17. Februar 1499, Liebes Tagebuch,
Mein geliebter Vater ist tot, gestorben bei einem Überfall in Bulgarien. Ich kann nicht länger im Hause meines Vaters wohnen bleiben, der Schmerz wäre zu groß. Meine Mutter würde nicht mit mir kommen, sie hängt zu sehr an unserem Anwesen. Sie versteht meinen Schmerz nicht, keiner von ihnen versteht es. Die ganzen Romane in meinen Gemächern erinnern mich Sekunde um Sekunde an ihn. All die Bücher von seinen Reisen, stehen hier vor mir, an meinem Schreibtisch. Jedes Einzelne habe ich gelesen und mit meinem Vater über die Handlungen gestritten. Es waren belanglose Streitereien und auch mehr scherzhaft gemeint, als wirklich verletzend. Mutter wollte sie verbrennen, doch ich habe sie davon abgehalten. Morgen würde die Trauerfeier beginnen und wieder kommt die gesamte Gesellschaft von Venedig zusammen. Wie auch schon vor 3 Tagen zu meinem Geburtstag, als ich erfahren habe, dass ich ewig leben würde.
Fernando ist, nachdem ich ihn von mir gewiesen habe, einfach verschwunden. Ich habe ihn nicht mehr gesehen und Emila meinte gehört zu haben, dass er abgereist sei. Mir nur Recht, doch glaube ich nicht daran. Sicherlich wartet er darauf, dass ich zu ihm komme und ich heirate, doch dies wird nicht geschehen. Ich stehe dazu, dass ich keinen Mann heiraten werde, welchen ich nicht liebe.
Morgen nach der Trauerfeier, werde ich gehen und nicht mehr zurück kehren. Emy wird mich begleiten und ich werde ein neues Leben anfangen und die Welt bereisen.
In Liebe, Ketlin Maria de Vitry
Zusammen mit Emy packe ich meine wertvollen Kleider in die Koffer. Außer mein Trauerkleid für die Zeremonie morgen, dies bleibt noch in meinem Schrank. Emila hat sich bereiterklärt mich zu begleiten, wofür ich ihr sehr sehr dankbar bin. Diese Tat zeigt mal wieder, was ich für eine gute Freundin in ihr gefunden habe.
Mutter hat sich in ihren Gemächern verkrochen und nicht mehr herausgeschaut. Sie trauert, wie wir alle. Vater war ein sehr guter Mensch und ich liebte ihn über alles. Einen besseren Vater kann ich mir nicht vorstellen und natürlich werde ich ihn sehr vermissen. Meine ganzen Bücher werde ich selbstverständlich auch mitnehmen, diese würde ich niemals zurücklassen. Dafür haben sie einen zu hohen persönlichen Wert für mich.
Es dämmert bereits und erst jetzt wird mir bewusst, wie schnell die Zeit doch vergangen ist. Innerlich habe ich mich bereits irgendwie damit angefreundet, dass ich ewig leben würde. Ich könnte mich jeden Tag hinsetzten und den Sonnenuntergang betrachten, ohne Angst zu haben, dass meine Zeit bald gekommen ist. Aber das wird sie nicht sein. Auch noch in 100 Jahren würde ich so jung bleiben, wie ich jetzt bin. Nur müsste ich mit ansehen, wie meine ganze Umgebung um mich herum altert und stirbt und ich kann nichts dagegen unternehmen.
Emy verabschiedete sich mit einem Knicks von mir und ich ging zu Bett, gleich nachdem ich mich zurecht gemacht habe. In meinem weichen Bett fragte ich mich, ob ich Fernando nochmal wieder sehen würde.
*
Am Morgen wurde ich relativ früh von meiner Zofe geweckt. Während ich versuchte munter zu werden, denn ich war alles andere als ein Morgenmensch, legte sie mir meine Sachen für heute heraus. Das Trauerkleid, welches bis jetzt im Kleiderschrank hing, legte sie mir auf meinen Frisierstuhl und langsam aber sich wusste ich, dass ich heute Abschied nehmen musste. Von meinem geliebten Vater.
Eher gemächlich stand ich aus meinem Bett auf und entledigte mich meiner Kleider. Emy hatte mir bereits ein Bad eingelassen und genüsslich stieg ich ihn die goldene Badewanne. Das heiße Wasser brachte meine Haut dazu rot zu werden und zu prickeln. Ein wunderschönes und angenehmes Gefühl. Meine Zofe wusch mir meine Haare und meinen Körper und half mir dann mich anzuziehen.
Das Kleid habe ich das letzte Mal vor 2 Jahren getragen, als meine Großmutter von uns gegangen ist. Sie hatte bereits ein hohes Alter erreicht gehabt und es war wirklich nur eine Frage der Zeit, bis sie starb. Damals war ich 15 und ich hoffe, dass mir das Kleid noch immer passt. Es war wunderschön. Der Rock war weit geschnitten und schwarze und graue Streifen zierten den Rock zusätzlich. Meine Taille wurde betont und meine langen braunen Haare machten es perfekt. Auch wenn der Anlass alles andere als erfreulich war, musste ich sagen, dass ich mich selbst wunderschön fand. Emy steckte mir ein paar meiner vorderen Strähnen nach hinten, so dass sie mir nicht ins Gesicht fielen und machte einen Knicks als sie fertig war. Ich schickte sie nach unten, damit sie meiner Mutter half. Sie brauchte sie jetzt mehr als ich.
Ich sah nochmal nach meinen Koffern, ob ich auch wirklich alles verstaut habe. Meine Bücher waren bereits in eine Kutsche gebracht wurden und meine Koffer würden nachher, während der Zeremonie, verstaut werden.
Ein Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. So schnell wie möglich drehte ich mich zu dem Geräusch, da ich durch das Kleid bewegungsmäßig ziemlich eingeschränkt war. Ein Mann stand in meinem Schlafzimmer, aber nicht irgendein Mann. Fernando stand in meinen Gemächern und starrte mich an. Eine Weile lang sagte er und auch ich nichts, bis Fernando das Schweigen brach.
„Das mit deinem Vater tut mir leid, Ketlin." Seine Stimme war belegt, als hätte er eine lange Zeit nicht mehr gesprochen. Ich sagte nichts dazu, da ich nicht mit ihm sprechen wollte. Nicht mal etwas mit ihm zu tun haben, wollte ich.
„Ich muss mit dir reden." Fernando sah mich abwartend an, aber wieder blieb ich stumm.
„Ketlin..." - „Für Sie immer noch Segnora de Vitry.", verbesserte ich ihn. Dieser Mann bedeutet mir nichts und eine Bindung habe ich auch nicht mehr zu ihm. Den Verlobungsring habe ich schon längst abgelegt. Er hat nicht das Recht mich Ketlin zu nennen. Das dürfen nur Verwandte und Freunde und er ist nichts davon.
„Gut, wie du willst. Wir haben eine Pflicht zu erfüllen. Der Rat hat es so vorgesehen, Segnora." Fernando schaute mich mit erhobenen Händen an. Er wird doch nicht etwa Angst vor mir haben?
„Der Rat interessiert mich nicht, Segnor del Alba. Ich brauche keinen Mann, also brauche ich Sie auch nicht.", meinte ich gleichgültig. „Und jetzt verlassen Sie meine Gemächer. Sie haben kein Recht hier zu sein.", sprach ich nun etwas bissiger. Ich will ihn nicht hier haben. Nicht heute. Nicht bei der Trauerfeier meines Vaters.
Mein einstiger Verlobter verließ ohne weitere Widerworte meine Zimmer und ging nach unten. Anscheinend würde er auch an der Trauerfeier teilnehmen, aber davon will ich mich nicht stören lassen. Nichts könnte mir den Tag noch mehr vermiesen und irgendwie will ich den Tag genießen. Es ist immerhin ein Abschied.
Auf dem Friedhof von Venedig hatten sich alle versammelt und ich stellte mich zu meiner Familie. Mutter brauchte mich jetzt, denn sie hat mich nur noch heute. Bereits im Morgengrauen würde ich schon verschwunden sein und bis dahin will ich ihr zur Seite stehen.
Um uns herum weinten die Leute und die Frauen tupften sich mit Samttüchern die Augen. Auch ich weinte und tupfte mir die Augen. Der Pfarrer brachte es kurz gesagt auf den Punkt. Mein Vater war ein wundervoller Mann, der es geliebt hat auf Reisen zu gehen. Er war selbstlos. Dachte zuerst an das Wohl anderer. Er hatte viele Freunde gefunden, die ihn vermissen werden. Doch am besten kannte ich ihn. Ich nannte ihn Vater. Ein Mann der mich großgezogen hat und mich gelehrt hat, an mich selbst zu glauben.
Ruhe in Frieden, Papa.
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Curse or Blessing - It begins
Teen FictionMein Leben war nicht immer einfach. Es hatte gute und es hatte schlechte Tage. Mir wurden Steine in den Weg gelegt und ich habe sie meist erfolgreich aus dem Weg geschafft. Ich habe gelernt zu leben und mit meinem Ich klar zu kommen, auch wenn es ni...