~6~ Das Spiel

136 23 7
                                    

Skye

Kyle und ich hatten den ganzen Tag nicht miteinander geredet. Auch in der Nacht nicht.
Es war mehr als schwierig in so einer Position einzuschlafen. Hände und Füße ans Bett gefesselt. Irgendwann fiel ich aber doch noch in einen unruhigen Schlaf. Mehrere Male wachte ich auf und als ich in der Morgendämmerung erneut aus dem Land der Träume schreckte kamen Luces, Ethan, Tommy und die drei weiteren Jungen in den Raum. Wortlos machten sie mich los und gaben mir ein weißes T-Shirt. Es war mir viel zu groß, es ging mir fast bis zu den Knien. Den Jungen war es egal, dass man nicht einmal meine Hose sehen konnte und ändern konnte ich es auch nicht, also musste ich mich mit dieser Tatsache wohl oder übel abfinden.

Ein brünetter Junge mit ebenso braunen Augen kam auf mich zu und ging vor mir in die Hocke. Dann band er mein linkes Fußgelenk mit einem Strick am Bett fest. Ich sagte nichts. Noch waren wir nicht im Spiel und solange wir hier waren, sollte ich mich vernünftig benehmen, sonst verkauften sie mich doch noch. Tommy gab mir ein Stück Brot, welches ich sofort verschlang. Auch das Wasser trank ich in schnellen Zügen aus. Das tat gut. Der Junge, der bereits meinen Fuß am Bett festgebunden hatte, nahm nun auch meine Hände und fesselte sie hinter meinem Rücken. Nun hockte er so vor mir, dass er ungefähr auf meiner Augenhöhe war.
„Wie heißt du?", hauchte ich mit kratziger Stimme. Er sah mich ein wenig überrascht an und warf dann einen Blick zu Luces, der mit den Schultern zuckte.
„Dean.", sagte er mit einer ziemlich tiefen Stimme. Ich deutete ein Lächeln an. Jetzt fehlen mir nur noch zwei Namen.

Ethan und die zwei Namenlosen gingen zu Kyle. Der schwarzhaarige Namenlose machte sich an Kyles Handfesseln zu schaffen, während die anderen beiden aufpassten, dass der Gefangene keinen Mist baute.
Als der Unbekannte fertig war richtete Kyle sich langsam auf. Wie aus dem Nichts heraus flog seine Hand auf Ethans Gesicht zu. Der Schlag wurde aber rechtzeitig von Luces abgeblockt. Kyle wirkte verärgert und Luces wütend. Sehr wütend. Er hielt Kyles Faust fest und schlug ihm ins Gesicht. Er stöhnte vor Schmerz. „Hörst du auf, dich zu wehren?!", brüllte Luces dem Jungen ins Gesicht. „Nein.", knurrte er. Servans Bruder bekam einen Schlag in den Bauch. „Jetzt? Oder wie viele körperliche Schmerzen muss ich dir hinzu fügen, damit du es kapierst?!" Kyle keuchte vor Schmerz, aber blieb nicht, wie jeder andere stumm, sondern sagte: „Du kannst mir so viele körperliche Schmerzen bereiten, wie du willst, aber ich werde nie daraus lernen."
Mit zusammengebissenen Zähnen und bebenden Nasenflügeln starrte Luces ihn an und schien zu begreifen, dass Kyle tatsächlich nicht durch physische Schmerzen zu beeindrucken war. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck und er griff nach mir. Ich wollte ihm ausweichen, doch der Strick an meinem Fuß hinderte mich daran.
„Messer.", knurrte er und einer der Jungen, dessen Namen ich nicht kannte, reichte ihm eins.
„Mach sie vom Bett los.", befahl er und Dean tat, wie ihm geheißen.
Keine Panik. Alles wird gut. Kein Blut, kein Blut. Kein Blut. Alles wird gut.
Ich belog mich selbst, aber Panik konnte mir im Moment wirklich nicht weiterhelfen, weshalb ich versuchte mich zu beruhigen.

Ich wurde von Luces direkt vor das Bett gezogen.
„Ich muss dich bitten, das Shirt noch einmal auszuziehen."
Ich rührte mich nicht. Luces seufzte. Seine Hände waren am Saum des weißen T-Shirts und er zog ihn hoch. „Arme nach oben, Babe." „Nenn mich nicht Babe!", entwischte es mir.
„Arme nach oben!" Seine Stimme klang gefährlicher als zuvor.
Wiederwillig streckte ich meine Arme in die Luft.
Er zerrte es unsanft über meinen Kopf und wieder stand ich nur spärlich gekleidet vor einer Horde Jungs.
„Und ich nenne dich, wie ich will. Du gehörst mir." Eine Gänsehaut überzog mich bei seinen Worten.

Das kalte Metall der Klinge glitt täuschend sanft über meine Haut. Er malte Kreise und Muster auf meinen Bauch und die Klinge hinterließ eine kalte Spur.
Angst hatte ich, keine Frage. Ich schaute Kyle in die Augen, um Luces und das Messer zu verdrängen. Ich versuchte mir jedes Detail aus seinen Augen einzuprägen. Sie verfolgten jede Bewegung von Luces.
Ein stechender Schmerz setzte an meiner Hüfte ein. Dann zog Luces das Messer weiter über meine Hüfte zum Rücken. Es tat so weh. Ich spürte wie Tränen hochkamen und versuchte mich an Kyles Augen abzulenken.
„Sie leidet, weil du nicht gehorchst!", sagte Luces, „Sie wird immer deine Strafen bekommen, wenn du nicht gehorchst!" Das Messer drang tief in meinen linken Oberarm ein und ich schrie.
„Du bist daran Schuld, dass ein unschuldiges Mädchen leidet."
Das Messer legte sich an meine Halsschlagader.
„Wenn du nicht sofort sagst, dass du aufhörst dich zu wehren, stirbt sie."
Ich musste schwer schlucken. Das meint er doch nicht Ernst? Bitte, Kyle, sag es, lass es nicht darauf ankommen.
Flehend und ungewollt auch mit Schmerz und Angst in den Augen blickte ich in Kyles. Verzweifelt erwiderte er den Blick und sagte mit rauer Stimme: „Ich höre auf mich zu wehren."

Gegen das System (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt