„Ihr armen Kinderlein, ihr seid ja komplett durchgefroren!" Mit einer liebevollen Geste streicht die Teufelin dem Kakao trinkenden Jungen über die krausen Haare.
„Ich bin kein Kind mehr! Ich bin schon fast dreizehn Jahre alt!", empört sich das Mädchen und verzieht den Schokoladenbart-Mund zu einer beleidigten Grimasse.
„Und ich bin schon fast bald elf!", fügt ihr kleiner Bruder stolz hinzu.
Bei dem Anblick des widerlich verständnisvollen Lächelns, das sich auf dem Gesicht meiner Herrin ausbreitet, schießt mir das Blut vor Wut bis in die Ohrenspitzen.
„Ich verstehe. Ihr könnt schon gut auf euch selbst aufpassen, oder?" Die Meisterin der Manipulation ist in ihrem Element.
„Na ja, ich zumindest!", bestätigt die Große und schlürft inbrünstig weiter an ihrem Heißgetränk.
„Nun, Nadja und Michael, wollt ihr mir vielleicht erzählen, was ihr so spät noch so tief im Wald gemacht habt? Wo sind denn eure Eltern?"
Das Mädchen lässt ihre Tasse sinken und schluckt schwer. „Ich, ... wir." Sie strafft die Schultern und fährt fort. „Wir haben mit Papa einen Ausflug gemacht. Abenteuerzelten im Wald."
„Mit Lagerfeuer und Schnitzen und Fallenstellen und allem!", ergänzt Michael die wichtigsten Details.
„Wir haben einen Bach überquert und dann ... dann ist Papa hingefallen und hat furchtbar angefangen zu fluchen!" Sie beachtet ihren Bruder nicht und hält ihre dunkelbraunen Augen starr auf die Tasse gerichtet. „Sein Bein ... Er ist nicht mehr hochgekommen und ..."
„Es ist bestimmt gebrochen!", fährt Michael eifrig dazwischen. Unter dem tadelnden Blick seiner großen Schwester konzentriert er sich schnell auf die Kekse, die vor ihm liegen.
Am liebsten würde ich sie ihm aus der Hand schlagen, genau wie die heiße Schokolade!
„Wir müssen telefonieren! Ganz dringend!" Mit einem Ruck steht das Mädchen auf und sieht sich verwirrt um. Als wäre sie nicht sicher, wo dieser essenzielle Gedanke sich die ganze Zeit versteckt hatte. „Hast du, äh, haben Sie ein Telefon? Unsere Handys haben keinen Empfang mehr, seit wir aus dem Auto gestiegen sind."
„Natürlich, Liebes. Gleich nebenan! Und nenn mich bitte Sabrina."
Nachdem ich ausgiebig mit den Augen gerollt habe, beobachte ich, wie die beiden die Küche verlassen und den kleinen Flur betreten, der in den hinteren Bereich des Hauses führt. Von allen Hexennamen, die sie sich hätte aussuchen können, ausgerechnet Sabrina. Eigentlich liebe ich diese Serie!
Verloren wackelt der kleine Bub auf seinem Stuhl mit den Füßen, die den Boden nicht erreichen. Wenn er weiter so viele Kekse in sich reinspachtelt, weiß er morgen nicht einmal mehr seinen eigenen Namen. Süßigkeiten sind in diesem Haus ... sagen wir so, hier hält man besser strenge Diät!
Der Anblick des traurig vor sich hin mampfenden Kerlchens bricht mir das Herz. Ehe ich mich versehe, lande ich auf dem Boden und streiche ihm schnurrend um die Beine.
„Ey du." Erst skeptisch, dann aber schnell zutraulich, kniet er sich zu mir auf die Steine und ich halte meinen Bauch hin. „Wir ham dich draußen erschreckt, gell? Aber wir tun dir nix. Ich mag Katzen. Und Hunde auch. Aber das muss dich nich kümmern. Hab ewig keinen Hund mehr gestreichelt. Unser Max ist vor gaaaanz vielen Jahren gestorben."
„Brrrrrrr", bedanke ich mich leise schnurrend für die Streicheleinheiten. Ich habe eigentlich nichts gegen Hunde. Sind keine Gegner für mich. Dumme Viecher. Nur Muskeln, kein Hirn. Zumindest der eine, dem ich vor langer Zeit begegnet bin.
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Knusper, Knusper
HororDu glaubst, du kennst die Geschichte. Mit all ihren grausamen Einzelheiten. Du hast sie tausendmal gehört. Gesehen. Eingeatmet. Ja, sogar in deinen Träumen verarbeitet. Einen Scheiß kennst du! Ich erzähle dir, was wirklich geschehen ist. Hör gut zu...