Kapitel 19

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Stundenlang musste ich erneut Kians Nähe ertragen.
Das schlimmste war eigentlich nichts dagegen unternehmen zu können, aus Angst vor den Konsequenzen. 
Kian konnte so ziemlich am Rad drehen und ich könnte mir vorstellen, dass er es jetzt und hier noch mehr eskalieren lassen würde, da es hier noch Zeugen für mein angebliches 'Fehlverhalten' geben würde.
Wie bitte konnten Werwölfe bitte so ein Verhalten an den Tag legen und ein völlig anderes von und Menschen erwarten? 
Ist ihnen einfach nicht bewusst, dass das uns Menschen gegenüber unfair war? Oder war ihnen das einfach nur egal? 
Ich würde ihnen sogar unterstellen, dass sie das komplett mit Absicht machen würden.
Werwölfe schienen irgendwie wohl einen ziemlichen Gottkomplex zu haben. 
Umso länger ich hier saß, desto mehr überzeugte mich letzteres. 
So manches Mal musste ich mir auf die Zunge beißen um nichts zu sagen, was ich vielleicht bereuen würde. 
Allein wie ein paar der uns umgebenen Werwölfe über Menschen sprachen war widerlich. 
Wer von beiden Arten war es denn, der sich schlecht den anderen Gegenüber verhielt. 
Die meisten Menschen wussten ja nicht mal das Werwölfe überhaupt existierten. 
Dass das den Werwölfen auch bewusst war, zeigte so manch ein Kommentar von ihnen. Nicht wenige machten sich über die Unwissenheit der Menschen lustig.
Doch hatte ich trotz aller Unterhaltungen, die ich mitbekam, trotzdem den Eindruck, dass irgendein Thema, welches ich einfach nicht näher bestimmen konnte, wie die Pest vermieden wurde. Und zwar explizit wegen mir und den anderen zwei anwesenden Menschen. Die Werwölfe schienen sich ständig zusammen reißen zu müssen wenn sie sich unterhielten und deuteten unauffällig auffällig auf mich oder wahlweise eines der beiden Mädchen, welche Anwesend waren. 
Interessanterweise hatte ich den Eindruck, dass man versuchte, und drei möglichst auseinander zu halten. 
Man wollte wohl nicht das wir uns unterhielten. Ich konnte mir vorstellen, dass man verhindern wollte, dass wir uns über Informationen austauschten und so Pläne schmieden könnten. 
Vielleicht befürchteten einige von ihnen auch, dass wir mehr mitbekommen haben als wir sollten und zu dritt die einzelnen Aspekte zusammen puzzeln können. 
Auch wenn ich ehrlich nicht wusste, was uns das bringen sollte. 
Kian hatte ziemlich deutlich gemacht, das entkommen quasi unmöglich war. 
,,Hier, iss etwas", sagte Kian und hielt mir einen Teller vor die Nase. 
Überrascht sah ich ihn an.
Wo hatte er den jetzt her?
Auf dem Teller war nur gegrilltes Fleisch. Kein Salat, kein  Gemüse, keine Soße. War das Fleisch überhaupt gewürzt?
Skeptisch sah ich den Teller an.
,,Komm schon Mirco. Stell dich jetzt nicht so an. Das ist immerhin dein Abendessen. Etwas anderes als sowas wirst du nicht bekommen."
Ich nahm den Teller.
Fragend sah ich Kian an: ,,Gibt es kein Besteck?" ,,Wozu?"
,,Soll ich das Fleisch mit meinen stumpfen Menschenzähnen zerreißen? Dazu sind sie nicht unbedingt gemacht, beziehungsweise ist das locker seit ein paar Jahrhunderten in zumindest dem Kulturkreis meiner Eltern nicht mehr normal."
Einer von Kians Sitznachbarn brach aus lachend. 
Kian knurrte leise.
Innerlich verdrehte ich die Augen.
Hat ihn das jetzt wirklich so verärgert. 
,,Reg dich ab Kian", sagte ein anderer, ,,dein kleiner Gefährte hat wahrscheinlich seine Gründe für seine Wünsche. So wie er es gesagt hat war es eben lustig. Kein Grund deine Freunde anzuknurren."
,,Und nun?", fragte Kian und klang weiterhin etwas verstimmt. 
,,Ganz einfach", sagte einer der Werwölfe, beugte sich vor und legte etwas auf meinen Teller. 
Ein Messer. 
Vergleichbar mit einem Messer in einem schweizer Armeemesser. Das war zwar sicherlich nicht ideal für Fleisch, aber würde für meine Zwecke wohl genügen. 
Ich zögerte.
Sollte ich jetzt danke sagen? Meine Erziehung sagte mir eigentlich, dass dies nun das mindeste wäre, doch widersprach es eben den Regeln für Menschen. 
An der Stelle wäre es also wohl Kians Part danke zu sagen oder etwa nicht?
Vertretend für mich, der es ja nicht durfte.
Doch er sagte keinen Ton.
Wieder verdrehte ich innerlich die Augen und schnappte mir das Messer um das Fleisch klein zu schneiden.
Immerhin war dies scharf genug für die Aufgabe. Ich hätte eigentlich eher weniger damit gerechnet, dass man mir einfach so ein scharfes Messer geben würde.
Immerhin könnte ich damit ja auch andere Dinge anstellen.
Aber um mir nicht doch nich Ärger mit Kian einzuhandeln, Schnitt ich rasch das Fleisch und legte das Messer an den Rand.
Der erste Bissen war dabei tatsächlich überraschend gut.
Auch wenn mir etwas Salz und Pfeffer fehlte.
Es war ziemlich klar Hirschfleisch, was ich aber auch nur wusste, da wir zuhause regelmäßig Wild aßen.
Derjenige, der das Fleisch zubereitet hatte, schien augenscheinlich Ahnung davon zu haben.

Von einem Moment auf den anderen erlosch jedes Gespräch um mich herum.
Ich war verlockt hoch zu sehen, doch Kians rascher Griff in meinem Nacken verhinderte dies.
Eine erwartungsvolle Stille umhüllte uns.
,,Morgen geht es weiter zur Vollendung unseres Plans. Wir alle wissen um die Bedeutung von diesem und haben sogar schon drei glückliche Wölfe unter uns, die ihr Glück gefunden haben. Um diese zweitem Seelenteile besser in Anbetracht der kommenden Situation zu schützen haben ich entschieden, dass diese hier sicher untergebracht werden, während ihre Gefährten ihren Aufgaben nachgehen."

Wolfsseele - Geliebt von einem WerwolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt