16. Zwischen Himmel und Wasser

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Hintern den Wipfeln der Bäume ging die Wintersonne auf und tauchte das Schulgelände mit ihren ersten Strahlen in ein sanftes Orang. Es war ein recht milder früher Dezembertag und Augusta blickte hoch in den Himmel, wo die Sterne schon verblasst waren und nun das Schwarz immer mehr zu einem Grau wurde, während sie im großen See lag. Sie war um vier Uhr am Morgen von ihren Kopfschmerzen aufgeweckt worden, die einfach nicht nachlassen wollten. Sie war nun schon seit drei Monaten zurück und die Kopfschmerzen waren eigentlich verschwunden, aber manchmal kamen sie mit voller Wucht zurück. Immerhin hatte sie kein Nasenbluten mehr, zumindest etwas Erfreuliches.

Sie atmete tief durch und bewegte etwas die Arme, um in ihrer waagrechten Position bleiben zu können. Auf ihren nackten Armen konnte sie ihre langen Haare spüren, die sie im Wasser umgaben wie ein dünnes Netz. Die Kälte machte ihr nichts aus, sie begrüßte sie sogar, weil sie gegen die Kopfschmerzen half. Als Kind war sie immer im Meer geschwommen, selbst im Winter, das nicht weit von ihrem Haus gewesen war, sie war eine gute Schwimmerin und das Wasser hatte eine beruhigende Wirkung. Vor allem jetzt, in den Morgenstunden, wenn die meisten Schüler erst aufstanden, war die Ruhe herrlich.

Es dauerte einen Moment, bevor sie die Figur neben ihren Kleidern am Seeufer sah. Mit einer deutlichen Geste tippte er auf sein Handgelenk und Augusta schwamm die wenigen Meter zum Ufer zurück.

Höflich drehte sich Regulus um, als sie aus dem Wasser kam, obwohl sie ein großes Shirt über ihrem Bikini mit dem bunten Blumenmuster (die aktuelle Muggel-Mode) trug. Auch wenn sie nicht glaubte, dass zu dieser Zeit jemand draußen war, so wusste man nie, welcher pubertierende Junge gerade aus dem Fenster sah.

"Jane meinte, du warst am Morgen nicht im Schlafsaal und dann bist du entweder hier oder in der verbotenen Abteilung", sagte er mit dem Rücken zu ihr. Augusta schnappte ihren Zauberstab und trocknete das Shirt und Bikini. Sie schlüpfte in den Rock und zog sich das Shirt über den Kopf, um die Bluse anzulegen. Der Bikini behielt sie darunter an, sie hatte nur eine Lektion und dann eine Freistunde, in der sie sich umziehen konnte.
"Ja, ich konnte nicht mehr schlafen", sagte sie und gab ihm ein Zeichen, dass er sich wieder umdrehen konnte. Sie setzte sich ins Gras um ihre Socken und Schuhe anzuziehen und Regulus ging neben ihr in die Hocke. Er hatte eine Tasse Kaffee zwischen den Fingerspitzen, die er wohl aus der Großen Halle mitgenommen hatte, bevor er zu ihr rausgekommen war.
"Kenn ich", sagte er und blickte auf das Wasser hinaus. "Ist es nicht gefährlich, hier alleine im See zu sein?" Er blickte zum Kraken, dessen Tenakel nicht weit von ihnen wiederholt spielerisch auf die Wasseroberfläche klatschten.
"Der See ist ruhig und ohne Strömungen und der Kraken ist harmlos, von den Wassermenschen würde ich mich fernhalten, die können ungemütlich werden, aber die sind in der Tiefe des Sees und ich bleibe an der Oberfläche." Sie band sich ihre Armbanduhr um und fuhr mit den Fingern durch die nassen Haare.
"Ah, ja, man kann sie manchmal vom Fenster im Gemeinschaftsraum sehen, mit denen möchte ich mich auch nicht anlegen." Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und blickte auf die fast stille Wasseroberfläche. "Irgendwie unheimlich, man weiß nie genau, was in der Tiefe des Wassers lauert."

Augusta zuckte mit den Schultern. "Mehr Wasser", scherzte sie und schnitt eine Grimasse, doch Regulus sah immer noch konzentriert auf das Wasser hinaus.
"Über so etwas machst du dir keine Gedanken, aber auch nur eine Handbreite in der Luft und du flippst aus. Madam Hooch war bei dir in den Flugstunden in der ersten Klasse wirklich mit ihren Nerven am Ende."
"Fliegen ist nicht natürlich", erwiderte Augusta prompt. "Sich auf ein Stück Holz zu setzen und damit in eine Höhe zu gehen, in der ein Windstoß oder ein Balance-Problem den Sturz in den Tod bedeuten könnte, ist hirnrissig."
Regulus schnaubte belustigt und stellte seine leere Tasse in das vom Morgentau nasse Gras. "Im Wasser kann man ertrinken, Lia. Fliegen bringt eine wundervolle Freiheit mit sich, wenn man da oben in der Luft ist."
August griff nach ihrer Krawatte und legte sie um den Hals, bevor sie zu Regulus sah. "Ich bevorzuge die Schwerelosigkeit im Wasser", meinte sie. Sie zupfte an dem unebenen Knoten ihrer Krawatte und kurz hob er die Hand, als wollte er die Krawatte für sie richten. Er sah sie an, im morgendlichen Sonnenlicht wirkten seine grauen Augen fast schon blau. Dann schlug er die Augen nieder und griff er nach seiner leeren Tasse.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 18 ⏰

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Who wants to live Forever? | Regulus BlackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt