10 | Wahl und Weg

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»Ja«, sagt sie sehr schnell und legt bereits ihre Hand in meine. Dann muss sie kichern, weil sie bereits mitten in meine Frage reingequatscht hat. »Ups.«

»Komm, lass uns reingehen. Dir ist bestimmt kalt.« Obwohl ich es wirklich lieb meine, kann es sicherlich zu fürsorglich rüberkommen. Prompt versteift sich mein Körper erneut. Ich möchte das abstellen – auch ihr zuliebe, weil ich sie verstehen kann –, aber offensichtlich schaffe ich auch das nicht.

»Aber nur, wenn du mir einen Milchkaffee machst«, neckt sie mich und streichelt über meinen angespannten Rücken, als würde sie jede einzelne Starre hinausbefördern wollen.

»Einverstanden.«

Ohne etwas dazu zu sagen, legt sie mir den Zettel in meine Hand und geht alleine vor in die Kabine. Sie lässt mir meinen Raum. Gerührt bleibe ich kurz stehen, bis mich wenig später die ersten Strahlen der Sonne treffen. Dann schreite ich zum Steuersitz, ziehe die Box darunter hervor und begebe mich damit ins Innere des Bootes. Innen drin stelle ich die Schachtel vorne auf meine Seite des Bettes, öffne sie und lege den Brief, der mir offensichtlich vorhin herausgefallen ist, wieder hinein. Damit scheint Mara nicht gerechnet zu haben. Um ehrlich zu sein: Ich auch nicht. Erst einmal belasse ich es dabei. Ich sehe in Maras Gesicht ein Lächeln, aber sie sagt nichts weiter dazu.

»Dann mache ich uns nun einen Milchkaffee«, verkünde ich.

»Haben wir noch Pfannkuchen von gestern über?«, fragt sie nach, woraufhin ich nachschaue. Dass wir noch welche haben, weiß ich. Aber nicht mehr, wie viele.

»Ja, und auch noch ausreichend.«

»Wollen wir dann gleich frühstücken und danach eine Runde spazieren? Hast du Lust?«

Maras Vorschlag finde ich super. Daher haben wir uns direkt nach dem geruhsamen Frühstück erfrischt, um losgehen zu können. Durch meine sehr zeitige Aktion begann unser Tag recht früh, sodass wir einen günstigen Zeitpunkt erwischt haben für unseren Spaziergang. Der Ansturm der fleißigen Bienchen, die zur Arbeit müssen, ist bereits abgeebbt. Uns begegnen nur ein paar vereinzelte Leute, die ebenso ein wenig umher flanieren.

Mal wieder ein bisschen mehr die Beine – und den Körper – zu bewegen und dabei die Ruhe zu genießen, ist himmlisch. Mara und ich schlendern gemütlich die Hafenpromenade entlang. Ein angenehmes Schweigen, welches nicht nach Worten drängt, begleitet uns. Der Wind bringt das typische Herbstaroma mit sich, welches ich gerne mag. Es liegen so viele unterschiedliche Gerüche darin. Neben dem Salz des Meeres kann ich Laub und Kaffee ausmachen. Für mich ist das ein einzigartiges Aroma. Ab und zu schaue ich nach links zu Mara; sehe, wie die sanften Böen durch ihre Locken wehen, welche sich dem Takt der Natur anpassen und mit ihnen schwingen.

Als wir den Weg einmal bis zum Ende gelaufen sind, deutet sie auf eine Bank. Wir setzen uns hin und verschnaufen kurz. Bevor wir den Rückweg anpeilen wollen. Wir betrachten beide das Wasser vor uns. Was Mara genau dort sieht, weiß ich nicht. Für mich bedeutet es Weite und Freisein. Ich liebe den Blick auf das Wasser.

Etwas getrübter wende ich meinen Blick, der eben durch die Boote schweifte, ab. »Mara, ich möchte, dass du weißt, dass ich nie geglaubt habe, dass du schnüffelst oder so. Es ging mit mir völlig durch vorhin. Das tut mir wirklich leid.«

»Ich weiß.« Sie dreht ihren Kopf zu mir und schaut mich an. »Es ist okay.«

»Wie kann das okay sein?«

»Du hast es eingesehen. Ich vertraue darauf, dass du dazu lernst. Denkst du, ich würde sonst an deiner Seite bleiben?«

Ich denke kurz über ihre Worte nach. »Aber ich habe schon so viel Mist gebaut«, erwidere ich.

ZwischenimpressionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt