Jurassic World - Zerbrochenes Vertrauen

Kapitel 4.

"Simon? Bist du wach?"

Müde öffnete der CEO ein Auge und konnte trotz des abgedunkelten Schlafzimmers eine Silhouette erkennen. Anhand der Stimme war es auch kein Geheimnis herauszufinden, wer ihm da die wertvollen Minuten des Schlafes raubte. Auch wenn Simon Masrani nicht wusste, wie spät es war oder ob die Sonne sich bereits mühsam einen Weg in den Raum bahnte, es musste früh am Morgen sein. Das Adoptivkind war definitiv keine Langeschläferin. Anders als Simon. Wenn ihm mal die Gelegenheit gegeben wurde, so richtig lange ausschlafen zu dürfen, dann tat der Geschäftsmann das auch. Sein Arbeitsalltag war anstrengend - sein neues Familienleben war chaotisch. Hier auf Isla Nublar hatte er mal nicht mitten in der Nacht neue E-Mails oder Whatsapp Nachrichten überprüfen müssen. Die Sorge um das Wohlergehen und die seelische Gesundheit seiner Tochter nagten an ihm. Eine halbe Stunde mehr Schlaf war im Grunde alles, wonach sein Körper so verzweifelt bettelte. Und so blieb für den Moment auch nur ein Auge offen, der Schlaf läutete an seinem Verstand, versucht ihn wieder ins Reich der Träume zu locken.

"Was ist los Laria? Kannst du nicht schlafen hm?" - seine Stimme war müde. Vielleicht hätte er gestern doch nicht mehr so lange am Laptop arbeiten müssen. Oder in Gedanken die Erinnerung an den letzten gemeinsamen Morgen mit Henry jagen müssen. Sicherlich sprach es sich herum, dass Simon die letzte Nacht hier verbracht hatte. Wo doch gerade Dr. Wu niemand war, der viel auf Gerüchte oder unwichtige Neuigkeiten gab. Manchmal fühlte Simon sich von der Intelligenz, die Henry ausstrahlte eingeschüchtert. Der Wissenschaftler wusste einfach wie er sich auszudrücken hatte und wie gut er auf seinem Forschungsgebiet war. Nicht umsonst hatte Hammond in so hohen Tönen von Wu gesprochen.

Es raschelte zu seiner rechten Seite. Für einen Moment fürchtete Masrani, dass Laria die Vorhänge zur Seite ziehen würde & somit das Sonnenlicht den Raum durchfluten könnte. Doch das Mädchen setzte sich lediglich auf die Bettkannte, vorsichtig und behutsam. Ob sie hörte, wie müde und erschöpft Simon war? Oder ob ein größeres Problem hinter ihrer Anwesenheit steckte? Sollte er vielleicht doch das zweite Auge aufmachen und ihr seine Aufmerksamkeit schenken?

"Ja. Es ist....so ruhig" - antwortete Laria ihm fast schon besorgt.

Ruhig. Natürlich war es ruhig. Im Anwesen wo das Mädchen die Anwesenheit etlicher Angestellter, Dienstmädchen & einem Koch gewohnt war (die Menschen aber eher mied) und die damit verbundene Lautstärke als Alltag ansah, so musste diese Umgebung für sie fremd und ungewohnt still sein.

"Hat dich diese Stille aus dem Schlaf gerissen? Es ist ungewohnt oder?", Simon gähnte müde und schaffte es dann doch, sein zweite Auge aufzumachen. Laria blickte ihn aufmerksam an. Sie zuckte ratlos mit den Schultern. Wusste nicht genau, was sie auf diese Frage antworten sollte.
"Neu....anders....Laria kann nicht mehr einschlafen", sprach die 14. Jährige nachdenklich.
"Darf ich noch ein wenig schlafen? Ich habe lange am Laptop gearbeitet gestern. Nur eine Stunde noch?", tastete Simon sich vorsichtig vor. Im Anwesen zu Hause war das Mädchen meistens für sich, alleine in dem großen Zimmer oder im Garten. Sie war noch nie hier gewesen, direkt in Jurassic World und erst recht nicht im privaten Apartment an der Südspitze der Insel.

Selbst damals, als sie Mr. Daniel Kon getroffen haben, war es im Penthous hier auf Isla Nublar gewesen, fernab der Touristenmassen, der Main Street oder anderen Menschen. Sie war scheu und immer davon ausgehend dass bei fremden Erwachsenen eine Gefahr lauern könnte. Einmal hatte Laria ihm gegenüber angedeutet, dass die Kattas ihr gesagt haben, die Menschen seien gefährlich. Natürlich hatte Laria ihren tierischen Freunden geglaubt. Die Aufgabe das Vertrauen in andere Menschen wiederherzustellen war nicht einfach. Und Simon hoffte so sehr, dass es ihm gelingen würde....vielleicht mit einem längeren Aufenthalts auf Isla Nublar. Doch dafür müsste er erstmal alles weitere organisieren und planen.

"Okay. Darf Laria Frühstück suchen?" - sprach Laria vorsichtig. Simon nickte langsam. Nicht aber ohne einige Regeln festzulegen. Okay, eine einzige Regel die eigentlich auch zu Hause galt.
"Du verlässt das Apartment bitte nicht ohne mich in Ordnung? Du gehst nicht durch die Tür und erkundest dein Umfeld Laria. Warte damit, bis ich ein wenig mehr Energie habe ja?", sprach Simon so ernst wie er es in dem müden Zustand konnte.

Seine Sorge war nicht, dass sie wie ein Kind in dem Gebäudekomplex verloren gehen könnte.....Masrani sorgte sich eher darum, Laria nicht mehr ohne Hilfe wiederfinden zu können. Das Katta Mädchen hatte ein Gespür für gute und schier unauffindbare Verstecke. Und bei der Größe des Wohnkomplexes, zu dem das private Apartment nun mal gehörte, würde selbst das ACU nicht in direkt in der Lage sein sie zu finden. Das Klettern, springen und verstecken schien Laria auch während der Zeit in der Forschungseinrichtung in Tansania erlernt und verbessert zu haben. Man sollte nicht unterschätzen wie verdammt schnell die 14. Jährige sein kann. Ein Fehler den Simon damals nur einmal gemacht hat. Und aus dem Unterschätzen der damaligen Situation hat der Geschäftsmann gelernt. Sie durfte sich etwas zum Frühstück machen, aber nur innerhalb der Räumlichkeiten des Apartments. Nur um sicher zu stellen, dass nichts unvorhergesehenes passieren würde.

Laria versprach ihm, dass Apartment nicht zu verlassen und als sie die Schlafzimmertür leise hinter sich zuzog, schloss Simon seine Augen erneut. Der süße Schlaf stürzte sich auf ihn wie ein hungriges Raubtier. Er hörte nicht einmal mehr, wie Laria in der Küche ungeschickt eine Packung Mehl zu Boden fallen lies, auf der Suche nach rohen Eiern zum - frühstücken - oder wie ihr beim Versuch die Packung Milch zu öffnen, die Hälfte über eine der Arbeitsplatten floss. Nicht weil sie in den letzten Wochen die Grundlagen des 'Bereite dir dein Frühstück selbst zu' Alltags nicht verinnerlicht hatte. Nein, diese fremde ruhige und ungewohnte Umgebung machte die 14. Jährige nervös.
Selbstverständlich versuchte sie das Chaos zu beseitigen, nachdem sie sich schließlich mit einigen Waffeln aus dem Toaster begnügt hatte.....mit einem der vielen weißen flauschigen Badehandtücher. Zumindest sorgten diese in der Küche verteilt dafür, dass es nicht ganz so sehr nach einem Schlachtfeld ausschaute.

Die Stunde verging und Laria ertappte sich immer mehr dabei, wie sie zu der Wohnungstür des Apartments blickte. Sie wusste wie die Regel lautete und dass sie einen Grund hatte. Doch so angestrengt sie auch lauschte um vielleicht bekannte Laute des Dschungels zu erhaschen, die Wände des Gebäudekomplexes schienen alles zu verschlucken. Es war so unheimlich still. Sie war Stille gewöhnt, und meistens passierte nichts gutes wenn es zu lange still war.
Sie wollte die fremde Umgebung eigentlich nicht erkunden, doch ein gewisser Reiz war da. Nicht die Neugier auf mehr fremde Menschen zu stoßen.....das Treffen mit Miss Dearing gestern hatte Laria gereicht, aber vielleicht gab es außerhalb des Gebäudes ja ein paar wilde Affen. Sie wusste nicht ob Isla Nublar neben Dinosauriern auch Affen beherbergte, aber es wäre doch interessant herauszufinden.

Stattdessen ging Laria durchs Wohnzimmer, hinüber zu dem kleinen Balkon und stützte sich mit den Händen an der Holzumrandung ab. Es war für diese frühen Morgenstunden noch ruhig. In der Ferne hörte man das Zwitschern der Vögel, den startenden Motor eines Autos und das dumpfe Brüllen eines Dinosauriers. Laria kannte diese Tierwesen nur von Bildern und dem TV. Sie hatte noch nie einen in echt gesehen. Ihre Katta Familie war chaotisch genug gewesen. Und dennoch hatte Laria die Affen gern gehabt, sie hatten durch die Wissenschaftler genauso Leid erfahren, wie der Teenager.

Sie wusste nicht wie lange sie am Balkongeländer gestanden hatte, den Geräuschen der Natur gelauscht hatte und sich gefragt hatte, wie es den Kattas die mit ihr gerettet worden waren, nun wohl gehen musste.....lediglich Simons Schritte auf dem Holzboden und das Schlürfen aus der Kaffeetasse, ließen Laria fort blicken. Ihr Adoptivvater schien nicht böse auf sie zu sein.....wegen dem Chaos in der Küche.

"Laria? Was würdest du davon halten, einen längeren Aufenthalt in Jurassic World zu haben? Du könntest einen Blick hinter die Kulissen werfen, die Dinosaurier von nahem sehen und dich ausruhen?" - sprach Simon seinen Gedanken aus.
"Mit Simon? Laria mag nicht alleine.....hier sein", kam es sofort unsicher zurück.
"Ich werde überlegen, wie wir das hinbekommen. Du weist, ich bin viel unterwegs hm?", erwiderte Simon sanft.
"Nicht alleine lassen ja? Laria lässt auch kein Mehl mehr fallen", versicherte Laria ehrlich.
"Mach dir darum keine Sorgen. Aber möchtest du nicht genauer lernen, warum ich all das.....alles in und um Jurassic World aufgebaut habe, warum so viele Menschen John Hammonds Traum mit eigenen Augen sehen wollen?", fragte Simon sie. Eine längere Pause folgte. Simon konnte sehen wie es in Larias Gesicht arbeitete.
"Laria und Simon zusammen ansehen.....dann.....vielleicht....versuchen?", sprach Laria nachdenklich und als Simon zustimmend lächelte, stieß Laria sich von der Umrandung ab und zog Simon in eine Umarmung, was für den CEO so überraschend kam, dass etwas von seinem Kaffee auf dem Boden landete.

Doch es war halb so schlimm, wenn sein Adoptivkind zumindest mit ihm an ihrer Seite der Sache eine Chance geben wollte.

"Was hältst du davon, wenn wir einen Freund von mir besuchen, bevor wir zurück nach Hause fliegen? Sein Arbeitsplatz ist abgelegen von anderen Menschen und wir können durch einen separaten Eingang hinein?"

Vorausgesetzt Simon war in seinem Büro und nicht im Labor.
Unbestreitbar jedoch war die Tatsache, dass die Neuigkeit - Simon Masrani hat ein 14. Jähriges traumatisiertes Mädchen adoptiert - auf der gesamten Insel innerhalb weniger Stunden die Runde gemacht hat.
Und ja es ist mittlerweile auch bei Dr. Henry Wu angekommen.