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Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich anziehen sollte.
In der Einladung von Astoria Valentie stand „Abendgarderobe" - aber was bedeutete das jetzt? Sollte ich etwa ein Ballkleid anziehen?
Nach langem hin und her entschied ich mich für eine schwarze Hose mit Bügelfalte, die durchaus als fein durchgehen konnte. Dazu einen ebenso schwarzen, lockeren Cardigan. Um etwas eleganter auszusehen, steckte ich mir meine Haare zu einem ordentlichen Dutt hoch. Ich schaute mich selbst im Spiegel an. So zurecht gemacht hatte ich schon lange nicht mehr ausgesehen. Während ich nach geeigneten Schuhen suchte, fing mein Gedankenkaurusell schon wieder an, sich zu drehen. Was würde mich bei diesem Treffen erwarten? Wer würde noch da sein? Würde sich etwas ändern?
Es war noch nie vor gekommen, dass Kandidatinnen zu so einem Treffen eingeladen wurden. Irgendwas musste sich geändert haben. Ob es mit den Rebellen zusammenhing?

Weil mein Vater diesen Abend nicht da war, und ich meinen Führerschein immer noch nch nicht fertig hatte, musste ich mir ein Taxi rufen. Es brachte mich durch elegante, gepflegte Straßen, an feinen Boutiquen vorbei bis nach New York City zum Sparkle-Tower. Die Sonne war gerade dabei, unter zu gehen, und tauchte das kolossale Gebäude in goldenes Licht. Ich genoss für einen Moment dieses Bild, bis mein Blick von einer der vielen, gigantischen Bildschirmen abgelenkt wurde, die überall an den imposanten Bauten und Wolkenkratzern angebracht waren. Fast hätte ich mich an meiner eigenen Spucke verschluckt. Was zum dreimal verdammten Geier machte mein Gesicht auf dieser Anzeigetafel? Was? Was? Ich versuchte, die Nerven zu behalten. Es war das dritte Bild, welches ich auf Gemspace hochgeladen hatte. Auf ihm schaute ich ernst in die Kamera, wirkte aber fast ein wenig gedankenversunken. Mit einer Würde, die ich selbst an mir noch nie erlebt hatte - und wahrscheinlich nie erleben würde - schaute mein Bild auf die riesige Straße New Yorks herab, welche voll beladen von Passanten und Autos war. Ich atmete tief durch. An dieser Tafel waren schon öfters Gesichter von Kanditatinnen eingeblendet worden, welche den Medien nach eine gute Chance hatten oder von der Öffentlichkeit besonders geliebt wurden. Auch Cassies Bild hatte lange dort geleuchtet. Aber nie- niemals hatte ich erwartet, mich selbst dort zu sehen. Mit klopfendem Herzen las ich, was als Slogan unter meinem Bild stand.
Elizabeth Ryde. Anders und doch fesselnd. Ich schüttelte den Kopf. Einmal zweimal. Ich konnte, wollte es einfach nicht glauben. Das war nicht real. Ich träumte. Ich hatte mich verguckt. Mein Atem ging immer noch unregelmäßig, auch wenn das Taxi längst an dem Bildschirm vorbei gefahren war.
„Oh, sind sie das nicht?", fragte der etwa 40-Jähreige Taxifahrer in diesem Moment wie aufs Stichwort, und warf mir im Rückspiegel einen kurzen, prüfenden Blick zu. Ich schluckte, und versuchte vergeblich, mich zu sammeln. „Sieht ganz so aus", murmelte ich.

Beim Sparkle-Tower wurde ich von den Securities direkt und sehr höflich durch gelassen, als ich ihnen meine Nachricht zeigte. Um diesen Abend zu überleben, ohne einen rauchenden Kopf von der Überforderung zu bekommen, hatte ich mich dazu entschlossen, die Sache mit der Anzeigetafel erst mal tief in meinem Hinterkopf zu begraben, und nicht mehr an sie zu denken. Stattdessen konzentrierte ich mich auf das, was mir bevorstand. Ich versuchte mir einzureden, dass ich nicht nervös war. Aber, verdammt. Ich war es. Der Muskel an der Außenseite meines rechten kleinen Fingers begann unregelmäßig zu zucken, was immer passierte, wenn ich gestresst war. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und schritt tapfer durch die Tore.
Fast direkt nach mir kam eine weitere junge Frau an. Ich drehte mich so unauffällig wie möglich zu ihr, um einen Blick auf sie zu erhaschen. Oh Mann. Ihr Gesicht war beinahe unrealistisch symmetrisch. Milchkaffefarbene Haut spannte sich über ihre hohen Wangenknochen, und eine Fülle an glattem, pechschwarzen Haar ergoss sich über ihre Schultern. Kurz trafen sich meine mausgrauen Augen mit ihren geheimnissevollen, dunklen.
Ich sah schnell weg. Was hatte ich hier eigentlich noch zu suchen? Bei ihrer Schönheit konnte ich doch gleich einpacken.

Ich wusste, wo Saal drei war. Ich hatte ihn auch mal von innen gesehen. Es war einer von jenen Sälen, die dazu da waren, um seinen Besuch nachhaltig zu beeindrucken. Und auch jetzt verschlug es mir wieder die Sprache, auch wenn ich ihn schon kannte. Er war in glitzerndes Gold getaucht, die Einrichtung und die Wände erinnerten an ein viktorianisches Schloss, mit vielen Ornamenten und weichem Licht, welches Kerzen nachempfunden war. Alles hier war unglaublich teuer und beeindruckend prunkvoll. In der Mitte war eine Tafel aufgebaut worden, gedeckt mit einem blütenweißen Tischtuch, auf dem feines Prozellan stand. In der Mitte, zwischen malerischen Kerzenständern lagen goldene Platten, auf denen später vermutlich Essen serviert werden würde.
Ich musste kurz stehen bleiben und diese atemberaubende Schönheit noch mal in mir aufnehmen. Auch die klackenden Geräusche der High Heels des Mädchens hinter mir verstummten für einen Augenblick.
Es waren bereits vier Personen anwesend, jede in ein teuer aussehendes Outfit gekleidet und umwerfend schön. Eine hatte hellere, die andere dunklere Haare, auch ihre Augen waren nicht alle braun - und dennoch waren sie alle... schönheitskonform. Passten in das Bild.
Ich nicht. Ich kam mir vor wie ein Straßenköter unter Rassehunden. Ich ballte meine Fäuste noch fester, und versuchte mir nichts anmerken zu lassen.
Keiner von ihnen schien sich zu kennen, alle standen so wie ich einzeln im Saal herum, drauf wartend, dass etwas passierte. Wir musterten einander in herablassender Abschätzung. Mir war, als würde sich Druck in der Luft aufbauen.
Nach und nach trafen immer mehr Mädchen ein, eine schöner als die andere. Vereinzelnd wurden kleine, unterkühlte Gespräche geführt, doch es blieb auch weiterhin unheimlich leise. Mittlerweile zählte ich mit mir 24 Mädchen in diesem Raum. Erst jetzt nahm ich das leise Ticken einer Standuhr war, die dekorativ ganz hinten auf der Mitte der Wand platziert war. Ich warf einen Blick darauf. Es war kurz vor sechs. Und dann rastete der massive Zeiger mit einem geräuschvollen Klack auf der Zwölf ein, und die Standuhr begann zu schlagen. Achtzehn mal. Es wurde still. Alle lauschten dem tiefen Klang der Glocke.
Sobald sie verstummt war, traten zwei weitere Frauen in den Saal, die eine etwas versetzt hinter der anderen. Astoria Valentine. Groß gewachsen, dickes, schwarzes Haar, helle Haut und eisblaue Augen. Ihre Gesichtszüge scharf, sie erinnerte an eine Katze. Jeder Schritt bedacht gesetzt. Sie kam in den Raum und nahm sofort alle ein. Dahinter - Camilla. In ein eng anliegendes, helles Kleid gekleidet, die Haare zu einem Dutt zusammengefasst, schwebte sie wie eine Fee hinter Astoria her. Ich war mir sicher, dass die beiden auch in einem überfüllten Saal sofort alle Blicke auf sich gezogen hätten. Die Tür schloss sich leise hinter ihnen. Für einen Moment war es still. Dann klatschte Astoria in die Hände.
„Setzten sie sich doch, meine Damen. Wir wollen keine Zeit verschwenden."
Ich versuchte, nicht allzu sehr aufzufallen. Mein kleiner Finger zuckte immer noch vor Nervosität. Aber ich war wie ein bunter Hund. Ständig landeten Blicke auf mir, die ich nicht deuten konnte, als wir uns alle der riesigen Tafel zu wandten, um uns zu setzten. Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange. Als würde ich mich nicht auch so schon unsicher fühlen. Direkt auf den Stuhl mir gegenüber setzte sich Verena, und als sie mich erblickte, verzog sie den Mund, ihre Miene herablassend. Na toll. Diese Zicke machte es auch nicht besser. Astoria ließ sich am Kopfende nieder, neben ihr Camilla. Sie blickte auf uns hinab, als hätten wir allesamt einen niederen Rang. Wie Dienstmägde. Doch ganz schnell verschwand dieser Blick, und sie lächelte.
Eine Seitentür des Saales öffnete sich, und eine Schar Kellner kam hinein. Sie servierten mehrere Platten, auf denen Häppchen lagen, zusammen mit knusprigen Brotscheiben und für jeden ein Glas mit sprudelndem Sekt.
„Ich wünsche einen guten Appetit", sagte Astoria, und wir stießen an.
Nach der Vorspeise folgte eine Suppe, und als ich den Löffel beiseite legte, war es bereits kurz nach sieben. Ich fragte mich, wann sie dir  Ankündigung machen würde, die sie versprochen hatte. Nach dem Essen? Meiner Erfahrung nach dauerte ein Dinner bis zu vier Stunden. Meine Ungeduld stieg, und ich war mir sicher, die der anderen auch. Wir unterhielten uns leise und in ausgesprochen höflichem Tonfall. Jeder irgnorierte die kühle Stimmung im Raum, und tat so, als wäre alles in bester Ordnung. Aber wir waren Rivalen. Und wir vergaßen das keine einzige Sekunde.
Als Zwischengang folgte schließlich eine winzige Tarte für jeden, aus der eine cremige, weiße Soße mit Lachsstückchen herausquoll, als ich mit der Gabel hineinstieß. Das war wahrscheinlich das beste, was ich je gegessen hatte.
Gerade aß ich die letzten Krümel, als Astoria sich räusperte, und die leisen Gespräche schlagartig verstummten.
„Während nun gleich der Hauptgang serviert wird, möchte ich nun endlich zu unserem heutigen Anlass kommen." Kurz ließ sie den Blick über jeden einzelnen von uns schweifen. Bildete ich mir das nur ein, oder lag ihr Blick wirklich länger auf mir als auf allen anderen? Schließlich sprach sie weiter.
„Seit diesem Jahr bin ich nun Leiterin der Diamond Games, nachdem mein geschätzter Ehemann von uns ging." Sie neigte kurz den Kopf, und wir alle nahmen uns einen kurzen Moment der Andacht.
„Und nach längeren, ausgereiften Überlegungen bin ich zusammen mit Diamond Queen Camilla zu dem Schluss gekommen, dass unsere wichtigste Tradition, unser aller Lebenswerk - ab jetzt etwas anders verlaufen wird."
Sie machte eine Pause. Der ganze Saal schien wie eingefroren.
„Nach über zwanzig Jahren Diamond Games ist mir endlich aufgefallen, was unsere Suche nach der Schönsten Frau der Welt vervollständigen wird. Die Auswahlzeit wir nun auf ein halbes Jahr beschränkt. In dieser Zeit werden genau 24 Junge Frauen ausgewählt, welche sich als Kandidatinnen qualifizieren. Für... nennen wir es Prüfungen. Um zu sehen, ob ihr es auch wert seid." Ihre Augen glitzerten. Mir blieb ein Keuchen im Hals stecken. Was sollte das jetzt heißen? Musste ich mich nun auch in ganz anderen Dingen gegen diese ganzen Mädchen beweisen?
Bevor wir in Stimmengewirr ausbrechen konnten, hob Astoria eine Hand. Dann sprach sie weiter. „Diamond Queen bedeutet nicht nur, reich und luxuriös zu leben und die Massen zu unterhalten - man hat auch eine Menge Verantworung zu tragen, auch wenn man es vielleicht auf den ersten Blick gar nicht merkt. Ihr müsst klug sein. Ihr müsst Selbstbewusstsein haben. Ihr müsst es zu etwas bringen können. Und genau dafür habe ich die drei Prüfungen entworfen. Drei Tests. Um zu sehen, wer wirklich würdig ist."
Erneut Totenstille. Wir alle starrten sie an. Fragten uns, was zur Hölle gerade vor sich ging.
„Und was sind das für Prüfungen?", fragte Camilla. Ich stutzte. Hatte sie das alles nicht mir Astoria zusammen erfunden?
„Das werdet ihr erfahren, wenn es soweit ist", sagte diese würdevoll. „Aber eins kann ich euch sagen: Sie haben etwas mit Märchen zu tun. Ich liebe Märchen." Ihre Stimme wurde leiser, fast andächtig. „Sie sind das einzige, was nie vergeht. Denn sie leben in der Erzählung. Nicht in Filmen, nicht in Büchern. Und so sollen auch unsere Diamond Games sein. Unvergänglich. Ewig." Ein Schauer lief mir über den Rücken. Das klang fast bedrohlich. Was meinte sie damit?
In diesem Moment klatschte Astoria einmal in die Hände. „Und nun lassen sie es sich schmecken. Auf eine neue Ära der Diamond Games."
Etwas überrumpelt hob ich mein Sektglas.
Ich hatte gar nicht bemerkt, wie ein aufwändig verzierter Teller mit drei Fleischmedallions vor mir abgestellt worden war.

Aaaaaah es tut mir so leid, hab die ganzen letzten Wochen nichts auf die Reihe gekriegt 😭
Hatte unglaublich viel zu tun, und vielleicht schaffe ich es nächste Woche wieder nicht. Bin dann auf Klassenfahrt 😒
Was haltet ihr von diesen Prüfungen? Zu stereotypisch? Oder genau richtig? Sagt endlich Mal was wie ihr es findet 😫
LG Sotrmseeker

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 17 ⏰

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The Diamond Games. DawnbreakWo Geschichten leben. Entdecke jetzt