7 - Fernando kommt näher

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Reglos saß ich auf dem Stuhl und wartete darauf, dass es endlich vorbei sein würde. Zwar hatte ich ihr selbst befohlen es zu tun, aber irgendwie unwohl fühlte ich mich trotzdem.

Emy stand hinter mir und schnitt Stück für Stück die Haare ab. Meine geliebten und gepflegten Haare. Nie hatte ich sie mir abschneiden lassen, jedoch, wie ich es bereits gesagt hatte, war es Zeit für einen neuen Anfang und um etwas neu anzufangen, muss sich etwas ändern. Ich muss mich ändern.

Die Leute durften mich nicht mehr als Ketlin erkennen. Diese war und wollte ich nicht mehr sein. Meine Haare und meine Kleidung waren einzigartig und ein großer Blickfang. Die Kleider wurden nur für mich angefertigt, so dass ich mir nun neue kaufen musste. Doch ich freute mich auch ein bisschen auf diesen Teil der Veränderung. Mit einen flauen Bauchgefühl, versteht sich. Außerdem hatte niemand so lange Haare wie ich. Nun ja, jetzt hat wirklich niemand mehr solche.

Ich warf einen Blick auf den Boden und mir stockte der Atem. Nicht aus Entsetzen, sondern eher weil ich mich befreit fühlte. Es war, als wurde mir eine Last von den Schultern genommen und ich könnte wieder frei atmen. Das Gefühl war atemberaubend.

„Wie weit soll ich sie noch abschneiden, Ketlin?", fragte Emy und sah mich von der Seite hoffnungsvoll an. Ihr gefiel es gar nicht, dass ich nun so einen Schritt tat, aber ich hielt es für das Richtige.

„Bis zur Hälfte meines Halses", gab ich ihr die Antwort und widmete mich wieder meinen Essen vor mir.

Wie mein plötzlicher Sinneswandel kam auch der Appetit und Hunger wieder, so dass ich es gar nicht abwarten konnte, endlich was in meinen Magen zu bekommen. Schließlich sollte, gar wollte ich nicht als schwaches und gebrechliches Mädchen auf die Straßen Roms treten. Also war es nur gut so und es brachte mir mehr Motivation, denn so wie ich jetzt aussah.. Das wollte ich keinen Bürger hier antun.

Bedacht darauf, dass meine abgeschnittenen Strähnen nicht in mein Essen fielen, zwang ich mir die ersten Bissen rein und konnte kurz darauf schon gar nicht mehr aufhören. Es war einfach zu köstlich.

*

„Es sieht so anders aus... aber gut anders."

Ich bestaunte mich selbst im Spiegel. Wie ich es verlangt hatte, hatte Emy mir die Haare bis knapp unters Kinn abgeschnitten, so dass sie jetzt in feinsten Locken mein Gesicht umrahmten.

Als ich mich nach sehr langer Zeit endlich mal wieder richtig gesäubert hatte, war meine Zofe in die Stadt gegangen und hatte mir neue Kleider besorgt.

Zwar waren mir diese noch etwas zu groß, aber das würde sich innerhalb der nächsten Wochen schon wieder ändern.

„Ich danke dir, Emy", flüsterte ich und nahm meine Freundin kurzerhand in den Arm. Ich wüsste nicht was ich ohne sie tun sollte.

„Du weißt, dass ich immer für dich da bin, Ketlin. Aber leider muss ich dir eine schlechte Nachricht überbringen. Von etwas, was ich aus der Stadt aufgenommen habe." Ihr Stimme war ernst geworden und eine Sorgenfalte hatte sich auf ihrer Stirn gebildet.

Ich fragte sie, was denn so schlimm sein könnte und nahm es nicht wirklich ernst. Meine Laune war zu gut, um sie mir jetzt verderben zu lassen.

„Ich habe wieder die Kaufmänner getroffen, die die auch den Tod deiner Mutter überbracht hatten..." Sie machte eine kurze Pause, wohl wissend, dass mich ihr Satz nicht unberührt lies. Sie kannte mich zu gut, denn kurzer Hand lief es mir kalt über den Rücken. „Es wird geredet, Ketlin. Ich weiß nicht, was genau davon wahr ist. Aber Fernando ist auf der Suche nach dir." Jetzt hatte sie doch meine Aufmerksamkeit.

„Wieso sollte er mich suchen? Fernando ist gegangen, sogar noch vor der Trauerfeier meines Vaters." Ich verstand den Sinn dahinter nicht. Wieso sollte er auf der Suche nach mir sein?

„Er war dein Verlobter. Ob er dich geliebt hat, weiß keiner, aber wie hatte er es ausgedrückt? Es ist so vorgesehen. Ihr wurdet dazu verpflichtet, zu heiraten."

„Stellst du dich jetzt etwas gegen mich?", fragte ich geschockt. So wie es sich anhörte, wollte sie, dass ich Fernando wieder zurück nehme.

Emy weitete ihre Augen. Anscheinend hatte sie erst jetzt begriffen, was sie da eigentlich gesagt hatte.

„N-Nein, auf keinen Fall. Du wirst schon deinen Grund haben, ihn nicht heiraten zu wollen. Ich stehe hinter dir, Ketlin. Du bist meine Freundin und ich unterstütze dich in allem was du tust" Sie bedachte kurz danach, was sie wohl als nächstes sagen würde. Es fiel ihr anscheinend schwer. Dann atmete sie kurz auf. "Nur glaube ich nicht, dass Fernando so einfach aufgibt. Wenn du ihn nicht wiedersehen willst, sollten wir von hier weggehen. Irgendwo hin, wo niemals jemand auf die Idee kommt, dass wir da sein könnten"

Als ob das so einfach wäre.

„Frankreich zum Beispiel. Es ist allgemein bekannt, dass du das Land nicht magst, also wird uns dort auch niemand suchen." Emy schien überzeugt, dass ihr Plan einwandfrei war, aber ich hatte so meine Bedenken. Wie sie schon gesagt hatte, war Frankreich nicht gerade mein Lieblingsland, deswegen lag es auch nicht in meinem Interesse dorthin zu gehen und außerdem fühlte ich mich hier, in Rom, so wohl. Dies sagte ich ihr auch.

„Ich bitte dich, als deine Freundin und nicht als deine Zofe. Wir müssen von hier weg. Weit weg. Von mir aus auch woanders hin. England, vielleicht. Aber erst zu einem späteren Zeitpunkt. Lass uns in Paris anfangen. Dort bleiben wir für ein paar Jahre, bis du in Vergessenheit geraten bist. Dann ziehen wir weiter", sagte sie voller Überzeugung und trotzdem immer noch mit einem bedachten Blick, als könnte ihr vielleicht immer noch etwas besseres einfallen.

Ich dachte über ihre Worte nach. Mir war selbst in den Sinn gekommen, dass ich nicht ewig hierbleiben könnte. Fernando weiß natürlich durch unsere Gespräche, dass ich Rom vergöttere, also wird er mich hier aufsuchen. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis er mich hier finden würde.

Emy hatte Recht, doch ich wollte es mir erst nicht eingestehen. Nach eine kurzen Weile, in der ich mir alle anderen Möglichkeiten durch den Kopf gingen ließ, stand mein Entschluß fest. Wir müssen weg. Schon wieder.

Wir lassen uns nieder und warten. Warten bis sich alles beruhigt hat und niemand mehr von mir spricht.

Aber wir gehen nicht nach Paris, nein. Wir gehen nach Calais.

***
Hier wieder ein neues Kapitel von uns. :)

So langsam wird es Ernst für Ketlin, findet ihr nicht?
Was habt ihr eigentlich für Ideen, was zum Beispiel der Rat ist? Wir sind neugierig. Schreibts doch mal in die Kommentare :D

Oben sehr ihr ein Bild von Emy, So wie wir sie uns vorstellen. ♡

Curse or Blessing - It beginsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt