1. Zwischen Torte und Blutmagie

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Das Klingeln des Telefons schrillte durch die kleine Wohnung, die direkt unter dem Dach in einem Haus am Rand von Edinburgh lag. Darin gab es zwei Dinge, die im Überschuss vorhanden waren: Bücher und Pflanzen. Auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches, aber auf den zweiten Blick hätte man sich wohl nicht mehr so willkommen gefühlt. Manche der Pflanzen waren giftig, aber es waren mehr die Bücher, die sich mit Themen wie Blutmagie oder verbotenen Zaubersprüchen befassten. Eine Kollektion, die über einen Zeitraum von fast 15 Jahren von zwielichtigen Händlern, versteckten Läden und unheimlichen Orten zusammengekauft (oder gestohlen) wurde.

Augusta saß an diesem Abend im Morgenmantel im Schneidersitz auf dem Boden vor ihrem Bett, in einer Hand hatte sie ein Buch über antike Magie, in der anderen hielt sie eine Gabel, mit der sie sich hin und wieder ein Stück des Kuchens nahm. Sie war zwar schon vor ein paar Wochen 34 geworden, aber Kuchen konnte man immer essen, außerdem war es eine Schwarzwäldertorte und da konnte sie einfach nicht widerstehen.

Von dem Telefon ließ sie sich nicht irritieren. Es war ihre Schwester, ihre älteste Nichte hatte vor ein paar Wochen zum ersten Mal den Brief aus Hogwarts bekommen und seitdem ließ ihre Schwester sie nicht mehr in Ruhe.

Als sie sich ein neues Stück Schwarzwälder abtrennte, schweifte ihr Blick kurz über die Schlagzeile des Tagespropheten, auf dem der Teller stand.
Albus Dumbledore besteht weiterhin auf Lüge - Wie senil ist er wirklich?
Es war eine Frechheit, jemand wie Dumbledore senil zu nennen, immerhin war er nach wie vor der mächtigste Zauberer des 20. Jahrhunderts. Aber die momentanen Entwicklungen beunruhigten sie, mit dem dunklen Lord zurück und dem Ministerium, am Abstreiten dieser Tatsache war ein neuer Krieg vorprogrammiert. Augusta hatte den Krieg miterlebt und die Leute, die ihr nahe gestanden waren und noch lebten, konnte sie an einer Hand abzählen. Sie glaubte augenblicklich, dass er zurück war, sie hatte die Bewegungen in den fanatischen Kreisen bemerkt und sie wusste auch, wie er zurückgekommen war. Erst kürzlich, als sie sich wieder einmal in der Nokturgasse herumgetrieben hatte, hatte eine Verkäuferin ihr ein Gerücht über seinen momentanen Aufenthaltsort erzählt.

Endlich verstummte das Telefon und sie ließ das Buch sinken. Sie machte sich Sorgen um die Zukunft ihrer Nichte. . . was, wenn Voldemort nicht nochmals von Harry Potter besiegt wird? Und selbst wenn, der Junge war vierzehn oder fünfzehn, bis er ihm gewachsen war, würden Jahre vergehen.
Plötzlich wirkte es unangenehm still in der Wohnung ohne das schrille Telefon. Augusta steckte sich die Gabel in den Mund und griff mit der freien Hand nach ihrem Zauberstab neben sich.
Das Radio sprang an und Madonnas Like a Prayer erfüllte die Wohnung.

Sie ließ den Zauberstab in ihren Schoß fallen und stach mit der Gabel nach dem zweitletzten Stück der Torte, bevor sie das Buch weglegte und sich zu ihrem Bett umdrehte, das mit vollgeschriebenen Blättern übersät war. Einige davon waren aus Büchern gerissen, andere trugen ihre Handschrift und einige waren aus Büchern gerissen und von ihr mit weiteren Notizen ergänzt worden. Viele der Seiten stammten aus einem Buch, das sie vor ein paar Jahren in einem Geschäft gekauft hatte, das selbst ihr fast zu zwielichtig gewesen war. Sie hatte es gelesen und in eines ihrer Regale gestellt, ohne weiter daran zu denken, aber jetzt war es wieder relevant.

Die Hexe streckte sich, um ein paar der Blätter in die Hand zu nehmen. Das Buch war voll gewesen mit teilweise wirren Theorien über das Zeitreisen und Augusta hatte eine Zeit gebracht, um draus zu kommen, aber ein paar der Theorien könnten sogar funktionieren. Sie hatte sich über Zeitreisen informiert. Die einzige offizielle Methode waren die Zeitumkehrer, mit denen man aber nicht mehr als fünf Stunden zurückspringen konnte, da ein Zeitsprung ansonsten körperlich gefährlich wurde. Dann gab es die Rotberg-Uhr, mit der man - angeblich - tatsächlich mehrere Jahre in die Vergangenheit springen konnte ohne körperliche Probleme, aber sie war schon lange verschwunden und möglicherweise sogar zerstört. Beide Mal durfte man seinen Vergangenheits-Ich nicht treffen, da man sonst verrückt werden konnte und beide waren keine Option aus den genannten Gründen.

Die Idee in der Vergangenheit zurückzureisen kam ihr vor einem Monat mitten in der Nacht, fast eine Woche, nachdem sie Dumbledore einen Besuch abgestattet hatte. Sie war aus ihrem Bett gesprungen und hatte die Regale nach dem Buch abgesucht.
Sie sah auf das alte Papier mit der krakeligen Handschrift. Etwas Dunkles war an mehreren Stellen auf die Seite getropft und Augusta hatte eine Ahnung, worum es sich bei der Flüssigkeit handelte. Es war mehrere Male in den Schriften erwähnt worden: Blut.

Sie spießte das letzte Stück Kuchen auf, bevor sie den Teller zu sich zog.
Entschlossen setzte sie ihren Zauberstab ans Handgelenk, der brennende Schmerz des Schnittes ließ ihr Herz umso schneller schlagen. Sie konnte die Nervosität in ihrem Bauch spüren, versuchte aber, sie zu unterdrücken. Das Blut tropfte auf das Porzellan und vermischte sich mit den Resten der Sahne. Sie blickte auf den Papierstapel vor sich, über das ganze Buch verteilt waren Zeichen gewesen, die Augusta teilweise bis jetzt nicht kannte, aber das brauchte sie auch nicht, um sie anzuwenden.

Sie tunkte zwei Finger in die kleine Lache aus Rot und fing an, sie auf ihren Körper zu zeichnen; zwei auf die Stirn, eine aufs Kinn, eine lange auf das Sternum, auf die Unterarme, Schultern, Hüfte und selbst eine auf den Fuß.
Wenn alles wie geplant funktionierte, würde sie fast 17 Jahre, in das Jahr 1978 gebracht werden. Sie wusste nicht, wer damals in dieser Wohnung gelebt hatte, aber das könnte sie mit einem Oblivate einfach lösen. Ihr Vergangenheits-Ich würde gerade in sein letztes Jahr in Hogwarts aufbrechen, solange sie sich also von da fernhielt, sollten sie sich nicht über den Weg laufen. Sie wusste nicht, wie sich die Zeitreise auf ihrem Körper auswirken würde, aber momentan war es ihre einzige Hoffnung. Wenn sie es schaffte, in der Zeit zurückzureisen und alle Horkruxe zu zerstören, hätten sie eine Chance, ihn ein für alle Male zu töten.

Eine Sekunde lang lauschte sie mit erhobenem Zauberstab der Musik und schloss die Augen. Sie spürte wie die Nervosität ihren Brustkorb zusammenschnürte und wie ihre Finger kalt wurden.
Mit immer noch geschlossenen Augen sagte sie den ersten Teil der Zauberformel. Es war in einer Sprache, die sie nicht kannte, möglicherweise aus der semitischen Sprachfamilie.

Es passierte nichts. . .

Sie fühlte sich immer noch gleich und auch R.E.M. sangen noch genau dasselbe Lied im Radio. . . aber sie wurden immer lauter und die aufgezeichneten Symbole wurden immer wärmer. Augusta hielt die Augen zusammengekniffen, auch als sich der metallene Geschmack von Blut in ihrem Mund ausbreitete.
Die Musik schwoll weiter an und die Zeichen fühlten sich an wie eine Brandmarkierung. Sie hustete und konnte das Blut deutlich auf ihrer Zunge spüren, während sie den Zauberstab krampfhaft hielt. Sie musste sich konzentrieren, sie musste atmen!
Als Anweisung für den zweiten Teil der Zauberformel stand nur: Sprich erst dann, wenn du nicht mehr kannst.
Sie hatte das Gefühl gleich an dem Blut zu ersticken, das Atmen ging nur noch schwer.
Das wäre ein erbärmlicher Weg zu gehen, dachte sie sich, als sie die Schultern strafte. Die Musik war mittlerweile so laut, dass sie kaum noch ein Wort verstand.

Sie brauchte zwei Anläufe, um genug Luft zu holen für die letzte Formel. Die Symbole brannten sich währenddessen immer weiter in ihre Haut, dass sie das Gefühl hatte, man müsste sie auf ihren Knochen sehen können.
Sie versuchte die aufkommende Panik zu unterdrücken, als sie kaum noch atmen konnte und nach und nach jeder ihrer Sinne ausgeschaltet wurde.

Als sie die letzten Worte sagte, konnte sie nicht unterscheiden, ob sie die Augen immer noch geschlossen hatte oder nicht, ihr ganzer Körper war taub und die Musik war zu einem einzigen lauten Pochen in ihren Ohren geworden. Das Einzige, was sie noch wahrnehmen konnte, war der metallene Geschmack in ihrem Mund, als sie an ihrem eigenen Blut erstickte.




A/N: Damit wir alle auf einem Stand sind (und das ist Kanon): in 1978 hat Voldy nur 5 Horkruxe. Harry war damals ja noch nicht am Leben und Nagini wurde ahnscheinend erst 1994 erschaffen. Als hat es nur das Medaillon, den Ring, das Tagebuch, den Kelch und das Diadem, die sie finden (und zerstören muss).

Who wants to live Forever? | Regulus BlackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt