Kapitel 27

351 54 1
                                    

Der Moment in dem der Schmerz vorbei war, war zeitgleich der schönste aber auch schrecklichste Moment in meinem ganzen bisherigen Leben. Völlig egal was ich davor durchgemacht hatte, dass hier nahm allem zuvor die Krone weg. Denn in dem Moment wo der Schmerz weg war, realisierte ich erst, was dieser Biss des anderen Wolfes angerichtet hatte. Diese Monster hatten mich angesteckt mit dieser Seuche und hatten mich zu einem von ihnen gemacht. 
Völlig hilflos lag ich auf dem Waldboden, auf dem Kian mich wohl zuvor abgelegt hatte. 
Ich wollte am liebsten die Augen zugekniffen lassen und wie ein kleines Kind hoffen, dass wenn ich die Wirklichkeit nicht sah, diese ja auch nicht echt sein konnte. 
Doch der rationale Teil in mir wusste es besser. 
Es war jetzt so...
Sie hatten mich auch zu einer solchen Bestie gemacht, einem Werwolf. 
Einer Kreatur, von der ich gar nicht mal so lange wusste, dass sie existierte, aber von dem Moment an mein Leben zerstörte. Und dann nicht nur mein Leben, sondern das Leben aller Menschen. 
Wie es wohl meinen Eltern ging? Hatten sie den Krieg überlebt? 
Ich hatte zwar nicht immer in meinem Leben die beste oder liebevollste Beziehung zu ihnen gehabt, doch waren sie meine Eltern. Auch hatten sie nichts getan, was es zumindest für mich rechtfertigen würde sie zu hassen. Sie hätten es sicherlich nicht verdient, von Werwölfen getötet zu werden, dass hatte niemand. 
Am liebsten würde ich hier einfach nur noch im Dreck liegen bleiben, bis alles vorbei wäre. Doch war mir klar, dass spätestens Kian mir da wohl einen Strich durch die Rechnung machen würde. Ich konnte mir sogar vorstellen, dass er wieder ziemlich schlechte Laune haben könnte, wenn ich mich nicht so verhalten würde, wie er es erwartete. 
Ich musste mich also mit meiner neuem Form auseinander setzen, auch wenn ich es wirklich nicht wollte.
Ich fühlte eine Berührung an meiner Schulter und hörte ein leises murren.
Ergebend öffnete ich die Augen und sah mein Gegenüber an.
Kian ohne Frage, doch traf mich sein Anblick als Wolf gerade irgendwie völlig anders.
Ich konnte einfach nicht anders, als ihn anstarren.
Warum tat ich das? Ich sollte ihn hassen, ihn am besten in meiner neuen Form umbringen für alles was er und die anderen Werwölfe mir angetan haben, aber ich konnte nicht.
Ich konnte ihn nur anstarren wie ein Teeniegirl in einer schlechten Romanze ihren Schwarm.
Was zur Hölle war nur falsch mit mir? Ja ich war homosexuell und stand auf Männer, aber sicher nicht auf Kian. Ja er sah als Mensch nicht schlecht aus, aber seine Persönlichkeit war absoluter Dreck. Einen Menschen, der sich so wie er benehmen würde, wäre sicherlich längst im Knast, wenn nicht sogar eher in einer Psychiatrie. Immerhin schwanken seine Launen gerne mal rapide hin und her und zumindest ich fand ich oft genug unberechenbar.
Aber ich konnte ihn einfach nur anstarren. Fast schon müsste ich dankbar sein, da ich in dieser Gestalt ja schlecht sichtbar erröten konnte. Also blieb mir zumindest diese Unannehmlichkeit erspart, aber das glich bei weitem nicht aus, dass sie mich gegen meinen Willen zu einem Werwolf gemacht hatten.
Dieser Gedanke war es auch, der mich endlich aus meinem Starren befreite.
Dafür merkte ich, wie ich mit jeder Sekunde, in der ich mir meiner neuen Gestalt bewusste wurde, mehr Panik schob.
Ich mein, immerhin sollte sowas doch unmöglich sein. Es sprach vermutlich gegen eine verdammte Vielzahl an Naturgesetzen, dass ein normaler Mensch ein Werwolf werden kann.
Ganz davon abgesehen, dass in meinen Augen Werwölfe allein schon gegen die Natur waren.
Ungläubig starrte ich meine neuen Pfoten an.
Sie waren wirklich da, konnte sie sogar bewusst wegen. Oh man, war das verrückt...
Es wirkte irgendwie alles so anders. Mein ganzer Körper fühlte sich Fremd an.
Ich war völlig überfordert mit dem ganzen.
Das einzige was ich gerade wirklich wollte war, wieder zurück in meinen menschlichen Körper zu kommen. Doch wusste ich schlicht und ergreifend einfach nicht was ich machen müsste. Und Kian würde mir, so wie es aussah, wahrscheinlich auch nicht helfen. Auch sonst war niemand hier, an den ich mich hätte wenden können. Ganz von dem offensichtlichen Problems des nicht sprechen Könnens in dieser Gestalt abgesehen.
Aus meinem Mund oder vielmehr jetzt meinem Maul kam ein leidender Laut. Nicht wirklich ein jaulen, aber so ähnlich.
Kian bewegte dies nur dazu mir näher zu kommen und sich mit seinem Wolfskörper an meinen zu kuscheln.
Verdammt, ich sollte das gerade wirklich nicht gut finden. Immerhin war der Typ irre. Aber wie es aussieht war ich es nun auch...
Ob es wirklich an diesem ganzen Werwolf Sein lag? Kian hatte ja durchaus seine Andeutungen gemacht, die man rückblickend auf diese Situation hier deuten könnte.
War dieses seltsame Gefühl auch das was er fühlt?
Hasste er dieses Gefühl vielleicht gerade auch so wie ich jetzt gerade, wusste aber man konnte nichts dagegen tun, da man durch dieses Gefährtenbindungsgefühl dazu gezwungen war?

Wolfsseele - Geliebt von einem WerwolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt