Kapitel 5: Geschichten

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Ich wählte den entsprechenden Kontakt und drückte den Anruf-Button. Es kam ein Freizeichen und ca. 5 Sekunden später nahm er ab. "Melanie?" kam eine verwirrte Stimme vom anderen Ende der Leitung. "Hey, Florian, ich hoffe ich habe dich nicht geweckt. "Ne, alles gut, ich war noch wach. Warum rufst du denn an?" kam Floians Stimme aus dem Hörer. "Ähm, ich sitze in der Notaufnahme vom Krankenhaus und darf weder selbst, noch Taxi oder Bahn fahren und wenn mich keiner abholen kann, wird die Polizei mich überführen." "Okay ich bin in 20 Minuten da." teilte Florian mir mit. "Danke, tausend Dank!" Bedankte ich mich. "Kein Ding." erwiderte er. Ich gab dem Arzt Bescheid, dass ich abgeholt werden würde, erkundigte mich nochmal nach dem Mädchen und erfuhr, dass sie immer noch nicht wieder bei Bewusstsein war. Ich verließ das Krankenhaus und setzte mich draußen auf eine Bank, um zu warten. Ich war so in Gedanken vertieft, dass ich nicht mal merkte, dass Florian vor mir aufgetaucht war. Er sprach mich an und ich zuckte zusammen. Mir entfuhr bei dem Zusammenzucken ein schmerzerfülltes Stöhnen. "Alles okay?"fragte er. "Is eher mittelprächtig" antwortete ich. "Jetzt erklär mir mal bitte, warum ich mitten in der Nacht zum Krankenhaus kommen soll, um dich abzuholen." verlangte Florian zu wissen. "Also, das war so: nach unserem Gespräch auf dem Tempelhofer Feld bin ich zur Bahn, eigentlich wollte ich direkt zum Hotel, ich war so müde und wollte einfach nur schlafen. Ich bin fast schon in der Bahn eingeschlafen und als sie in meine Haltestelle eingefahren ist, habe ich einen pöbelnden Betrunkenen gesehen. Erst hab ich mir nicht viel dabei gedacht, doch als er anfing ein Mädchen zu bedrängen und sie immer weiter in die Ecke drängte und schließlich auch noch anfasste bin ich dazwischen gegangen. Ich hab gesagt, dass er verschwinden soll, doch dann hat er ein Messer gezückt und hat es auf das Mädchen gerichtet. Ich hab ihm zugerufen, dass ich die Polizei rufen würde, wenn er sie nicht in Ruhe lässt, doch er hat mich nur als Schlampe bezeichnet und ging weiter auf das Mädel zu. Ich hab die Nummer gewählt und gesagt, es wäre seine letzte Chance, um zu verschwinden, da hat er das Mädchen sehr hart geschubst und sie ist auf den Boden geknallt." Gebe ich Florian eine Kurzfassung des Erlebnisses vom heutigen Tag. "Das ist krass, aber warum bist du im Krankenhaus gelandet und warum muss ich dich von hier abholen? " fragte Florian weiter. "Naja, der Typ ist an mir vorbei gerannt und hat mir dabei sein Messer in den Arm gerammt. Keiner hat geholfen oder auch nur die Polizei gerufen. Ich habe sie selbst angerufen und einen Krankenwagen noch dazu. Mein Arm wurde notdürftig verarztet und ich habe den Typen beschrieben und angezeigt, anschließend bin ich zusammen mit dem verletzten Mädchen in die Notaufnahme gekommen. Dort saß ich einige Stunden, jetzt ist mein Arm immer noch halb taub wegen der Betäubung und ich darf nicht allein nach Hause, beziehungsweise ins Hotel fahre, selbst nicht mit der Bahn." beendete ich meine Erzählungen. Florian schaute mich halb entsetzt und halb verwundert an. "Was? " fragte ich. "Du hast eingegriffen und dich selbst in Gefahr gebracht, du hast selbstlos gehandelt und nicht einfach weggeschaut, als was passiert ist." Er sah mich eindringlich an. "Florian! Was denkst du bitte? Ich hasse Menschen, die andere verletzten oder runter machen, nur um ihr eigenes Ego aufzupolieren!" rufe ich, fast außer mir. "Flo." sagte er bloß. "Was?" fragte ich, sichtlich verwirrt. "Nenn mich Flo, ich mag es nicht, wenn mich bei meinem kompletten Namen nennt, dann fühle ich mich immer, als hätte ich etwas verbrochen." erklärte er. Ich musste schmunzeln. Auch auf seinen Lippen lag ein schiefes Grinsen. "Okay" gab ich zurück. Ich sah auf meine Uhr und stellte fest, dass die Zeit erbarmungslos fortgeschrittenen war. Es war mittlerweile nach 4 Uhr nachts. "Heilige Scheiße!" entfuhr es mir. Jetzt war es Flo, der mich verwirrt anschaute. "Was' n los?" fragte er mich. Ich sah auf. "Abgesehen vom Offensichtlichen, meine ich" fügte er hinzu. " Es ist schon nach 4 Uhr morgens und ich sollte eigentlich total fertig zusammen klappen, was ich nicht tue. Ich verspüre nicht mal einen Anflug von Müdigkeit, was seltsam ist. Und statt zu hause zu sein und zu schlafen, befinde ich mich in einer eigentlich total absurden Situation vor einem Krankenhaus mit einem Fremden, dazu noch in einer fremden Stadt, aufgrund einer seltsamen Geschichte, die der so ziemlich größte What the Fuck Moment meines Lebens ist und die einfache alles, was ich bisher von meinem Eltern wusste, in Frage stellt." gab ich zur Antwort. Er schaute mich fassungslos an. "Was?" wollte ich wissen. "Ehm ich bin so ein wenig sprachlos. Ich dachte du bist hier, weil du Frodse unbedingt kennen lernen willst?" es war eher eine Frage, statt einer Aussage. "Es war eigentlich mehr die Flucht von Zuhause, weil ich Abstand von meinen Eltern brauchte und sie mir die Tickets zum Geburtstag geschenkt haben." erklärte ich. "Du hattest Geburtstag? ". "Jap gestern." beantwortete ich seine Frage. "Is irgendwie nich so geiles Timing von ihnen gewesen. " stellte er fest. Ich nickte nur stumm. "Aber warum solltest du abklappen?" fragte er auf ein mal. "Naja, ich hab in meinen 18. rein gefeiert und die Nacht davor hatte ich auch schon durch gemacht und eigentlich sollte ich Todes müde sein. Aber statt dessen sitze ich hier und bin hellwach. " erläuterte ich. "Wir sollten fahren, und du solltest schlafen. " bestimmte er. Wieder nickte ich nur, er hatte recht, da gab es nichts zu zu sagen. Er ging vor und ich folgte. Sein Auto hatte er etwas weiter weg geparkt, kaum saß ich im Sitz, merkte ich, wie der Adrenalinschub nach ließ, der mich die ganze Zeit im Krankenhaus wach gehalten hatte, ich wurde müde, endlich. "Ich muss noch tanken, ich hab grad gesehen, dass ich nur noch auf Reserve fahre." informierte mich Flo. "Okay. " sagte ich und unterdrückte ein Gähnen. Das stetige brummen des Motors begleitete mich in den Schlaf. Als ich die Augen wieder öffnete, war ich verwirrt. Wo zur Hölle war ich?!

Überraschung: Du hast einen BruderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt