12.

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    „...In der gestrigen Nacht sind alle 13 Geiseln zurück gekehrt. Sie sind, sowohl körperlich als auch psychisch wohlauf, dennoch wollte - oder konnte - bisher keiner von ihnen über das reden, was ihnen bei den Rebellen widerfahren war. Sie alle hüllten sich in auffälliges Schweigen, und noch nicht mal ihre Angehörigen haben etwas aus ihnen heraus bekommen."
Ich wandte den Blick vom Fernseher ab und schaute zu meinem Vater. Er stand in der Tür, eine Tasse in der Hand, und war mal wieder auf dem Sprung zur Arbeit. Sein Blick war auf den Bildschirm gerichtet.
„Ob sie irgendwie... hypnotisiert wurden?"
Er schüttelte den Kopf. „Eher erpresst. Wahrscheinlich mit dem Tod ihrer Familie. Oder sowas ähnliches. Mich interessiert eher, wieso sie überhaupt Geiseln genommen haben. Nur um sie nach ein paar Wochen unversehrt zurück zu bringen?"
„Wahrscheinlich, um Informationen aus ihnen heraus zu holen."
Dad wiegte den Kopf. „Gut möglich."
Dann nahm er einen letzten Schluck aus seiner Tasse und stieß sich vom Türrahmen ab. „Ich hab dich gestern übrigens endlich bei der Fahrschule angemeldet."
Ich schmollte. „Das heißt jetzt gibts kein Papa-Taxi mehr?"
„Ganz genau."
Ich hatte diesen Moment so weit wie möglich hinaus zögern wollen. „Schön. Und wann muss ich dann dahin?"
„Nächste Woche gehts los. Erstmal kommen die Theorie-Stunden. Dann Praxis. Du schaffst das. So schlimm ist das nicht."
„Wenn du meinst."
Mein Vater verließ das Haus.
Ich blieb auf dem Sofa sitzen, und schaute weiter die Nachrichten. Es war sehr seltsam, dass keine von den Geiseln etwas erzählen wollte. Als wären ihre Münder zugeklebt.
Ob sie wirklich nur erpresst worden waren? Oder steckte da etwas anderes dahinter? Stellte ich mir zu viele dumme fragen? Die ohnehin nichts brachten?
Wenigstens hatte ich darauf eine Antwort: Ja. Definitiv.

In den nächsten Wochen versuchten Kyle und ich, das Rätsel um Jordan zu entschlüsseln, aber wir kamen nicht wirklich weiter. Es gab nicht genug Anhaltspunkte, wir wussten immer noch nicht, Cassies und Jordans verschwinden überhaupt etwas miteinander zu tun gehabt hatten - und es konnte immer noch sein, dass Jordan mit jemandem verwechselt wurde - und man ihn gar nicht gesehen hatte.
Mit einer großen Portion Lustlosigkeit brachte ich meine ersten fünf Theoriestunden in der Fahrschule hinter mich - und bald würde ich mit der Praxis beginnen.
Der April brach an, es wurde langsam Frühling. Auch wenn das Wetter weiterhin lausig war, mal Regen, mal Sonnenschein für einen halben Tag.
Zwischendurch schaute ich immer wieder bei meinem Lieblingscafé vorbei, und verfolgte die nun fast fertig gestellten Reparaturarbeiten.
An einem lauen, wenig bewölkten Nachmittag betrat ich das D'Orians, und stellte fest, dass wieder alles wie immer war. Eine neue Scheibe war eingebaut worden, und als ich den Raum betrat, sah ich dass auch der Boden endlich fertig war. Doch mein Lieblingsfach war heute belegt. Von einem älteren Herren mit einer Zeitung. Ich kniff die Lippen zusammen.
„Hey, Elizabeth!"
„Martin!"
Ich drehte mich zur Bar um, wo der friedliche, liebenswürdige Kellner an der Kaffeemaschine stand und gerade Milch aufschäumte. Er hatte einen cut über der Augenbraue, der jedoch schon fast verheilt war. „Schön dich auch mal wieder zu sehen." Man hörte einen Vorwurf in seiner Stimme, aber ich wusste dass er nur freundschaftlich gemeint war. Er freute sich, mich zu sehen.
„Tja so ist das eben wenn man noch ungefähr zweitausend Sachen regeln muss."
„Oho, wird das reiche Töchterchen etwa langsam erwachsen, und lässt ihre Probleme nicht mehr von anderen regeln?"
„Komm schon, Martin", lachte ich. „Du weißt genau, dass das nicht so ist. Sag mir lieber, wo ich denn heute sitzen soll."
„Tja, der Sessel gehört leider eben dich nicht dir." Martin puderte den Cappuccino, den er gerade gemacht hatte mit Kakao, bevor er ihn auf einem kleinen Tablett absetzte. „Der Herr ist bald fertig, er hat seinen Kaffe schon leer. Setz dich solang doch da hinten an den Tisch, neben der Pflanze."
„Der ist schon belegt... oh." Ich reckte den Hals. „Ich glaube, das ist Edwina."
„Deine klingelnde Tante? Trifft sich doch gut."
Martin rauschte mit dem Cappuccino davon.
Und ich steuerte auf den Tisch zu, der direkt neben einer meterhohen Topfpflanze aufgebaut war. Da saß meine Tante, die schlanken Beine übereinander geschlagen, die Haare zu einem losen Dutt zusammengebunden, vor sich ein Stück Kuchen. Sie blätterte in einem Magazin.
Vorsichtig ließ ich mich auf den Stuhl vor ihr gleiten, und begann, meinen brandneuen, schwarzen Mantel auszuziehen. Edwina hob den Kopf, im Gesicht ein erst verwirrter, dann überraschter Ausdruck. Schließlich hellte sich ihr Blick auf.
„Elizabeth, mein kleiner Engel! Was machst du denn hier?"
„Ich glaube, die Frage ist eher, was du hier machst. Ich bin nämlich sehr oft hier. Aber du wohnst ja sogar in einem anderen Stadtteil. Also, was führt dich hierher?"

The Diamond Games. DawnbreakWo Geschichten leben. Entdecke jetzt