~11~ Rebellenfamilie

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Skye

Mittlerweile hatte sich auch Ace auf dem Kissen niedergelassen und so begann unsere Erzählrunde. Ich holte weit mit meiner Geschichte aus. Ich erzählte von meinem Vater, meiner Mutter und wie ich mit meiner kleinen Schwester Yara schließlich ins Heim musste. Ich erzählte, dass ich Angst vor der Hilflosigkeit und Einsamkeit hatte und es liebte mich beim Sport komplett zu verausgaben. Dass ich vor Herausforderungen nicht zurückschreckte. Dass mein Ehrgeiz nur noch wuchs, wenn das Problem schier unmöglich zu lösen sein schien. Ich erzählte ihnen stolz von meiner klugen hübschen kleinen Schwester, die mir die Welt bedeutete. Wie ich manchmal das Gefühl hatte, dass sie für mich sorgte und nicht ich für sie. Schließlich kam ich auch zu dem Teil als sie plötzlich verschwunden war und ich, verzweifelt wegen des morgendlichen Zusammentreffens mit Luces, mit Servan's Hilfe nach ihr gesucht hatte. Dann schilderte ich die Zeit als ich noch in Luces' Fängen war. Meine Stimme triefte vor Ekel und Abneigung als ich von seinen Foltermethoden und seinem Verhalten gegenüber anderen Menschen berichtete. Ich beendete meine Rede mit einem geschafften Seufzer.

Erst jetzt konnte ich meine reale Umgebung wieder wahrnehmen. Zuvor war ich in meine Erinnerungen versunken und hatte lediglich mit leerem Blick in die Luft gestarrt. Die beiden jungen Männer schienen ein wenig überrumpelt, wenn nicht überrascht. Ich sah ein wenig Ehrfurcht in Josh's Augen.

„Und wie heißt du vollständig? Wie alt bist du?"
Meine Wangen erhitzten sich. Ich hatte ihnen meine Lebensgeschichte mitgeteilt, aber nicht die, allgemein bekannt, wichtigen Informationen über mich.
„Skye Prinston. Siebzehn.", antwortete ich daher schnell auf Ace' Fragen.
„Wer will als nächstes?", startete ich mein Ablenkungsmanöver.
„Siebzehn?", keuchte Josh erschrocken, „In dem Alter sollte noch niemand an diesem Ort sein."
Ein verächtliches Schnauben kam aus Ace' Richtung.
Stirnrunzelnd wollte ich fragen, wie alt er denn war, als er an diesen schrecklichen Ort musste, doch Josh begann mit einem Seitenblick zu Ace schnell zu sprechen, bevor ich auch nur eine Silbe über die Lippen bringen konnte.
„Mein Name ist Joshua West, aber sag bitte nur Josh, und ich bin zwanzig Jahre alt. Ace hat meine Freundin und mich vor ungefähr einem Jahr bei den Frischlingen aufgegabelt und uns hierher verschleppt. Er hat irgendwie Wind davon bekommen, dass ich mich in die Computer des Systems eingehackt habe und dabei erwischt wurde, weshalb sie mich hierher geschickt haben. Jedenfalls bin ich, seit ich hier bin, für den ganzen Computerkram zuständig und überfrüfe ständig, welche der Frischlinge gut für uns geeignet sein könnten. Oder wir spielen dem System einen Streich. Heute haben wir uns wirklich selbst übertroffen.", grinste er stolz wie ein kleiner Junge und stieß seinem Freund den Ellenbogen in die Rippen.
„Ace hatte die Idee und ich hab' sie umgesetzt.", Josh machte eine Pause, um mich auf die Folter zu spannen, „Ich habe die Überwachungskameras gehackt und sämtliche Bildschirme in der Stadt, also nicht die Spielstadt, sondern unsere Heimatstadt. Dann haben wir den Unwissenden Livebilder gezeigt und noch eine Tonspur eingefügt. Das System hat zwar ein paar mal fast geschafft das Signal zu unterbrechen oder zurückzuverfolgen, aber gewonnen haben wir trotzdem. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, glaube ich, dass du sogar beim Countdown im Video zu sehen warst."
Dieser Junge war genial. Beide waren genial. Ich konnte mein Sicherheitsgefühl nicht bestreiten, was der Grund dafür war, dass ich das Verschweigen von Joshs Vergangenheit nicht ansprach. Ich musste mir ihr Vertrauen erst erkämpfen und deshalb war ich im Nachhinein noch einmal froh, dass ich ihnen so viel von mir preisgegeben hatte. Wahrscheinlich hätten sie Misstrauen mir gegenüber empfunden, hätte ich mich dem Erzählen verweigert, was wohl eher suboptimal gewesen wäre.

Ich lehnte mich gegen die Wand, um mich ein wenig besser entspannen zu können.
Eine Falte hatte sich zwischen den Augenbrauen des Hackers gebildet und seine haselnussbraunen Augen starrten durch mich hindurch.
„Ich glaube, das Video wurde aufgezeichnet.", murmelte er vor sich hin, während er aufstand und sich vor die Computermonitore stellte. Er beugte sich vor und durchsuchte wahrscheinlich den Datenspeicher nach dem Video.

Gegen das System (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt