Eine der schwierigsten Dinge für mich war es, die richtig/en Sexualität/en für mich zu finden und ich denke, vielen geht es auch so. Einer meiner Freunde hat mir vor längerer Zeit auch mal erzählt, dass es für ihn wirklich schwierig war, sich zwischen bi und omni zu entscheiden, da beide Bezeichnungen recht gut zu ihm passten (er labelt sich mittlerweile als bi, weil er mit dem Umbrella Term zufriedener ist). Deshalb (und weil ich sonst keine Hobbys hab) dachte ich mir, dass ich einfach mal ein Kapitel dazu mache, wie ich gemerkt habe, dass ich nicht hetero bin und welche Schwierigkeiten ich in meinem Alltag damit hatte bzw. habe.
Wenn mich vor ein paar Monaten jemand gefragt hat, wann ich angefangen habe mich mit meiner Orientierung auseinanderzusetzen, habe ich immer Anfang 2023 gesagt. Aber wenn ich zurück denke, fällt mir ein Tag ein, der mich eigentlich wirklich zum nachdenken gebracht hat.
Es war Spätsommer 2021, als ich mit meinen Eltern im Tierpark war. Das war etwas vor meinem 12ten Geburtstag. Ich war eigentlich schon immer Ally, weil ich nie dachte, es sei komisch, wenn sich zwei Frauen oder zwei Männer küssen oder jemand transident ist. Als ich dann ein lesbisches Paar gesehen hab, dachte ich, ich würde es nur süß finden (die waren auch wirklich cute zusammen). Immer, wenn ich auf irgendeiner noch so kleinen Aussichtsplatform stand, hab ich gehofft, die beiden nochmal zu sehen. Zu Hause war ich dann ungewöhnlich wild bzw. konnte kaum still sitzen. Das Gefühl, was ich hatte, war komisch. Denn bei Heteropaaren hatte ich nie den Wunsch, die Personen nochmal zu sehen, egal wie hübsch sie waren. Ein paar Tage vor meinem 12. Geburtstag hatte ich einen ähnlichen Traum, nur mit "ausgedachten" Personen. Ich kann mich nur noch leicht dran erinnern, aber irgendwie war ich nach dem Aufwachen verwirrt. Mit LGBTQ+ war ich noch nie in Kontakt gekommen und ich konnte auch nichts mit dem Begriff anfangen. Ich wusste nur, dass ich nichts gegen gleichgeschlechtliche Paare hatte. Und das hat mich extrem verwirrt. Irgendwann kam mir plötzlich der Gedanke: Hey, vielleicht fände ich es ja auch nicht so schlimm, mit einem Mädchen zusammen zu sein? Vielleicht mag ich die Idee und war deshalb so interessiert? Zu dem Zeitpunkt war ich etwas älter als 12. Ich habe mich aber nicht wirklich mit den verschiedenen Sexualitäten beschäftigt, weil ich immer noch nichts mit LGBTQ+ anfangen konnte.
Im September 2022 bin ich dann auf Wattpad gekommen (ja, noch mit 12. Ich bin krass kriminell). Hauptsächlich, weil ich neugierig war und gesehen habe, dass auch Geschichten über BTS geschrieben werden. Ja, ich hab am Anfang diese Y/N Geschichten gelesen. Aber mir war irgendwann unwohl dabei, weshalb ich einfach nur nach BTS gesucht habe und dann auf boyxboy gestoßen bin. Ich habe angefangen auch selbst diese Art von Geschichten zu schreiben und hab Gefallen daran gefunden. Ich konnte (und kann immer noch) keine Hetero-Lovestories mehr schreiben. Es war mir einfach unglaublich unangenehm. Jeder Charakter in meiner Story musste mindestens bi sein und die Heteropärchen hab ich kaum erwähnt, sondern eher im Hintergrund gelassen. Bei den Tags bin ich dann auch auf LGBTQ+ gestoßen und habe mir daraufhin gefühlt alle Webseiten durchgelesen, die es dazu gibt.
Ende 2022 war ich in der 7ten Klasse. Und well, die war sehr verwirrend und anstrengend für mich. Einer meiner Freunde aus dem Kindergarten meinte, er sei in mich verliebt (naja, das war Ende 6te Klasse) und ein Junge aus meiner Para-Klasse hat auch diese "Zeichen" (wie meine beste Freundin es genannt hat) gegeben, dass er mich sehr mag. Like, wirklich sehr. Und das war mir einfach nur unangenehm. Der aus meiner Para-Klasse, nennen wir ihn Nathan, hat mich quasi immer "geneckt". Wir hatten eigentlich nur Reli zusammen, aber wir mussten an einem Vortrag zusammen arbeiten, d.h. Ich musste jeden.fcking.Dienstag für 90 Minuten direkt neben ihm sitzen und es über mich ergehen lassen, dass er mir immer wieder die PC-Maus weggenommen oder abgestöpselt hat. Während den ganzen Stunden hab ich mich einfach nur unwohl gefühlt.
Erst dachte ich, dass ich die beiden einfach unsympathisch fand. Anfang 2023 haben wir dann aber einen Ausflug gemacht, auf dem ich mit einem Mädchen aus meiner Klasse mehr geredet habe als sonst. Und you know what? Ich fand sie hübsch. Nicht so wie meine beste Freundin, sondern so: Oh wow...
Ich weiß nichtmal genau wieso, aber am 3. Februar 2023 hab ich mich per Nachricht bei meiner besten Freundin als bisexuell geoutet. Eigentlich wusste ich nichtmal meine genaue Sexualität, aber ich habe mir einfach gedacht, dass ich ja auch ein Mädchen hübsch fand. Aber irgendwann im März/April war ich mir doch nicht mehr so sicher. Ich habe in der Zeit auch extrem viel über Transidente Menschen gelesen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich nichts dagegen hätte, wenn mein*e Partner*in non-binary (etc.) wäre. Deshalb hab ich mich für lange Zeit als pansexuell gelabelt.
Im Juni 2023 war dann natürlich wieder Pride Month angesagt bzw. "Meine-Klasse-ist-homophob-month". Kurz gesagt hat eine Klassenkameradin ein Foto in die Klassengruppe geschickt, auf dem Personen mit Pride Flags in der Stadt zu sehen waren. Die Antworten darauf waren dann Dinge wie "Die sollen Sand essen gehen" oder "🏳️🌈🏳️⚧️=🗑". My gay self wurde mit diesen Aussagen extrem getriggert, also hab ich die anderen gebeten, doch einfach ihre Meinung für sich zu behalten, weil es die Menschen in der LGBTQ+ Community verletzen könnte.
"Woher willst DU das denn wissen??" und Ähnliches wurde darauf geantwortet. Also hab ich ganz trocken geschrieben "Ich bin pan.", die meisten haben sich drüber lustig gemacht und die "Stehst du auf Kampfhelikopter?" Witze gemacht, während mein bester Freund mir privat geschrieben hat, dass ich nicht auf die hören soll, weil sie dumm und kindisch sind.
Trotzdem tat es weh. Vor allem, wenn du dann noch rausfindest, dass du vielleicht sogar trans bist und wahrscheinlich doch omnisexuell. Und genau da wurden die Probleme größer. Ich habe mich dann kurz vor den Herbstferien bei meinen Eltern als omni geoutet, indem ich morgens einen Artikel darüber an meine Mom geschickt habe. Ich möchte hier jetzt gar nicht auf die Reaktionen eingehen, weil das Kapitel schon wieder über 1000 Wörter hat und ich noch so viel erzählen möchte.
Auch anfang 2024 habe ich omnisexuell als Sexualität benutzt. Irgendwie habe ich mich damit aber komisch gefühlt. Die Flagge, die ich an meiner Wand hängen hatte, war komisch. Es hat sich falsch angefühlt, diese anzusehen oder überhaupt zu besitzen. Ich mochte nicht alle Geschlechter. Eher Frauen und Enbys. Wieso? Weil.
Ich habe mich dann als lesbisch gelabelt und war auch eine kurze Zeit sehr zufrieden damit. Ich hab mich vor ein paar Wochen auch bei meiner Mom geoutet (dieses Mal persönlich) und sie hat es dann meinem Dad gesagt. Ich hab sogar eine neue Flagge bekommen. Aber ich war immer noch nicht zufrieden. Ich habe mich einfach nur unwohl gefühlt. Ich mag nicht nur Frauen und Enbys. Ich mag viele Geschlechter, aber nicht alle: Ich bin poly.
Was ich mit diesem Kapitel erreichen möchte ist, dass es okay ist, zu schwanken. Man muss nicht direkt das perfekte Label finden. Die meisten queeren Menschen probieren verschiedene aus und gucken, mit was sie sich am wohlsten fühlen. Es braucht Zeit und es ist ein langer Prozess, bis man sich wohlfühlt mit der eigenen Sexualität, vor allem wenn es viele homophobe Menschen um einen herum gibt. Aber nur, weil ihr euch nicht sicher seid, was ihr seid, macht euch das nicht weniger Teil der Community. Lasst euch Zeit. Manchmal kommt es auch total überraschend und plötzlich habt ihr das perfekte Label für euch gefunden.
Stay gay :>
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Living queer - Homophobie, Vorurteile, etc.
RandomDa ich sehr ''liebe'' Menschen in meiner Klasse und meinem Bekanntenkreis habe, die ofc gar nicht homophob sind, muss ich mich einfach mal über sie aufregen und weil ich in real life niemanden habe, mit dem ich über queerness reden kann, nerve ich e...