Prolog

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Gewinner!", tönte es verzerrt aus den Lautsprechern. „Es gibt neue Gewinner!" Menschenmassen drängten sich auf den Marktplatz. Kinder schrien und fingen an zu weinen, weil sie ihre Eltern zwischen den vielen Leuten verloren hatten.
Jugendliche grölten und hofften, dass Freunde, die an dem Spiel teilgenommen hatten, als Gewinner zurückkehrten. Sie kletterten auf Mauern am Rande des Platzes und reckten ihre Fäuste in die Luft als ein großes silbernes Flugschiff in Sicht kam.
Erwachsene drängten sich so nah, wie nur irgendwie möglich, an die Landefläche, um hoffentlich ihren Sohn oder ihre Tochter, ihre Freunde oder Verwandten endlich wieder zu sehen.

Das silberne Flugschiff reflektierte die Sonnenstrahlen und viele wartende Leute bedeckten ihre Augen. Als das Flugschiff zur Landung ansetzte, wurde es lauter, doch dann erstarb der Motor des Schiffes und auch die Menge gab kaum einen Mucks von sich.
Alle starrten wie gebannt auf die Öffnung, aus der die Gewinner schreiten würden.

Ein Junge trat aus der Luke, er war sportlich gebaut, hatte strohblondes Haar und blaue Augen. Er reckte freudig einen Arm in die Luft, doch es war ihm deutlich anzusehen, dass die Zeit, die er in dem Spiel verbrachte, ihn deutlich erschöpft hatte. Das bezeugten seine tiefen Augenringe und ausgemergelten Wangen. Er lächelte. Müde.
Direkt hinter ihm trat ein Mann aus dem Flugschiff hervor. Er schien Mitte dreißig zu sein. Er war unrasiert, besaß ebenfalls tiefe Augenringe und seine Haare waren schon etwas länger geworden. Sie gingen ihm fast bis zur Schulter und hingen verfilzt und ungewaschen von seinem Kopf herunter. Er hatte breite Schultern und war groß gebaut.
Mehrere Leute schrien auf, als sie den Mann erkannten und die Menge wurde unruhig.
Der Mann hatte zwei Jahre in dem Spiel verbracht. Er war Anfang zwanzig als er das Spiel begonnen hatte und war nun Mitte dreißig. In zwei Jahren war er um die fünfzehn Jahre gealtert.
Ein kleines Mädchen lugte hinter seinen Beinen hervor. Sie sah aus, als wäre sie vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Ihre langen blonden Locken hingen ihr ins Gesicht, doch man konnte braune verängstigte Augen sehen, die zwischen den vielen Leuten panisch hin und her flackerten.
Auch als die Menschenmenge das Mädchen entdeckte, wurde es lauter und die vielen aufgeregten Stimmen konnten nicht mehr voneinander unterschieden werden. Auch das Mädchen war sehr bekannt gewesen.
Mit Anfang zwanzig hatte sie gemeinsam mit dem Mann, hinter dem sie sich versteckte, das Spiel begonnen. In zwei Jahren war sie um die fünfzehn Jahre jünger geworden.

Die Menschen verstanden das Spiel nicht. Die Zeit war in dem Spiel bedeutungslos. Es gab keine Regeln. Doch das Spiel war die Hoffnung für viele Menschen in dieser Stadt. Denn wenn sie aus dem Spiel zurückkehrten, bekamen sie den begehrtesten Beruf, der nur durch das Spiel zu erreichen war. Kämpfer, die etwas wie Soldaten oder Polizisten waren. Sie hatten nach dem System die meiste Macht in ihrer Stadt.

Jährlich nahmen im Durchschnitt achthundert Leute an dem Spiel teil.
Doch im Durchschnitt kehrten jährlich nur vierzig Leute zurück.

Das System trickste seine Bürger aus.
Das System machte sich seine Bürger zu Sklaven.

Gegen das System (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt