Zimmerwechsel

3 1 1
                                    

"Lia!", riefen Lily und Feli gleichzeitig, als ich in ihr Zimmer kam und die Tür zuknallte. Sie hatten bereits ihre Schlafanzüge an.

Beide rannten auf mich zu, während ich die Tür hinter mir schloss. Vermutlich sahen die beiden auf den ersten Blick, wie es mir ging. War ja nicht schwer zu erkennen.

"Was ist los?", fragte Feli. Ich setzte mich auf den Boden und sagte niedergeschlagen: "Ich habe mich mit Kia gestritten und bin danach aus dem Zimmer gerannt."

"Willst du drüber reden? Wenn nicht ist das auch okay, aber wenn du reden willst, hören wir zu.", fragte Lily mich nun freundlich und setzte sich neben mich. Feli setzte sich ebenfalls und sagte: "Wir erzählen es auch keinem. Versprochen." Lily wiederholte: "Ja, Versprochen."

Ich überlegte kurz, was ich machen sollte. Auf der einen Seite mochte ich diese beiden Fünftklässlerinnen wirklich sehr und ich hätte gerne mit jemandem geredet, aber auf der anderen Seite kannten wir uns erst seit ein paar Tagen. Außerdem war das was passiert war sehr persönlich. Letztlich entschied ich mich dafür, den beiden zumindest einen Teil der Wahrheit zu sagen. "Es gibt eine Person, die ich sehr mag. Kia will aber nichts mit der Person zu tun haben. Das ist auch okay. Jedenfalls habe ich mich heute verlaufen und die Person hat mich gefunden und zurückgebracht. Das mochte Kia gar nicht. Sie war sauer, weil diese Person mit mir zusammen zurückgekommen ist und sie nicht sehen möchte. Sie glaubt, dass ich die Person mit Absicht hergebracht hätte, obwohl das nicht stimmt."

Es tat gut, darüber zu reden, aber ich war danach trotzdem noch sauer auf Kia. Wenn sie Chiara nicht sehen wollte, war das ihre Sache, aber das ging echt zu weit! Chiara hatte mir immerhin geholfen! Ohne sie hätte ich es nie im Leben geschafft, ins Internat zu kommen.

"Zwischen den beiden muss irgendwas heftiges passiert sein, sonst wäre es ihr wahrscheinlich egal gewesen, wer dich zurückbringt, selbst bei einer blöder Zicke.", mutmaßte Feli.

Ich sagte zu ihr: "Ich weiß, was zwischen den beiden passiert ist. Darum kann ich Kia auch irgendwie verstehen. Es gibt tatsächlich einen Grund für ihr Verhalten. Der ist aber sehr persönlich."

Schon während ich das sagte, fragte ich mich, ob das stimmte. Klar, Chiara war unsere Mutter und darum wollte Kia keinen Kontakt, aber was genau sie gegen Chiara hatte, wusste ich nicht. Mir fiel wieder ein, was Kia gestern Abend zu mir gesagt hatte: "Wenn ich schwanger wäre, würde ich wahrscheinlich das gleiche machen oder das Kind sogar abtreiben. Dass ich sie nicht treffen möchte, hat andere Gründe." Diese Gründe mussten wohl extrem heftig sein, wenn Kia bei Chiaras Auftauchen so ausrastete, doch welche waren es? Warum war Kia so abweisend zu unserer Mutter? Ich hatte im Grunde genommen keine Ahnung. Zu Lily und Feli sagte ich jedoch nichts davon.

Die beiden sagten auch nichts mehr zu Kias Reaktion auf 'die andere Person'.

Nach einer kurzen Pause, in der wir drei einfach nur still beieinander gesessen hatten, schlug Lily vor: "Wie wäre es, wenn du heute Nacht bei uns bleibst. Frau Johanson ist total cool. Für eine oder zwei Nächte erlaubt die das bestimmt." Frau Johanson war die Erzieherin in diesem Internat.

"Das wäre bestimmt sinnvoll.", willigte ich ein. Bestimmt tat es sowohl mir als auch Kia gut, wenn wir uns heute Nacht nicht sahen.

Gemeinsam verließen wir Lilys und Felis Zimmer und Klopften bei Frau Johanson. Sie machte uns auf und bat uns herein.

Das Zimmer war recht klein. An der rechten Wand stand ein Bett und an der linken ein Schrank. An der Wand gegenüber von der Tür stand noch ein Schreibtisch, über dem ein AC/DC-Poster hing. Viel mehr gab es nicht im Zimmer.

"Was ist los?", fragte sie. Ich erzählte ihr von meinem Streit mit Kia und bat sie, heute Nacht bei Lily und Feli bleiben zu können. "Morgen gehe ich auch wieder zurück in unser Zimmer und kläre das.", versprach ich. Auch Lily und Feli baten darum, dass ich heute Nacht bei ihnen bleiben konnte.

Letztendlich willigte Frau Johanson ein. "Aber Morgen wird die Sache geklärt und dann gehst du zurück in euer Zimmer.", sagte sie zu mir. Danach öffnete sie den Schrank, reichte sie mir einen Schlafsack und schickte sie Lily in das Zimmer von mir und Kia, um ein paar Sachen zu holen. Schlafanzug, Schulsachen und Wechselklamotten für morgen früh.

Sie rannte sofort los, während Feli und ich uns bedankten und in ihr Zimmer zurückkehrten.

"Hoffentlich hat sich Kia bis morgen wieder beruhigt.", sagte ich niedergeschlagen zu Feli, als wir drinnen waren.

Daraufhin legte ich den Schlafsack auf den Boden und rollte ihn aus.

"Bestimmt. Sie hat ja eine ganze Nacht, um sich abzuregen. Bis morgen wird sie sich wieder eingekriegt haben.", erwiderte sie tröstend und ich hoffte so sehr, dass es stimmte. Meine Erwartung war jedoch eine andere.

Ich hatte mich zwar schon oft mit Milo gestritten und vertragen, aber das war etwas anderes. Bei mir und Kia ging es nicht nur um banale Dinge wie Videospiele oder Süßigkeiten. Es ging um unsere Familie. Das war deutlich ernster!

Ein paar Minuten später kam Lily ebenfalls dazu und reichte mir meine Sachen. "Danke", sagte ich zu ihr und ging in den Waschraum, um mir endlich die Zähne zu putzen und meinen Schlafanzug anzuziehen. Es war schließlich schon nach 23 Uhr. Darum wollte ich mich auch ein wenig beeilen.

Nachdem ich mit allem fertig war, kehrte ich ins Zimmer von Lily und Feli zurück.

Als ich wieder im Zimmer war, schaltete Feli das Licht aus und sagte: "Gute Nacht." Ich legte mich in meinen Schlafsack und wünschte ebenfalls eine gute Nacht, obwohl ich mir sicher war, dass ich noch eine ganze Weile wach in meinem Schlafsack liegen würde. Diese Prognose trat leider auch ein.

Meine beiden Freundinnen waren schon nach kurzer Zeit eingeschlafen, doch ich lag noch sehr lange wach, obwohl ich wirklich versuchte, zu schlafen.

Da ich aber immer wieder an Kia und Chiara denken musste, dauerte es ewig, bis ich es endlich hinbekam. Schätzungsweise bis 2 oder 3 Uhr.

Die Brieffreundin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt