14. Februar 1499, Dienstag
Liebes Tagebuch,
heute ist mein 17. Geburtstag. Vater und Mutter haben ein großes Fest geplant und die halbe Gesellschaft von Venedig eingeladen. Auch soll ich meinen Verlobten kennenlernen. Den jungen und edlen Herrn Fernando del Alba. Ich habe ihn persönlich noch nie gesehen oder mit ihm Konversation geführt. Meine Eltern und die Seinen wünschen unsere Heirat und ich habe von einer Zofe gehört, dass Sir Fernando um meine Hand anhalten will, genau heute Abend. Ich fürchte mich ein wenig davor, aber dies sind mit Sicherheit einfach nur die gewöhnlichen Gefühle einer werdenden Braut. Eine Tatsache verunsichert mich jedoch sehr. Meine Eltern haben ebenfalls meinen persönlichen Leibarzt geladen, sagten mir aber nicht weshalb. Aber vielleicht ist das wieder nur ein alter Brauch, damit ich gesund in die Ehe gehe und meinem Mann viele Kinder schenke. Ich möchte meine Familie nicht enttäuschen und deshalb werde ich tun, was sie verlangen.
In Liebe, Ketlin Maria de VitryIch beendete meinen Tagebucheintrag in dem Moment, als es an der Tür klopfte und meine Zofe Emilia hereintrat. Sie machte einen Knicks und sah zu mir herauf. „Segnora, man erwartet sie bereits. Sie haben sich ja noch gar nicht zurecht gemacht.", stellte sie leicht erschüttert fest. Emilia ist ein nettes Mädchen, nicht viel jünger als ich. Seit sie ein kleines Kind war, arbeitet sie für meine Familie. Ihre Eltern konnten sich nicht um sie kümmern, da sie zu arm waren und so nahmen meine Eltern sie gnädigerweise auf. Emilia fühlte sich daraufhin verpflichtet uns zu dienen, also wurde sie meine Zofe und einzigste echte Freundin. Ihr vertraute ich am meisten. Ich bemerkte, dass ich ihr noch immer nicht geantwortet hatte, da ich zu sehr in Gedanken schwelgte. „Oh.. ja. Hilf mir doch schnell, Emy." Emy war mein ganz persönlicher Spitzname für sie, welchen ich aber auch nur verwandte, wenn wir alleine waren. Es wäre fatal, wenn dies jemand mitbekäme. Ich erhob mich von meinem Stuhl und trat auf sie zu. Ein Zeichen, dass sie mir meine Abendrobe heraussuchen sollte. Beinahe sofort ging sie zum Kleiderschrank und holte ein kunstvoll verziertes grünes Kleid heraus. Die Farbe schmeichelte meinen Teint und meinen Augen. Wir beide schmunzelten bei ihrer Auswahl. Dieses weit geschnittene Kleid war für meine Verlobung vorgesehen und nur für diesen Augenblick angefertigt wurden. „Dann ist es wohl soweit..." Ich atmete tief, als Emilia das letzte Mal an der Korsage zog und sie zurecht rückte. Ich sah wie immer blass aber schön aus und meine dunklen Locken umschmeichelten mein Gesicht nur allzu sehr. Auch meine smaragdgrünen Augen hatten dieses gewisse Funkeln, wie immer wenn etwas besonderes anstand. „Ja, Segnora. Ich gehe um Ihr Kommen anzukündigen.", verabschiedete Emilia sich mit einem Knicks und trat aus der Tür. Wieder war ich allein und ich betrachtete mich noch einmal im Spiegel. Ich genoss das letzte Mal den Moment der Freiheit, welche man als junge Frau kaum hatte. Immer waren Anlässe und Bälle zu denen ich erscheinen musste. Zum Teil auch freiwillig, da es immer hieß, dass jemand um meine Hand anhalten würde. Ich frage mich wieso meine Eltern so lange gewartet haben. In meinem Alter waren sie schon längst vermählt und auch meine ganzen anderen Freunde sind schon seid mindestens 2 Jahren verheiratet und eine bekommt sogar bald ihr erstes Kind. Ob ich Fernando einen Sohn schenken werde?Mich erfasste Panik. Es würde meiner Familie schaden, wenn ich keine Kinder gebären könnte. Wir bräuchten einen Erben, einen Sohn der die Familie weiterführen würde. Auch wenn meine Eltern selber keinen Sohn hatten, sondern nur mich. Aber noch war ich nicht verlobt, also brauche ich mir erstmal keine Gedanken darum zu machen. Bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, trat auch ich aus meinem Gemach und schritt die Marmortreppe unseres Anwesens herunter. Und wie Emy es gesagt hatte, erwartete man mich bereits. Im Salon und im Garten sah ich schon viele Gäste, die meisten waren mir unbekannt. Unglaublich, obwohl ich schon auf so vielen Festen war, erschienen mir noch immer unbekannte Gesichter. Langsam, damit ich wegen der Pumps nicht fallen würde, ging ich die Treppe nach unten. Dort erwarteten mich bereits meine Eltern, Emilia und ein fremder Mann. Fernando.
Ich muss gestehen, dass er ziemlich gutaussehend ist. Edel ist seine Kleidung und alles sitzt perfekt. Charmant lächelte er mich an und ich entgegnete mit einem schüchternen Nicken. „Ketlin, Liebes. Das ist Fernando del Alba." Meine Mutter war entzückt, als Fernando meine Hand nahm und mir einen Handkuss gab. Er ist genau ihre Vorstellung von einem Ehemann. Ich machte einen leichten Knicks und hackte mich bei ihm ein. Ich strebte nicht nach Konversation, deswegen ging ich einfach nur stumm neben ihm her. Emilia folgte uns mit etwas Abstand und zusammen schritten wir durch die Menge von Menschen. Hier und da hörte ich ein paar Beglückwünschungen zu meinem Geburtstag, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass hier jeder schon von der vorgesehenen Verlobung weiß und mir deshalb gratuliert wird. „Nun, Ms. Vitry. Erzählen Sie doch mal etwas von sich.", brach Fernando das Schweigen. Wir hatten uns auf einer der Gartenbänke gesetzt und ein wenig geredet. „Was wollen Sie den wissen, Mr. del Alba?", fragte ich etwas überfordert zurück. Bis jetzt hatten wir nur etwas über das Wetter gemunkelt, aber über mich selbst hatten wir noch gar nicht gesprochen. Über mich gibt es auch nicht wirklich viel zu erfahren. „Nunja, was machen Sie denn gerne in ihrer Freizeit?" Ich wurde ein wenig rot. „Ich lese sehr gerne. Vater bringt mir immer die neusten Bücher aus den verschiedenen Ländern. Und mit was vertreiben Sie sich Ihre Zeit?", er musste kurz überlegen. „Ich bin gern auf der Jagd, ich reise sehr viel." - „Wohin verschlägt es Sie denn bei ihren Reisen?", irgendwie musste ich doch das Gespräch am Laufen halten, auch wenn ich nicht interessiert war. Ich hoffte einfach, dass er es nicht bemerkte und setzte deshalb einen neugierigen Blick auf. „Am liebsten reise ich nach Spanien, England oder Frankreich. War Ms. Vitry denn schon mal in Frankreich?" - „Nicht direkt, ich habe viel davon gelesen, am liebsten würde ich in das neu entdeckte Land, welches Herr Columbus erforscht hat. Man munkelt so einiges darüber.", sagte ich und er lächelte amüsiert. „Das ist kein Land, meine Liebe. Herr Columbus hat einen ganzen Kontinent entdeckt.", legte er seine Hand auf meinem Schoß. Na toll, jetzt werde ich auch noch mit einem Besserwisser vermählt.
So langsam wurde es mir echt unangenehm in seiner Nähe zu sein. Ich brauchte ein Thema, auf welchem Gebiet ich mein Wissen darbieten konnte. „Lesen Sie denn gerne?" Schön Ketlin, was besseres hätte dir aber auch nicht einfallen können. Auch hier bedachte er seine Antwort. „Nicht wirklich, denn meine Vorstellungskraft ist leider nicht gerade die beste.", Fernando schwieg eine Weile, als er merkte, dass es mich etwas traurig stimmte, was er meinte. „Doch wenn ich lese, sind es Sachbücher.", ging mein mir Versprochener dann doch auf das Thema ein. „Sachbücher?", ich musste leicht kichern. Dieser Mann hatte wirklich keine Vorstellungskraft, denn in Sachbücher standen ja nur bewiesene Tatsachen, was mich hingegen eher langweilte. Ich liebte es stundenlang nur in einen Roman gedankenlos zu Blättern und mir jeden Satz, jedes Wort bildlich vorzustellen. Denn in solchen Welten gab es immer ein gutes Ende. Wird mein Leben ein gutes Ende haben?
„Ketlin, liebes. Würdest du den guten Fernando doch bitte zum Kaffee begleiten?", das war wohl unser Stichwort. Nun ist es soweit. Meine Mutter stand über beide Ohren grinsend vor uns. Ich atmete noch einmal tief, als er mit wieder seinen Arm anbot und wir gemeinsam zum Salon schritten.Es stand fest, ich würde seine Frau werden und halb Venedig hat uns dabei zu gesehen. Ich hätte nicht einmal die Chance gehabt, zu verweigern. Nun denn, es ist vollbracht und jetzt sitze ich hier auf meinem Bett, wartend auf die Befunde unseres Hausarztes, immer noch im Unwissen, was nun gleich geschehen wird. Ich hörte wie meine Mutter draußen den Arzt abfing. Natürlich wollte sie wieder als erste Bescheid wissen. Aber noch immer ist mit unklar, warum er eingeladen wurde. Es musste einen Grund haben. Doch vielleicht machte ich mir wieder zu viele Gedanken, über etwas, was nie passieren würde. Er wurde bestimmt nur her zitiert, damit er feststellt, ob ich Fernando Kinder gebären werde.Meine Mutter kam mit Fernando zusammen lächelnd rein, wohin gegen mein Vater nicht sehr begeistert schien. Sie hockte sich vor mich und nahm meine Hände. „Du wirst ewig schön bleiben.", damit strich sie mir über meine Wange. So was konnten Ärzte feststellen? Man sah mir mein verwundertes Gesicht an. „Mein Schatz, du weißt doch bestimmt, dass wir Fernando nicht ohne Grund um deine Hand anhielten ließen. Er hat eine besondere Gabe. Wie du siehst ist er makellos.", ich schaute zu ihm auf, sie hatte Recht, er war sehr gutaussehend. Mutter fuhr fort. „Diese Gabe lässt ihn ewig jung bleiben.", jetzt wurde ich noch verwirrter. „Das ist ja alles schön und gut, aber was habe ich damit zu tun?", gerade als ich die Frage aussprach, traf es mich wie ein Blitz. „Ich, ich werde nicht altern?", sprach ich meine Gedanken aus. Meine Mutter strahlte noch mehr und nahm mich in ihre Arme. "Nein mein Kind, du wirst für immer 17 bleiben."
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Curse or Blessing - It begins
Teen FictionMein Leben war nicht immer einfach. Es hatte gute und es hatte schlechte Tage. Mir wurden Steine in den Weg gelegt und ich habe sie meist erfolgreich aus dem Weg geschafft. Ich habe gelernt zu leben und mit meinem Ich klar zu kommen, auch wenn es ni...