6. Ein hübsches Ding

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Der Laden hatte keine Glocke über der Tür, die ein Eintreten ankündigte, aber als Augusta von der sonnenerhellten Straße in den düsteren Laden trat, knarrte eine der Dielen unter ihren Schuhen.

Sie war schon mehrere Male in Borgin und Burkes gewesen, wenn sie in der Winkelgasse ihre Schulsachen gekauft hatte. Neben Läden vollgestopft mit Büchern, Zaubertankzugtaten und anderen fantastischen Dingen übte auch dieser Laden eine spezielle Anzugkraft aus. Dabei wirkte er wie ein Antiquariaten-Shop, in dem diverse alt wirkende Dinge herumstanden und auf jeder Oberfläche ausgestellt wurden. Der Laden hatte einen berüchtigten Ruf und Augusta hütete sich davor, versehentlich etwas zu berühren auf ihrem Weg durch den Laden und anhand der Staubschicht auf gewissen Objekten, war sie nicht die Einzige damit.

Sie blickte sich in der Düsternis um, doch sie konnte weder Mr Borgin noch Mr Burke sehen. Doch als sie sich laut räusperte, konnte sie irgendwo eine Tür hören.
"So eine hübsche junge Dame in meinem bescheidenen Laden, wie kann ich dem vornehmen Fräulein von Diensten sein?" Das Gesicht des Mannes, der aus dem Schatten auf sie zukam, zierte ein gelbes Lächeln.
Augusta reagierte nicht auf die Begrüßung, die ganz klar darauf abzielte ihr zu schmeicheln. Caractacus Burke musterte sie aus seinen wässerig-blauen Augen abschätzend, ob er ihr etwas viel zu billig abkaufen oder viel zu teuer verkaufen konnte.

"Mr Burke, ich würde gerne mit Ihnen sprechen, hätten Sie einen Ort, wo wir ungestört sind?" Sie versuchte ihren Ton höflich aber bestimmt klingen zu lassen, wie eine Person, die es gewohnt war, andere herumzukommandieren.
Das Lächeln blieb auf seinem Gesicht, als er sie zu seinem Büro wies. Es war ein Hinterraum, von dem man in den Hinterhof sehen konnte, ausgestattet mit einem Schreibtisch, einem Kamin und einem großen Sessel, den Mr Burke mit einem Schwung seines Zauberstabes zum Schreibtisch schob. Als sie eintrat, ließ Augusta den Zauberstab aus ihrem Ärmel unauffällig in ihre Hand gleiten.

"Bitteschön, Miss. . .?" Er sah sie fragend an.
"Myrddin, Alekto Myrddin", antwortete Augusta gerade als die Augen des Mannes anfingen glasig zu werden, als der wortlose Imperius-Fluch seine Wirkung entfaltete. Sein Geist wehrte sich zuerst energisch, aber durch den Überraschungseffekt behielt sie fest die Oberhand, bis der Widerstand schwand wie bei einem an der Angel hängenden Fisch.

Sie setzte sich auf den Rand des Polsters, während Mr Burke immer noch an Ort und Stelle stand und ins Nichts blickte. Die Marionetten, die der Imperius-Fluch erzeugte, hatten etwas verdammt Unheimliches und sie fand es fast noch schlimmer als das Wissen, dass sie jemandem den freien Willen nahm. In ihrem Kopf konnte sie ihre Grossmutter sagen hören, dass der freie Wille das größte Geschenk Gottes war und Augusta wohl gerade die größte Sünde beging, aber sie hatte nicht geplant, eine Heilige zu werden.
"Setz dich hin", sagte sie. "Und dann erzähle mir etwas über Tom Riddle, der hier mal gearbeitet hat." Es war ein unangenehmes Gefühl, jemanden unter diesem Fluch zu haben, als versuchte man jemanden unter eine Decke einzusperren und mit großer Willenskraft konnte der Fluch sogar gebrochen werden.

Mr Burke blinzelte noch ein paar Mal stumm, bevor er sich auf seinen Stuhl fallen ließ und mit dem Sprechen begann, dabei starrte er an Augusta vorbei in das Zimmer.
"Großartiger Mitarbeiter, bis auf die Tatsache, dass er eines Tages einfach nicht mehr aufgetaucht ist. Hatte ein Händchen dafür, die Kunden zum Verkauf ihrer Gegenstände zu bringen."
"Irgendwas an dem er speziell Interesse hatte?", fragte Augusta weiter und warf einen nervösen Blick zur Decke als sie Schritte hörte. Mr Borgins schien auch im Haus zu sein.
"Der Junge hatte in vielem Interesse. UTZ und sein Zeugnis waren makellos, es muss seine Lehrer geschockt haben, dass er eine Laufbahn bei uns eingeschlagen hat, aber ich war immer überzeugt, dass er es getan hat, weil er hier ungestört schwarz-magische Gegenstände untersuchen konnte. Manchmal, wenn er verärgert war, konnte man etwas tief böses in seinen Augen sehen. Aber er war gut für das Geschäft." Die ganze Zeit änderte sich seine Tonlage nicht und auch sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. Er saß einfach nur da auf seinem Stuhl, mit hängenden Schultern und gläsernen Augen. Augusta konnte spüren, wie sich sein Geist bewegte, aber wehrlos gegen ihren eisernen Griff war.

Während sich ein kleiner Bereich in Augustas Hirn vor ihr selbst ekelte, so war ein größerer Teil genervt, dass sie auf keinen grünen Zweig kamen. "Kam er in Kontakt mit irgendwelchen Gegenständen mit historischer Bedeutung? Mächtige Gegenstände? Gegenstände, die eine Verbindung zu Hogwarts hatten vielleicht?", bohrte gereizt weiter.
"Nein, aber vielleicht hat sie ihm etwas gezeigt."
Die Slytherin wurde hellhörig "Wer?", fragte sie.
"Hepzibah Smith", antwortete Mr Burke immer noch in derselben Tonlage. "Kröte von einer Frau aber reich und eine Sammlerin. Behauptete eine Nachfahrin von Helga Hufflepuff zu sein und hat viele Stücke von mir gekauft. Ich habe ihr das Medaillon von Slytherin verkauft, für eine Menge Galleonen verkauft. Bestes Geschäft meiner Laufbahn."
"Das Medaillon von Slytherin?", wiederholte Augusta. Davor hatte sie trotz sieben Jahre Slytherin noch nie gehört
Der Mann bewegte kaum merklich den Kopf. "Habe es von einer hochschwangeren jungen Frau gekauft. Sie hatte keine Ahnung, wie viel es wert war und brauchte das Gold. Wir haben dauernd Leute, die uns Dinge andrehen wollen, die Merlin, Salazar oder selbst Grindelwald gehört haben sollen. Meistens ist es Unsinn, aber dieses Medaillon war echt und es war ein Glückgriff."

Der dunkle Lord war in Slytherin gewesen, sicher war dieses Medaillon ein würdiger Gegenstand für einen Teil seiner Seele. "Und Tom hatte Kontakt mit Hepzibah?"
"Oh ja, Hepzibah mochte hübsche Dinge, Tom eingeschlossen. Er konnte sie zu allem bewegen und sie hat ihm öfters zum Tee eingeladen." Augusta verzog angeekelt das Gesicht bei der Implikation, dass der dunkle Lord ein 'hübsches Ding' war oder zumindest gewesen war. Aber vielleicht mochte diese Hepzibah ihre Männer nasenlos und Schlangen-ähnlich. Wer war sie zum Urteilen?

"Was ist mit Hepzibah Smith passiert?" Die Antwort konnte sie sich vorstellen.
"Tot, starb 1961, weil ihr Hauself sie versehentlich vergiftet hat."
Wieder konnte Augusta die Schritte über ihnen hören, aber ansonsten war das Haus ruhig.
"Vergiftet von einem Hauself?" Das klang nicht korrekt. "Wie viel später nach ihrem Tod ist Tom verschwunden?" Sie war wohl kaum die Einzige, die das suspekt finden konnte und da war ein 'Freund' der in einem schäbigen Geschäft arbeitete, wohl ganz oben auf der Suspekt-Liste.

"Zwei Wochen, einfach so ohne etwas zu sagen, ich war geschockt."
Augusta war um überlegen. Das Medaillon musste ein Horkrux sein und wenn diese Frau eine Sammlerin gewesen war, hatte sie vielleicht noch mehr wichtige Dinge gehabt. Oder vielleicht hatte die Frau, die es verkauft hatte, noch andere Dinge von Slytherin gehabt, auf die es Tom Riddle abgesehen hatte.
"Wer war die Frau, die das Medaillon verkauft hatte?", wollte Augusta wissen.
"Weiß nicht mehr, müsste nachschauen." Sie gab ihm die Anweisung, das zu tun, und er holte ein dickes Buch aus dem Schrank. Während er darin herumblätterte, drangen Rufe aus dem Laden zu ihnen und die Schritte über ihnen kamen die Treppe hinunter.

Nervös stand Augusta von ihrem Sessel auf und beobachtete ungeduldig, wie der Mann durch die vergilbten Seiten seiner An- und Verkäufe blätterte.
"Merope Gaunt, war im Dezember 1926 für zehn Galleonen", kam endlich die Antwort.
Augusta tippte mit der Spitze ihres Zauberstabes unruhig gegen den Tisch und musste sich bemühen ihren Griff nicht zu verlieren, als Mr Burkes Geist sich wieder mehr wehrte. "Gab es sonst noch andere Leute, mit denen Tom in Kontakt stand?"
"Da war ein Mädchen, dass ihn manchmal besuchen kam", erwiderte Mr Burke während Stimmen vom Laden zu hören waren.
"Kannst du sie beschreiben?"
Für eine Sekunde sah er Augusta an, wobei es mehr ein durch sie hindurchsehen war, mit seinem unfokussierten Blick. Wieder drehte er sich um und kramte in seinem Aktenschrank. Schließlich drehte er sich mit einem Foto in der Hand um.
Gerade als Augusta danach griff, wurde die Tür aufgestoßen.
"Bist du taub", brüllte Mr Borgin. Die Wut wich Verwirrung und schließlich Realisation und zurück zu Wut, als er Augusta und seinen Kollegen sah, der nicht auf ihn reagiert hatte und immer noch ins Leere starrte.

Er griff nach seinem Zauberstab, doch Augusta hatte ihren immer noch in der Hand. Eine scharfe Bewegung von ihr und der Sessel traf ihn gegen die Brust und während er zurückstolperte, sprengte Augusta ein Loch in die Wand, in der das Fenster zum Hinterhof war. Sie sprang über die Mauerreste, während ein Lichtstrahl nur knapp ihren Kopf verfehlte und fiel bäuchlings auf den groben Stein des Hofes. Kaum war sie aus dem Gebäude raus, apparierte sie auch schon.

Sie kam irgendwo beim Waldrand heraus, gleich am Ende des Apparier-Schutzes von Hogwarts.
Kurz blieb sie liegen und atmete ein paar Male tief durch. Das hätte besser laufen können, aber auch schlechter. Sie wusste von einem anderen Horkrux, sie hatte zwei Namen, die sie weiterverfolgen konnte und sie hatte. . . sie hob das Bild.
Darauf konnte man ein junger Mann und eine junge Frau sehen, die irgendwo in Borgin und Burkes standen und sich miteinander unterhielten. Augusta runzelte die Stirn, während sie die beiden Personen ansah, war das der dunkle Lord? Der war ja tatsächlich ein hübsches Ding gewesen.

Who wants to live Forever? | Regulus BlackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt