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Vertrauen ist brutal.

Ich habe keine Ahnung, wie lange ich dort vor der Türe saß. Ich weiß nur, dass sich alles was vor einigen Jahren passiert ist, wieder ganz nah war. Es fühlte sich so an, als ob man mich einmal zurückgeworfen hätte. Ich wollte das alles nicht nochmal erleben und doch tat ich es. Immer und immer wieder. Ohne Stopp. Ich dachte, ich hätte es die letzten Jahre geschafft. Ich dachte ich hätte die Erinnerungen ausgelöscht. Den Teil von meinem Gehirn auf Stand-by gestellt. Doch wie man heute bemerkte, reichte eine kleine Andeutung von der falschen Person und ich würde wieder ins Loch der Erinnerungen fallen. Erinnerungen, die kein Mensch verdient hat.

Ich drückte meine Augen ganz fest zu. Ich hoffte so die Erinnerungen fortzuschicken. Ich wollte Sie aus meinem Kopf entfernen. Aber ich wusste nur zu gut, dass das nicht funktionieren würde. Es wäre zu einfach. Ich durfte mich nicht wieder da drin verlieren. Ich weiß leider noch zu gut was dass letzte mal passiert ist und ich hatte keine Zeit meine nächsten Nächte im Krankenhaus zu verbringen. Als ich mich auch daran erinnerte, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.

Ich hörte ein leises Klopfen an der Tür und ehe ich mich aufsetzen konnte, sprach bereits eine bekannte Stimme zu mir. 

"Lia. Ich bin es Mikail. Möchtest du die Tür öffnen? Ich muss wissen, ob mit dir alles in Ordnung ist." er sprach leise. Sehr leise. Ich verstand ihn kaum und doch saugte ich jedes Wort komplett ein. Ich dachte nicht groß drüber nach, stand auf und eher ich die Tür öffnete zog ich einmal heftig Luft ein uns stieß sie sofort wieder aus.

Ich wusste selbst nicht, wieso ich Ihm in diesem Moment die Türe ohne Widerstand öffnete. Ich kann keine Erklärung dazu finden, aber was ich weiß ist, dass er mir an dem Abend Trost gespendet hat. Er hatte mich sofort in den Arm genommen und ist mit mir zur Couch gegangen. Wir saßen stumm da, aber er hielt mich. Er hielt mich lange ohne etwas zu sagen. Und ich wusste, dass war genau das was ich in diesem Moment gebraucht hatte. Nichts könnte das was geschehen ist heilen, dass hatte ich die Jahre über akzeptiert, aber dass hatte es in diesem Moment erträglicher gemacht.

Ich weiß nicht wie lange wir am Ende dort saßen, dass einzige was ich am Rande mitbekommen hatte war, wie er mich auf der Couch zugedeckt hatte. Ganz leise hörte ich die Tür ins Schloss fallen und ehe ich mich versah, driftete ich in einen ruhigen Schlaf.

Als ich im Wohnzimmer aufwachte, war es mucksmäuschenstill. Ich hörte nichts. Kein Ton. Ich entspannte mich automatisch. Ich ließ meine Augen zu der Uhr an der Wand gleiten. Wir hatten späten Nachmittag. Das Geschehene hatte mich mehr als nur mitgenommen und mich so erschöpft, dass ich drei Stunden schlief. ich wollte nicht wieder über das was passiert war nachdenken. Im Grunde hatte David nur einen harmlosen Satz gesagt. So kam es wahrscheinlich für jeden anderen rüber. Aber er wusste genau was er da gesagt hatte und er wusste genau das es mich treffen würde. 

Wenn ich mir vorstelle, dass Emily ihm mein Geheimnis erzählt hat wird mir übel. Allein die Vorstellung daran finde ich grauenhaft. Was sie dazu bewegt hat es ihm zu erzählen will ich gar nicht wissen, denn eigentlich ist jeder Grund den Sie mir nennen könnte nur eine dämliche Ausrede.

Schnaubend stand ich auf, dass alles hat mich fertig gemacht. Ich musste mich ablenken. Ich ließ meinen Blick nochmal zur Uhr schweifen. Alles was ich hatte war die Uni, mein Job im Café und Emily. Da heute Samstag war hatte ich keine Uni und eine Schicht im Café ist momentan so selten wie ein Besuch meiner Eltern. Worüber ich froh bin. Meine Eltern haben hier nichts zu suchen. Also blieb mir nicht viel übrig. 

Ich stapfte die Treppe hoch und in Windeseile hatte ich mich in ein Sportoutfit gepresst. Ich liebte es. Sport war meine Medizin. Ich hatte damals schon früh mit dem Joggen angefangen, wenn meine Eltern sich mal wieder stritten. Nachdem die Beziehung zu meinem ersten und einzigen Freund dann vor fünf Jahren in die Brüche ging, fand man mich nur noch im Fitnessstudio wieder. Ich war wie besessen. Ich hatte niemanden. Der Sport gab mir Halt. Ich hatte meine Zeit gut untergebracht und würde gleichzeitig meinen Kopf freibekommen. Es gab für mich damals wie heute keine bessere und einfachere Lösung als Sport.

Ich schnappte mir noch schnell meine Kopfhörer vom Schreibtisch und kaum draußen rannte ich los. Ich bin lange nicht mehr gerannt. In den letzten Jahren habe ich das Fitnessstudio bevorzugt. Dort hatte ich ab und zu auch einige Kerle kennengelernt. Es war also quasi ein 2 in 1 für mich. Heute brauchte ich das aber nicht. Nachdem David so ekelhaft zu mir war, wurde mir übel. Wahrscheinlich wird es etwas dauern, bevor mir ein männliches Wesen wieder über den Weg laufen darf.

Es war eine gute Idee. Rennen tat gut. Die Musik in meinen Ohren tat gut. Das Wetter war gut. Es wurde langsam dämmrig draußen, was es nur angenehmer machte für mich. Ich mochte die Nacht. Nachts war alles einfacher. Der Tag war immer voller Stress und Arbeit. Nachts ist man entspannt und frei. Zwar nicht Sorgenlos aber nichts was man nicht mit zwanghaften Schlafen unterdrücken könnte. 

Meine Schritte wurden langsamer als ich bemerkte, dass ich beinahe 40 Minuten durch gejoggt bin. ich weiß gar nicht mehr wo ich alles lang bin. Ich stütze meine Hände auf meine Knie ab und atme durch. Da ich es hasse einfach stehen zu bleiben bewege ich mich einige Sekunden in einem entspannten gehen weiter. Ich fange an mich das erste mal umzusehen und bemerke, dass ich in der Nähe von Luis bin. Dort wo ich Mikail das erste Mal getroffen habe. Ich erinnere mich daran, wie er mich vorhin einfach umarmt hat ohne etwas zusagen. Ich hatte das gebraucht und er hatte es anscheinend gemerkt. Es tat gut, dass er nicht fragte, was passiert war. Ich hasse neugierige Menschen und ich wusste, hätte er mich in dem Moment gefragt, wäre ich durchgedreht. Aber er tat es nicht. Er hat mich nur gehalten.

Ich wusste, dass Mikail hier irgendwo in der Nähe wohnte aber wo kann ich nicht sagen. In der Nacht in der wir zusammen ein Stück gelaufen sind konnte ich nichts erkennen. Ich hatte mich auch nicht wirklich dafür interessiert. Interessiere ich mich jetzt dafür? Eigentlich nicht. Ich weiß selbst nicht wieso ich darüber nachdenke. Vielleicht um mich zu bedanken? Aber was würde ich sagen? Danke, dass du mich umarmt hast. Klingt irgendwie komisch.

Ich laufe weiter. Ich kannte diesen Mikail kaum. Nein. Ich kannte Ihn gar nicht. Ich will Ihn auch gar nicht kennen. Das was er heute getan hat war nett, keine Frage. Aber ich will nicht wissen wer er ist.

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Helloooo, ich freue mich, dass ich euch heute noch ein Kapitel liefern kann.

Wie findet ihr die Story bis jetzt? Habt ihr Wünsche oder Verbesserungsvorschläge? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen. Ich freue mich auf eure Unterstützung <3

lots of love, ann_kathrien <3

Love is brutal.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt