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Ich wusste nicht, wie lange ich auf meinem Bett saß. Vielleicht Stunden. Vielleicht Tage.
Meine Gedanken rasten nicht hin und her, wie ein Karussell oder so. Sie schaukelten. Ganz langsam. 

Hin und her. Und hin. Und her.

Das kann einfach nicht wahr sein, hieß es auf der einen Seite.

Und auf der anderen: Sie ist am Leben.

Erst langsam realisierte ich, was Cassie noch geschrieben hatte, außer dass sie nicht tot war.

Es ist nicht alles so, wie du glaubst.

Ein Schauer rieselte mir den Rücken runter. Ich spürte ein seltsames Ziehen im Nacken. Was meinte sie damit? Betrog mich etwa jemand? Oder... hatte das mit mehr als nur mit mir zu tun. Woher wusste Cassie das? Wer hatte es ihr erzählt?
Und die Diamond-Games. Ich sollte Diamond Queen werden.

Ich weiß, dass du dich nie für hübsch genug gehalten hast, aber glaub mir, du hast eine Chance.

Ich schaute auf meine Knie hinab. Rote Haare rutschten in mein Blickfeld. Sie pendelten langsam hin und her, wie um auf sich aufmerksam zu machen. Ich hob den Kopf wieder, richtete das Gesicht Richtung Decke. „Nein, Cassie, du irrst dich", flüsterte ich. Ich war nicht hübsch genug. Ich würde es nie sein. Und selbst wenn ich nach den ersten paar Tagen nicht rausgeschmissen wurde- ich würde es niemals bis zuletzt schaffen. Was hatte sich meine Schwester nur gedacht.

In diesem Moment klopfte es an der Tür. „Elizabeth? Liebes, du bist schon seit einer halben Stunde da drin. Ist alles gut?" Ich zuckte zusammen. „Ja, Dad. Alles gut."
„Darf ich reinkommen?" Ich überlegte. Aber Dad öffnete schon vorsichtig die Tür und betrat den Raum.
„Ich nehme an, du darfst nicht darüber reden und willst es auch nicht?"
Ich blickte auf den Brief am Boden hinab. Er lag mit der Schrift nach unten. Gott sei Dank.  Dann erinnere ich mich an Cassies Anweisungen.

„Nein", antwortete ich irgendwann. „Das war ein Streich, Dad. Vermutlich einer ihrer Freunde." Ich erhob mich halb und bückte mich dann, um den Zettel vom Boden zu fischen. Sobald ich ihn in der Hand hatte zerknüllte ich ihn zu einem Ball.
Dad setzte sich zu mir aufs Bett. Er sah irgendwie älter aus. Und erschöpft. „Das geht gar nicht. Uns so durcheinander zu bringen. Mit so etwas erlaubt man sich keine Scherze."
Ich blickte auf den zerknüllten Brief auf meiner Handfläche hinab. „Nein", murmelte ich. „Das macht man wirklich nicht."


Draußen schneite es. Ich saß immer noch in meinem Zimmer, auf dem tiefen, breiten Fensterbrett, welches auf meinen Wunsch extra so eingebaut worden war. Mein Fenster war wunderschön groß, mit Blick auf die Wolkenkratzer der Stadt, oben Rund wie bei einem Torbogen. Ich hatte zwar kein Rollo, aber dafür schwere, cremeweiße Vorhänge, die ich aber sowieso nicht so oft zuzog. Ich liebte mein Fenster- ich liebte mein ganzes Zimmer. Dad hatte mir bei der Gestaltung und Auswahl der Möbel freie Hand gelassen, und so hatte ich ein großes, flauschiges Himmelbett, mit dicken Kissen am Kopfende, Deckenhöhe Regale mit Büchern und anderem Kram drin und einen Schreibtisch im vintage-Look. Irgendwann hatte ich mir mal Lichterketten gekauft, und Cassie hatte mir geholfen sie mit einem Timer darauf zu programmieren dass sie immer nach Sonnenuntergang angingen. Seitdem schlief ich immer mit kleinen Sternen an der Wand ein.
Cassies eigenes Zimmer war ähnlich kreativ gestaltet, nur hatte sie einen größeren Kleiderschrank gehabt, weil sie ungefähr fünfmal so viele Klamotten besaß. Ich hatte ihr Zimmer nicht mehr betreten seit sie gestorben war.

Und jetzt... war sie nicht mehr tot.
Cassie lebte.

Ich legte müde den Kopf zurück und schloss die Augen. Meine Güte, Ich konnte es nicht glauben. Das war alles nur ein Traum. Nur ein Scherz. Vielleicht hatten ihre Freunde mir ja wirklich nur aus Jux so einen Brief geschrieben.
Aber... was am Ende gestanden hatte. Davon hatte nie jemand etwas mitbekommen. Das war unser Ding gewesen.

The Diamond Games. DawnbreakWo Geschichten leben. Entdecke jetzt