Also... Es gibt dann doch erstmal keine regelmäßigen Updates. Ich bin ausgezogen und maximal überfordert, weil ich zugegebenermaßen ein verwöhntes Balg war >.>
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Oh. Er würde kommen. Dann, wenn sie sich alle friedlich in ihren Schlaf wiegten. Kein Leid fürchteten. Und er würde jeden einzelnen von ihnen die Augenlider zunähen. Obwohl das noch zu gnädig wäre. Vielleicht sollte er lieber ihre Augäpfel aus ihren Schädeln schaben und sich an ihren Schreien laben.
Jimin ließ den Wischmopp auf den Boden platschen. Die Tropfen spritzten in alle Richtungen und trafen diejenigen in nächster Nähe. Ein Blick genügte, um die meisten zum Schweigen zu bringen. Mehr als das hatte er nicht. Seine Mordgedanken und das stille Versprechen, den nächsten zu töten, der ihn blöd von der Seite anblaffte.
So ging es Tag ein, Tag aus. Das Gaffen. Die Sprüche. Es änderte sich nie. Egal, wo er auch war. Seine einfache Anwesenheit reichte schon aus, um die Mannschaft zu amüsieren. Menschen waren schon recht einfältige Kreaturen.
Doch er war sich nicht sicher, ob er das stille Starren besser fand. Der dunkle, aufmerksame Blick, der ihn über das Deck folgte. Es prickelte in seinem Nacken. Er hatte ohnehin schon das Gefühl, ständig auf der Hut sein zu müssen. Er wusste, er sollte sich keine Fehltritte erlauben. Und Min Yoongi schien sicherzugehen, dass es dabei blieb.
Egal wie oft er auch versuchte, ihn unter den Köpfen der Crew ausfindig zu machen, er scheiterte. Es war helllichter Tag und er bewegte sich wie ein schwarzer Schatten inmitten der Nacht. Ungesehen, ungehört. Er machte seinem Namen alle Ehre.
„Captain!" Diese Stimme rief nicht nach Taehyung. „Captain!" Nur ein einfältiger Knabe würde es wagen, ihn noch so zu nennen. Die kleine Gestalt huschte durch die arbeitende Mannschaft und warf sich Jimin regelrecht in die Arme.
Jimin strauchelte leicht. Etwas irritiert sah er an sich herab. Seitdem sie sich auf diesem Schiff befanden, schien Konu jegliches Zaudern abgelegt zu haben. Selbst wenn er ihn als „Captain" bezeichnete, behandelte er ihn sicherlich nicht mehr dieser Rolle entsprechend.
„Ich will nicht mehr zurück in die Küche. Der Smutje schlägt mich ständig mit dem Kochlöffel!" Jimin wollte ihn bemitleiden. Wirklich. Aber er konnte den belustigten Laut trotzdem nicht unterdrücken. Konu blickte schmollend zu ihm auf. „Was?"
„Du verhackstückst auch die Kartoffeln, anstatt sie zu schälen", sprach die Person neben ihnen, Jimins Gedankengang aus. Es war jemand aus Taehyungs Crew. Großgewachsen und noch relativ jung. Soweit sich Jimin richtig entsann, war sein Name Soobin.
„Gar nicht wahr!", protestierte Konu und sah hilfesuchend zu seinem Captain auf. Jimin tätschelte ihm nur aufmunternd den Kopf. Soobin schnaubte. „Wegen dir gab es jetzt schon unzählige Male gekochte Kartoffelschale."
„Captain, er-" Konu konnte seinen Satz gar nicht beenden, da mischte sich schon Mori ein. „Er ist nicht mehr dein Kapitän. Das hier ist nicht sein Schiff. Also hör endlich auf ihn so zu nennen." Er ließ den Säbel sinken, den er bis vor wenigen Sekunden geschliffen hatte. „Wer soll es sonst sein?", erwiderte Konu frech und Moris ohnehin schon düsterer Blick verfinsterte sich.
„Jihoon werde ich sicherlich nie als meinen Kapitän ansehen. Der denkt, wir sind alle ersetzbar und er sei der Mittelpunkt der Welt." Jimin zog eine leichte Grimasse. >>Ich habe mich kaum anders verhalten. << Konu war seine einzige Ausnahme. Für ihn war er die einzige Person mit Wert.
„Hör zu du kleine Rotznase." Mori erhob sich von seinem Platz auf den gestapelten Kisten. „Du solltest nicht so über Jihoon sprechen. Er verdient Respekt. Genauso wie unser Kapitän." Konu grinste provozierend. >>Das wird nicht gut enden. << Jimin legte eine Hand auf seine Schulter. Eine stille Bitte, dass er sich nicht um Kopf und Kragen reden sollte.
Konu ignorierte sein Zeichen gekonnt. „Achsooo. Es ist nicht Jihoon? Er spielt sich aber als einer auf." Seitdem Taehyung ihn damals ermahnt hatte, war Mori nicht gut auf sie zu sprechen. Er nutzte jede Chance, um sie zu provozieren. Ihn auf die gleiche Art zu behandeln... war aber sicherlich keine schlaue Idee.
„Aber wer ist es dann?" Konu lehnte gespielt nachdenklich den Kopf zur Seite. „Hmmm. Doch nicht etwa Taehyung? Nein. Er ist eher... wie der Papagei auf seiner Schulter. Er überzeugt mit seinem prächtigen Gefieder, brüstet sich auf, hat aber keine wahre Autorität."
Jimin mochte Taehyung nicht sonderlich. Zu behaupten, dass er keine Autorität besaß, wäre jedoch eine Lüge. Er sah sie in seinen Augen. In der Art, in der sich hielt... in der sich ausdrückte. Es gab ein paar lästernde Stimmen im Hintergrund. Jimin wusste, es gab einige, die seine Stärke anzweifelten... seine Weise zu führen in Frage stellten. Die meisten jedoch, respektierten ihn.
Jimin glaubte nicht an das, was Taehyung vertrat. Er war noch immer davon überzeugt, dass es ihn irgendwann zu Fall bringen würde... Doch er zweifelte nicht an ihm in seiner Rolle als Kapitän. Hätte er damals eine Wahl gehabt... bevor er ein Pirat wurde... dann hätte er sich nur allzu gerne dieser Crew angeschlossen.
„Jeder tanzt ihm auf der Nase herum." Jimin zupfte nervös an Konus Oberteil. Mori wirkte so, als wolle er seine Säbel an dem Jungen wetzen. „Er ist nicht mein Kapitän. War es nie und wird es nie sein. Dafür muss er sich erst einmal beweisen."
„Hör zu, du Bengel. Nur weil Taehyung dich mag, hast du kein Recht dazu, respektlos zu werden." Als Mori sich gefährlich näherte, zog Jimin Konu schützend zu sich. „Respekt verdient sich. Den bekommt man nicht einfach so."
„Und ein loses Mundwerk verdient Strafe." Bevor Mori noch einen Schritt auf sie zumachen konnte, stellte sich Jimin zwischen die beiden. Eine Hand ließ er bedeutungsvoll über Moris Brust schweben. Er sollte sich zurückhalten.
Mori war ein Trunkenbold. Niemand, den Jimin ernstnahm. Er hielt auch nicht viel von ihm. Aber im trockenen Zustand... konnte er durchaus eine Gefahr darstellen. Nicht für Jimin... doch Konu würde eine körperliche Auseinandersetzung wahrscheinlich nicht unverletzt verlassen.
Für keine Sekunde verließ Jimins durchdringender Blick Moris Gesicht. Sein Versuch ihn einzuschüchtern scheiterte schnell. Nach kurzer Zeit verzogen sich Moris Lippen zu einem spöttischen Grinsen.
„Und das ist dein Kapitän, ja?" Mori lehnte seinen Kopf zur Seite. „Der große Jimin, der es nicht einmal geschafft hat, bis zum Einbruch der Nacht sein Schiff zu halten." Er sah an Jimin vorbei zu Konu. „Er, der seine Crew nicht zu schätzen weiß. Dessen Stolz so groß ist, dass selbst mehrere Leben bedeutungslos sind. Dass dein Leben für ihn bedeutungslos ist. Er hätte euch, ohne mit der Wimper zu zucken, beim Sterben zugesehen."
Jimin knirschte mit den Zähnen. Kurzerhand packte er Mori am Kragen und drängte ihn ein Stück zurück. Ja. Er hätte liebend gerne dabei zugesehen wie jeder dreckige Bastard aus seiner Crew auf dem Meeresboden versank. Sie verdienten es nicht anders.
Aber niemand kannte seine Geschichte. Vielleicht bemitleideten sie seine Crew. Er hatte sie zuerst verraten und er hatte die gerechte Strafe dafür erhalten. Und Taehyungs Leute wussten, dass er sie genauso wenig retten würde. Doch war es wirklich das einzige, an dem sich Mori störte?
„Sei still!" Konu wollte regelrecht nach vorne springen, doch Jimin drückte ihn mit einer Hand wieder zurück. Die Situation hatte sich schon genug aufgewiegelt. „Du kennst ihn gar nicht!"
„Mir reichen die Geschichten. Ein Schwächling, der seinen Körper verkauft wie eine dahergelaufene Hure für ein wenig Macht-"
~...~
Taehyungs Sicht:
„Er ist Teil dieser Mannschaft." Das waren seine eigenen Worte, die er an seine Crew gerichtet hatte. Vielleicht hatte Taehyung es in diesem Moment so gemeint... doch seinen Worten folgten keine Taten.
Yoongi hatte Recht. Die Mannschaft vertraute Jimin nicht. Er selbst vertraute ihm nicht. Das tat er nie. Jeden Einzelnen, dem er seine Gnade gewährte, traute er nicht. Er wusste, sie konnten ihm jederzeit ein Messer in den Rücken stechen. Selten gaben sie ihre Loyalität einem Fremden. Der dunkle Schatten seines Prinzips.
Aber er wollte nicht mehr Leiden bereiten als nötig. Manche verdienten es zu sterben, andere nicht. Und er urteilte nicht über die, die diesen Weg wählten, um in dieser Welt zu überleben. Und er nahm sich ungerne das Recht, sie für diese Wahl zu töten. Doch blieb ihm oft nichts anderes übrig. Seine Gegner gewährten ihm schließlich nicht die gleiche Barmherzigkeit.
Er wusste nicht, ob es die richtige Entscheidung war, Jimin am Leben zu lassen. Er hatte es abgelehnt sich zu ergeben, er hatte ihn angegriffen. Aber Taehyung hatte auch gesehen, wie mit jedem Tag das Funkeln in seinen Augen starb. Und vielleicht hatte Jimin aus den Konsequenzen seines Handelns gelernt.
Taehyung ließ ihn mit der Mannschaft interagieren, ohne sich einzumischen. Es war nicht so, als würde sich Jimin unter die Crew mischen. Er mied sie vielmehr. Vielen war das vermutlich lieber so... aber es gingen genug auf Konfrontation.
Das brachte das Leben auf dem Schiff mit sich. Angestaute Gefühle, die einen Weg suchten, auszubrechen. Sie lebten miteinander und mussten sich gegenseitig ertragen. Entweder klärte sich ein Streit mit Worten oder mit Fäusten. Taehyung bevorzugte Ersteres... aber er wusste, wann er seinen Männern einen gewissen Freiraum zu lassen hatte.
Jimin musste lernen mit seiner neuen Rolle umzugehen... und seine eigene Mannschaft musste lernen mit Jimin zusammenzuarbeiten. Beide Seiten mussten lernen ihre Missgunst auszudrücken und miteinander umzugehen.
Jimin drückte sich eher still aus. Ein finsterer Blick schien auszureichen, um die meisten abzuschrecken. Jimin wehrte sich äußerst selten. Und das nur auch dann, wenn jemand drohte, wirklich handgreiflich zu werden.
Yoongi hielt Jimin noch immer im Auge. Die Frage war wohl nun, ob er es zu der Sicherheit von Teahyungs Crew tat oder Jimins. Bisher sah er sich noch nicht gezwungen, einzugreifen. Die Männer wussten eigentlich, wann es genug war. Zumindest sollten sie das.
Taehyung wusste zumeist wie er sie händeln musste... wann er sie stoppen musste. Und doch sah er nur zu... bis es eskalierte. Seine eigene Neugierde führte zu Achtlosigkeit. Ein Teil von ihm wollte sehen, was passiert, wenn Jimin an seine Grenzen getrieben wurde.
Handeln hatte Konsequenzen. Es war jedoch nur Jimins Handeln, das bestraft wurde.
Taehyung trat langsam die Stufen vom Achterdeck hinab zu seiner Crew. Die Blicke galten jedoch nicht ihm, sondern dem Mann im Zentrum von allem. „Du wusstest, was dir bevorsteht." Mit gemächlichen Schritten umkreiste Jihoon Jimin, der seinen Blick trotzig geradeaus gerichtet hatte. „Das war deine Bedingung. Greife keinen an, gehorche und du bist frei."
„Natürlich musstest du gegen diese eine Regel verstoßen, nachdem dir unser Kapitän seine Gnade erwiesen hat." Taehyung blieb nahe dem Geschehen stehen. Jihoons Grinsen zog sich in die Breite. „Aber wir wollen mal nicht so sein. Ich werde es als einen Ausrutscher ansehen-" Seine Worte geprägt von einer Art triumphierenden Selbstgefälligkeit. „Aber du hast die Wahl: Ergib dich mir oder sterbe."
Taehyungs Gesicht war ausdruckslos. Seine eigenen Gedanken spiegelten sich nicht darauf ab, egal welche Unruhe auch in ihm herrschte. Die Art wie Jihoon mit Jimin sprach, war ihm etwas Zuwider. Doch war Jihoon eine Person an Bord, der Respekt zu erweisen war. Er war nicht ohne guten Grund seine rechte Hand.
In dieser Situation konnte Taehyung unmöglich intervenieren. Jimin musste seine Gehorsamkeit gegenüber Jihoon beweisen... gegenüber Taehyung und seinen Regeln. Jihoon führte seine Befehle aus. Sei es auf eine Art, die Taehyung zusagte oder nicht.
Jimins Kiefer spannte sich sichtbar an. Der Blick aus jener Nacht, war zurückgekehrt. Die Wut entflammte in ihnen innerhalb von Sekunden. Ein Schauer jagte über Taehyungs Rücken. Der Unterschied war nun, dass Jimin nicht eingesperrt war. Keine Eisenstäbe hielten seinen Zorn gefangen.
Jimin trug keine Waffen an seinem Körper. Das war eine vorläufige Vorsichtsmaßnahme... Und trotzdem lauerte diese bedrohliche Präsenz in ihm. Taehyung wurde mal wieder bewusst, warum dieser Mann selbst Captain war. Sein alleiniges Auftreten änderte die Atmosphäre unter ihnen... Es zeigte seine Autorität. Selbst ohne Worte zeigte er, dass er einst das Sagen hatte.
Es war das, an dem sich Jihoon zu stören schien. Jimin war nie bereit dazu gewesen, zu gehorchen, sich zu ergeben. Der stille Kampf hatte nie geendet. Jimin hielt seinen Kopf nie gesenkt. Trug sich selbst mit Würde. Er folgte seiner neuen Rolle an Bord ohne Protest, nicht weil er sich Taehyung beugen wollte.
Doch Jihoon wollte diesen Trotz brechen. „Auf die Knie." Eine beschämende Geste für den Captain. Er musste den Stolz ablegen und die Niederlage akzeptieren.
Taehyung zog leicht seine Augenbrauen zusammen. Es schien jedoch nicht Jihoons Ziel zu sein, Jimins Treue zu gewinnen. Es wirkte viel mehr so, als wäre es das Ziel, ihn zu demütigen. „Sir! Er hat nicht ohne Grund-" Soobin war nach vorne getreten. „Schweig!", herrschte Jihoon ihn an, „Ich will nichts hören."
„Das ist nicht fair", rief Konu dazwischen. Jimin ließ seinen Blick zu seinem kleinen Anhängsel schweifen. „Ich sagte-" Auf eine Art war es recht amüsant mit anzusehen wie ein bloßes Handheben seitens Jimin, seine rechte Hand zum Schweigen brach. Auf die andere Art war es... beeindruckend. Selbst in dieser Situation besaß er noch einen kleinen Funken Macht.
Konu zögerte für einen Moment. Er wusste, er sollte sich nicht nähern, aber sein Gewissen wollte es wohl nicht zuzulassen. Seine Hingabe beeindruckte Taehyung. Und das nicht zum ersten Mal. Wie hatte sich dieses innige Band zwischen ihnen geschlossen?
Jimin hob seinen Kopf und starrte in die Menge. Er suchte jemanden. Wen- Yoongi. Sein Kanonier erschien wie aus dem Nichts. Er benötigte keine Worte, um zu verstehen, was er tun sollte. Kurzerhand packte er Konu am Kragen und zog ihn wieder zurück. „Lass mich los!"
Jimin nickte ihm für einen winzigen Augenblick zu. Es war kaum erkenntlich. Hätte Taehyung ihn nicht wie gebannt beobachtet, hätte er es wahrscheinlich nicht bemerkt. Diese kleine Dankesgeste.
Jimin ging die Sicherheit des Jungen vor. Er lenkte den Konflikt stets auf sich, wenn Konu sich in Schwierigkeiten brachte. Es war beachtenswert... und ließ einen wundern, wieso ein Pirat wie er, der diese Güte in sich verbirgt, von einem blutigen Schicksal verfolgt wurde.
Jihoons Stirn legte sich gereizt in Falten. Etwas, das er tat, wenn er nicht die Aufmerksamkeit erhielt, die er wollte. „Also. Was ist deine Wahl?" Und so riss er sie wieder an sich. Jimin straffte seine Schultern, ehe er sich ihm wieder zuwandte.
Für einen Moment kreuzten sich ihre Blicke. Die Mordlust war nicht mehr präsent. An ihre Stelle war erneut diese widerwillige Akzeptanz getreten. Das Glänzen in seinen Augen war fern und der Ausdruck stumpf. Es war als würde jemand anderes aus ihm herausgucken.
Taehyung schluckte. Er wollte sich am liebsten abwenden. Es war das, was er wollte, oder nicht? Jimins Treue. Vorgeheuchelt oder nicht. Jimin sollte sich ergeben. Doch ihm wurde bewusst, dass es nicht auf diese Art hätte geschehen sollen. Es war nicht gerecht. Nie endende Provokation blieb unbestraft. Die Gegenwehr nicht. Viele sahen jedoch nur das Letzte. >>Ich kann Jihoon nicht vor der ganzen Mannschaft in Frage stellen. <<
Das hier war das Ergebnis seiner eigenen Sturheit. Er hätte etwas ändern können... und tat lieber nichts. Genauso wie in diesem Augenblick. Taehyung war nur ein Zuschauer seiner eigenen Dummheit.
Jimin sah zu Jihoon hinauf, während er sich langsam zu Boden sinken ließ. Erst das eine Knie... dann folgte das andere. Stille legte sich über das Schiff. Kaum einer wagte zu Atmen... Selbst die See schwieg. Das Schwappen der Wellen verstummt.
Der Widerwille schlich sich zurück in Jimins Ausdruck. Für eine Weile verharrte er in der aufrecht knieenden Position. Doch es war nicht genug.... Seine Hände senkten sich auf die Holzplanken. So als läge er ihm sein Dasein zu Füßen. Das was ihn ausmachte. Entblößt unter dem Starren aller.
Zuletzt drückte er seine Stirn zwischen seine Hände. Das Stille bitten um Vergebung. Jihoons Mundwinkel hoben sich im selbstgefälligen Amüsement. Er war schon immer gut darin gewesen, seinen Willen zu bekommen. Die Frage war jedoch... Hatte er das wirklich?
„Wieso nicht gleich so?" Die Heiterkeit in seiner Stimme wirkte provozierend. „Du hättest dir viel Leid erspart." Jihoons Augen funkelten regelrecht vor Begeisterung. „Aber so hast du wenigstens dazugelernt, nicht wahr? Du hast diese Erfahrung gebraucht, um dir deiner Privilegien bewusst zu werden."
Jimin stützte sich auf und hob den Kopf. Sein Gesicht triefte vor Abneigung. Als wäre die Blamage nicht genug gewesen, setzte Jihoon erneut an. „Und deine Strafe..." Bevor er seine Überlegungen beenden konnte, löste sich Taehyung aus der Menge. „Das reicht."
„Aber-" Taehyung blickte zu Jimin hinab. „Es reicht", erwiderte er bestimmt. Keine Widerworte folgten. Weder von Jihoon noch von seiner Crew. Seine Männer hatten Jimins Niederknien als fairen Ausgleich angenommen. Jimin war von dem Podest des Captains hinabgestiegen. Seine Niederlage offiziell. Er war jetzt Taehyung unterstellt.
Taehyung trat mit wenigen Schritten näher zu ihm. Ohne ein Zögern reichte er Jimin seine Hand. Vor seiner Mannschaft konnte er ihm keine Worte der Entschuldigung geben. Vielleicht konnte das hier jedoch eine Art Neuanfang darstellen.
Jimin musterte seine Hand abschätzig. Nach seiner Vorführung vor aller Augen schien er nicht sonderlich gewillt zu sein, die entgegenkommende Geste zu erwidern. Taehyung ließ sich nicht beirren. Diese Entscheidung war ganz allein Jimins.
Nach einer kurzen Weile ergriff Jimin schließlich seine Hand. Mit einem kleinen Ruck zog Taehyung ihn hoch zu sich. „Willkommen an Bord." Es war wohl das erste Mal, das er Jimin wirklich anlächelte. Ohne Hohn. Ohne Selbstverherrlichung.
Im Hintergrund löste sich die Mannschaft langsam auf. Die sanfte Brise entfachte sich zum Wind, der das Schiff wieder vorantrug. Zwei Gestalten verblieben. Jimin ließ seine Hand in Taehyungs verweilen. Auf seinem Gesicht spiegelte sich keine Offenheit ab... und doch.. Jimin lehnte leicht den Kopf zur Seite. Und es war das erste Mal, das er etwas anderes in seinen Augen sah, als Bitterkeit. Da war Neugierde.
~...~
Es war wieder eine dieser Nächte. Taehyung hielt sich im Schatten und beobachtete die Gestalt an der Reling. Jimin summte eine leise Melodie, die sich im Rauschen der Wellen verlor. Der zunehmende Wind trug nur vereinzelte Töne an Taehyungs Ohren.
Jimin wusste um seine Präsenz. Es war längst kein Geheimnis mehr. Schon zu oft hatte er ihn entdeckt. Ihre Begegnungen waren stets wortlos. Hin und wieder kreuzten sich ihre Blicke, die genauso schwiegen wie ihre Münder. Ihre Gesichter verbargen jegliche Emotionen. Sie wollten einander nichts preisgeben. Und doch gab es Tage, da offenbarte Jimin ihm alles und doch nichts.
Auch in dieser Nacht ließ sich Jimin von seiner Anwesenheit nicht beirren und ließ Taehyung an seiner Geschichte teilhaben. Zog ihn in diesen Bann, der ihn nicht loslassen wollte. Taehyung sollte zuhören... Verstehen.
Sein Herz wollte verstehen. Es spürte seine Lieder und nahm sie in sich auf. Er spürte Wut, Trauer, Hass... und manchmal Freude. Aber sein Kopf verstand es nicht. All die Gefühle, aber sie waren nicht seine... oder? Konnte er ohne Jimins Vergangenheit, seine Emotionen teilen? Den Drang zu töten, den Drang zu weinen, den Drang zu lieben.
Taehyung schauderte. Das leichte Nieseln sickerte langsam durch seine Kleidung. Die Kälte erreichte ihn... aber er wollte sich nicht lösen. Von diesem selten friedlichen Anblick. Kein Kummer. Kein Zorn. Nur diese Ruhe. Heute war die See nicht sein Zuhörer. Dieses Mal lauschte Jimin ihren Geschichten. Spürte sie.
Für einen Moment ließ Taehyung seine Augen zufallen. Die kühlen kleinen Tropfen trafen auf seine Haut. Rannen sein Kinn herab. Eine kühle Böe jagte über ihn hinweg. Was verband Jimin mit dem Meer? Was sagte es ihm? Taehyung hatte den Wellen schon viel zu lange nicht mehr gelauscht... Er war ihnen fremd, obwohl sie sein Zuhause waren.
Taehyung zog seine Augenbrauen zusammen. Eine Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen aus. Langsam stellten sich seine Nackenhaare auf. Das Wasser wurde unruhiger... Der Wind war plötzlich herber. Er stieß geräuschvoll seinen Atem aus. Jimin-
Taehyung richtete sich auf. Die Melodie war verstummt. Die Seligkeit verflogen. Jimin hatte sich von der Reling entfernt. Seine Haltung verteidigend. Jihoon stand ihm gegenüber. Taehyung konnte in dem spärlichen Licht seinen Ausdruck nicht ausmachen. Und das Pfeifen des Windes verschluckte seine Worte. Was war passiert?
Taehyung löste sich aus dem Verborgenen und trat näher zu ihnen. „Willst du uns mit deinen Liedern in die Tiefe reißen, kleine Sirene?", dröhnte Jihoons Stimme durch den aufziehenden Sturm, „Ich konnte nur die Macht deiner Worte nehmen. Bisher. Aber sei dir gewiss... Wenn er dich nicht tötet, werde ich es sein, der es erledigt. Vielleicht war es deine Schönheit, die ihn geblendet hat... Aber ich weiß wie gefährlich du bist. Ich werde-"
Dafür musste ihr sorgloses Beisammensein enden? Für bloßen Aberglauben? „Jihoon", sagte Taehyung bestimmt, „Hör auf." Seine rechte Hand wirbelte herum. Er hatte wohl nicht mit ihm gerechnet. Die Überraschung ließ er sich jedoch kaum anmerken. „Captain. Er-"
Taehyung ließ ihm keine Möglichkeit zu Wort zu kommen. „Jimin hat sich dir heute ergeben. Euer Kampf war damit beendet. Unterlasse bitte deine Drohungen." Jimin entspannte sich nur marginal, als Taehyung zu ihn hinübersah. „Behandle ihn wie jeden anderen aus dieser Mannschaft."
„Captain! Du unterschätzt ihn! Du hast nicht gesehen wie er wirklich ist. Die Gefahr-" Jihoon verstummte. Er sah, dass Taehyung nicht bereit für Diskussionen war. „Ich setze mich jedes Mal der Gefahr aus, wenn ich neue Gefangene aufnehme. Ich kenne die Geschichten, die man sich über ihn erzählt. Aber ich gewährte ihm eine Chance und diese hat er noch nicht verspielt." Auch nicht an dem heutigen Tag.
„Ich habe keinen Grund zu glauben, dass Jimin eine dieser sagenumwobenen Kreaturen in sich verkörpert. Er steht hier als Mensch wie du und ich." Taehyungs Mundwinkel zuckte leicht. „Es ist naiv zu denken, dass Sirenen tatsächlich existieren, wenn keiner sie zuvor tatsächlich gesichtet hat. Zumindest keiner, der heutzutage noch auf dieser Erde weilt."
Jihoon schnaubte. „Captain. Gerade du solltest wissen, dass die Mythen der See mehr Wahrheit in sich tragen, als manch einer zu glauben vermag. Denn du hast gesehen und nicht nur gehört." Jihoon warf einen letzten missbilligenden Blick auf Jimin. „Und er verbirgt mehr in sich, als er zugibt."
Taehyung ließ sich von Jimins Blick gefangen nehmen. Das Sturmgrau in seinen Augen lebte wie die Welt um sie herum. Jimin war eins mit der See. Sein Inneres kribbelte. Wenn es Sirenen geben würde... möglicherweise wäre er eine. In ihm lauerte die verborgene Gefahr... und das machte ihn verlockend. Er war ein Abenteuer. Die Komplexität seiner Gefühle, seine Beweggründe... Ihn zu entdecken, eine Herausforderung.
Taehyung sah in ihm, was ihn einst zur See hinauszog. Das Unbekannte. Er teilte ihre Schönheit. Sanft und gewaltsam. Sie behütet und zerstört. Sie war dunkel und geheimnisvoll. Sie zog ihn an... Jimin zog ihn an. Und er entschied... Lebte er oder fand er hier seinen Tod.
Ein lautes Grollen... dann durchbrach ein grelles Licht den Himmel. Über ihnen öffnete sich der Himmel und ergoss sich. Das Wasser strömte über die Planken. Wellen leckten an den Seiten des Schiffes. Sie war wahrlich bedrohlich... Unzähmbar... „Captain! Wir segeln geradezu in das Herz des Sturmes!" Aber wahrlich unbezwingbar?
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Jungkook hatte hier mal die Rolle von Mori. Aber ich hätte nicht gewusst wie ich ihn daraus wieder hätte retten sollen xD
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Ligeia - VMIN
Romansa#: Romanze, Fantasy, Angst, Kampf/Gewalt // "Sie lügt, meine Perle" - Die See war nicht seine Freiheit, sie war sein Gefängnis. // // Sirene. Kein berüchtigter Pirat und doch trugen Gerüchte seinen Namen über das Meer. Sein Erscheinen war sanftmütig...