4. Der zweite Abend

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"Ich habe jetzt schon keine Lust auf die ganzen Hausaufgaben", meinte Jane, die sich an den großen Ofen aus dunklem Metall lehnte, der in der Mitte des Schlafsaales stand. Da der Gemeinschaftsraum sich im Kerker unter dem See befand, konnte kalt werden. Die Betten waren mit dicken, samtenen Vorhängen ausgestattet und die dunklen Holzdielen mit Teppich ausgelegt. Sie hatten Fenster, deren unebene Glasplatten in runder und eckiger Form in schwarzes Metall eingelassen waren. Sie sahen aus wie normale Fenster, sogar mit Klinke und Licht drang hindurch, aber dahinter konnte man nichts außer einem vom Glas verzerrten Grün sehen. Augusta hatte noch nie versucht, eines zu öffnen, aus Angst, das Zimmer zu fluten.

"Jetzt komm, es ist das letzte Jahr", erwiderte Charlotte, die gerade daran war, ihre Dinge zu versorgen. Es war ihr zweiter Abend zurück in Hogwarts und noch immer fühlte es sich für Augusta surreal an.

Sie öffnete zuerst die Truhe am Ende ihres Bettes, in der noch ein paar Socken und Unterhosen herumlagen, bevor sie einen Blick unter den verzauberten Boden warf, um zu sehen, was sie da alles hatte. Aber es waren nur zwei Bücher und ein paar Zaubertrankzutaten, die sie nicht unbedingt haben sollte. Als sie ihren Geldbeutel hob, war sie zuerst etwas überrascht von dem Gewicht. Normalerweise war er gefüllt mit durchschnittlich zwei Galleonen, 19 Silberlingen und einer Handvoll Knuts. Vermutlich hatte sie in den Ferien gearbeitet.

Als die Mädchen fertig mit einräumen waren, ging sie wieder in den Gemeinschaftsraum, wo Rabastan und Barty gerade ein paar Zweitklässler von den guten Plätzen vor dem Kamin verscheuchten. Rabastan strich sich das kinnlange braune Haar lässig aus dem Gesicht, als er sich auf das Sofa fallen ließ. Lebenslange Haft in Askaban, schoss sein Schicksal durch Augustas Kopf. Es war groß in der Zeitung gewesen, als man ihn, seinen Bruder Rodolphus, dessen Frau Bellatrix und Barty gefasst hatte, nachdem sie das Longbottom-Aurorenpaar in den Wahnsinn gefoltert hatten.

Sie sah die beiden Jungen an, die sich ausgelassen auf dem Sofa unterhielten. Wann hat es gestartet? Wann hat es gekippt? Wann wurde aus ihren beiden Mitschülern, die sich mit Zonko-Süßigkeiten vollstopften und sich gegenseitig Schachfiguren anwarfen grausame Todesser? Einen Teil der Antwort bekam sie, als die Zwillinge und Charlotte sich zu ihnen setzte: Die Grundbasis lag schon Jahre zurück.

"Das ganze Haus an der Gnomsstreet in Liverpool wurde zerstört", sagte Dalia, vermutlich sprach sie über einen Vorfall, der sich vor ein paar Tagen ereignet hatte, aber Augusta wusste es nicht genau.
"Es schien ein rechter Kampf gewesen zu sein, die Schlammblüter mussten sich stark gewehrt haben", erwiderte Barty während Augusta sich stumm zu ihnen auf das Sofa setzte, die Szene genau beobachtend.
"Ja, aber sie hätten etwas Sorge auf das Haus geben können, es war ein wirklich schöner Altbau."
Jane boxte ihre Schwester in die Seite. "Würdest du wirklich in einem Haus leben wollen, in dem Schlammblüter ihr Unwesen getrieben haben?", fragte sie ihre Schwester.
"Wenn es ein schönes Haus ist, wieso nicht? Ist nicht so, als würde es die Geburt von Squibs fördern oder so." Augusta beobachtete das Gespräch zwischen den Zwillingen mit einem Knoten im Magen. War sie damals auch so schlimm gewesen? Sie musste, sonst würden die anderen nicht so in ihrer Gegenwart sprechen. Sie konnte diese ekelhaften Schuldgefühle in ihrem Brustkorb spüren, sie hatte seit Jahren das Wort 'Schlammblut' nicht mehr verwendet, aber es gab eine Zeit, in der es ihr nur allzu einfach über die Lippen ging.

"Gut, aber das ist nur eine Theorie", erwiderte Jane gerade auf etwas, was Rabastan gesagt hatte. "Ich bin dafür, dass man einfach mal alle Schlammblüter ausrottet und dann schaut, ob wieder neue auftauchen."
"Bist du nicht Halbblut?", fragte Augusta, vorauf alle zu ihr sahen. "Dein Großvater war doch Muggel."
Jane runzelte die Stirn. "Nicht jeder kann von einer einflussreichen Reinblutfamilie abstammen, Augusta. Komm mal von deinem hohen Pegasus hinunter."
Augustas Kopf fing wieder zu pochen an, was sich überhaupt nicht gut mit dem schlechten Gefühl im Magen vertrug. Sie hoffte einfach, dass die Nachwirkung des Zeitreisens nicht permanent war.

"Das ist das Problem mit euch Reinblütern", fügte Dalia bei ihrer Schwester hinzu und sah Barty, Rabastan und Augusta der Reihe nach an. "Ihr habt das Gefühl, ihr seid ein Geschenk für die Welt."
Barty lachte nur. "Wir sind ein Geschenk für die Welt."
"Wir sprechen nächste Zaubertrankstunde nochmals darüber, wenn du wieder keine Ahnung hast, was du tun solltest", erwiderte Dalia. "Oh, Augusta?" Doch Augusta hatte sich schon erhoben. Sie hatte bemerkt, dass ihre Nase wieder zu bluten angefangen hatte. Sie war nicht unglücklich darüber, sie musste weg!
"Lia, wo gehst du hin?", fragte Regulus, der gerade zu ihnen gestoßen war.
"Wieder wie bei der Anreise", sagte Charlotte leise.
"Ja, ich schaue nachher nach ihr, wenn sie nicht wiederkommt", fügte Dalia hinzu, bevor Augusta außer Hörweite war.

Eilig stieß sie die Tür in ihr Badezimmer auf und hielt eines der weißen Handtücher an ihre Nase. Das Zeitreisen musste sich auf ihren Körper ausgewirkt haben und sie konnte nur hoffen, dass es nicht schlimmer wurde. Sie wusste, dass Zeitreisen mehr als ein paar Stunden in der Vergangenheit grauenvolle Auswirkungen auf den Körper und Psyche hatten. Wie bei Eloise Mintumble, die 1899 nach fünf Tagen im Jahr 1402 nach ihrer Rückkehr 500 Jahre gealtert war und die Zeit durcheinander gebracht hatte. Viele der anderen Zeitreisenden schafften es gar nicht erst zurück oder wurden verrückt, weil sie auf ihr Vergangenheit-Ich getroffen haben.

Sie wusch sich die blutverschmierten Hände im kalten Wasser, bevor sie einen Blick in den Spiegel warf. Sie hatte wieder das rundliche Gesicht ihrer Jugend, das sie in ihren 20ern verloren hatte, und von den feinen Fältchen, die sich langsam neben ihren Augen hatten angefangen abzuzeichnen, war auch keine Spur. Ebenso fehlte die Narbe über ihrer Augenbraue und an ihrem Kinn, aber es waren immer noch dieselben grün-braunen Augen mit den dichten Wimpern, die ihr entgegensahen und die vollen dunkelbraunen Locken, die immer ihr ganzer Stolz gewesen waren. Sie erkannte auch die Ähnlichkeit zu ihrer Mutter, die sie seit ihrer Kindheit jedes Jahr mehr und mehr verlor.

Ja, sie war wieder siebzehn und das war der zweite Abend ihres letzten Jahres in Hogwarts. Sie wusste nicht, wie sie in ihre Zeit zurückkehren konnte, aber sie hatte es auch nicht vor. Sie hatte zwei Aufgaben: Den dunkle Lord und alle seine Horkruxe zu zerstören und nicht von Regulus getrennt zu werden. 

Who wants to live Forever? | Regulus BlackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt