, dass man ihn nun mit seinem Leiden alleine ließ. Niemand starrte auf ihn herab. Lachte darüber, wie er sich elendig versuchte, selbst zu retten.

Er war erleichtert, dass ihn keiner in diesen Augenblicken sehen konnte. Es war so armselig. Nicht einmal seinen eigenen menschlichen Bedürfnissen konnte er folgen. Jeder Schluck Wasser war eine Qual... und jeder Bissen die reinste Tortur. Er bekam kaum etwas runter. Das ständige Würgen hinderte ihn daran.

Außerdem irritierte das Essen seine Wunde. Jedes Mal schien der Schmerz erneut zu entflammen. Ein Pochen, das durch seinen Kopf dröhnte... ein beißendes Gefühl, als würde seine Speiseröhre wegätzen.

Jimin war der Verzweiflung nahe. Sein Magen brannte voller Leere, doch er konnte nichts Weiteres zu sich nehmen. Er konnte nicht damit umgehen... nicht, wenn es ihm so vorkam als würde er jedes Mal ersticken. Nicht, wenn jede Mahlzeit zur Folter seines Körpers wurde.

Er wollte kämpfen... Er wollte durchhalten. Doch es war furchtbar schwer. Zuerst wollte er keine Regung zeigen. Aber nun sah er das schale Wasser und harte Brot... und war den Tränen nahe. Es verspottete ihn. Sein Körper gierte nach füllender Nahrung. Speichel sammelte sich in seinem Mund. Seine Hände zitterten. Danach greifen konnte er jedoch nicht. Die Angst vor den Schmerzen war zu groß.

Es war schon amüsant... dass er ausgerechnet diese Schmerzen fürchtete. Ein alt bekanntes Gefühl was ihn schon so oft begleitet hatte. Man sollte meinen, er wäre mittlerweile abgehärtet. Sein Geist hatte ihn so oft von seinem Leiden abgeschirmt. Dieses Mal jedoch, legte kein anderer die Hand an ihn. Er musste sich selbst bei vollem Bewusstsein quälen.

„Wenn du das Essen weiterhin verschmähst, lasse ich dich verhungern." Taehyung stand vor der Zelle und starrte zu ihm hinab. „Essen ist rar und ich kann es nicht an dich verschwenden, wenn du es verrotten lässt." Die Missgunst stand ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben.

Jimin konnte nicht einmal die Kraft aufbringen, ihn anzuschauen. Wut und Frustration vermischten sich in seinem Herzen. Er war so machtlos... so hilflos... so erbärmlich. Er konnte nicht mehr machen, als das hier hinzunehmen.

Das Metallgitter öffnete sich. Taehyung zögerte nicht mehr, sich ihm allein zu nähern. Er wusste, dass sich Jimin kaum von der Stelle rührte. Jeden Tag fand er ihn in der selben Position vor. Liegend in die Ecke gepresst. Kopf versteckt in den Armen.

„Bist du dir zu fein hierfür?" Er ging neben ihm in die Knie. „Willst du lieber tafeln wie ein König? Ist es das?" Aus Instinkt schoss seine Hand hervor und Jimin umklammerte Taehyungs Handgelenk. Es war, als hätte ihn für einen Moment die Panik gepackt, als wäre Taehyung eine lauernde Gefahr, die ihm das letzte nehmen wollte, was er noch hatte.

Taehyungs Haltung spannte sich an. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er versuchte den Arm aus der Schlaufe zu ziehen. Anscheinend war die Verletzung noch immer nicht geheilt. Statt des erwarteten Angriffs überraschte Jimin ihn nur damit, dass er das restliche Stück Brot aus seinen Fingern schälte.

„Du kannst das nicht mehr essen. Es schimmelt schon." Jimin musterte die verdächtig weiß-grünlichen Flecken. Er wusste, dass er sein Wohlergehen damit riskierte... aber es war besser als gar nichts. Wenn Taehyung... seine Drohung in die Tat umsetzte, brauchte er alles, was er bekommen konnte.

Ligeia - VMINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt