»Die Gäste lieben meine Getränke. Ich meine, das taten sie schon immer, oder? Aber ich habe das Gefühl, als würden sie erst jetzt tatsächlich etwas bewirken.« Enya trug ein breites, zufriedenes Grinsen auf dem Gesicht. »Zum Beispiel Jasiel. Oder die Frau, die gestern hier war. Mein Pfefferminztee hat sie sofort fröhlich gestimmt.«
Ich musste ihr da zustimmen. In den ersten Jahren hatte ich mich um die Getränke gekümmert, doch damals waren sie bloß Nebensache gewesen. Nun war es an Enya, den Gästen etwas zu servieren, und es spielte auf einmal eine größere Rolle. Sie half den Gästen oft, wenn auch unterbewusst. Mittlerweile war Enya so gut geworden, dass ich manchmal das Gefühl hatte, ich bräuchte gar nicht mehr mit den Seelen zu sprechen. Was natürlich nicht der Fall war.
»Du hast dich wirklich gebessert«, sagte ich lächelnd zu Enya und zog einen Vorhang auf. Sonnenlicht strömte in das Café und erklärte es somit offiziell für geöffnet. Es war früher Morgen; die letzten Sterne wurden vom Sonnenlicht verschluckt. »Mh, hast du«, stimmte auch Lian zu, doch dey klang abwesend.
»Ich habe ein paar neue Zutaten gefunden. Ich habe bemerkt, dass Sonnenlicht morgens besonders gut schmeckt. In Kaffee oder Tee ist das die beste Ergänzung.« Enya klatschte begeistert in die Hände. Ihre Gelassenheit war so ansteckend, dass ich nur grinsen konnte. Ich blickte auf die leeren Tische und fragte mich, wer heute wohl auftauchen würde.
»Althea«, sagte Lian plötzlich. »Kann ich mich heute zu dir und der Seele setzen und vielleicht auch mit ihr reden? Ich stehe sonst immer den ganzen Tag rum.« Dey klang unglaublich müde, sodass ich unwillkürlich zusammenzuckte. Ich war überrascht, dass dey sowas fragte, weshalb ich dey für einen Augenblick bloß anstarren konnte, bevor ich mich wieder fing. »Natürlich darfst du das.«
»Gut.« Dey verzog deren Mund zu einem schwachen Lächeln. Ich lächelte zurück, und für einen Moment war es ganz still im Café, bis ich eine Glocke hörte und sich die hölzerne Tür zaghaft öffnete. Eine Frau trat herein. Ihr schwarzes Haar war von silbernen Strähnen durchzogen, ihr Gesicht vom Alter geprägt. Ihre braunen Augen waren von blau umrandet und blass. Sie trug eine eckige Brille, die sie ernster wirken ließ. »Ist das hier der Himmel?«, fragte die Frau interessiert.
»Nicht ganz so, wie du vielleicht denkst. Wir sind hier im Dazwischen«, erklärte ich. Die Frau schloss die Tür hinter sich und ließ den Blick durch den Raum wandern. »Wie schön hier«, sagte sie. Dann fiel ihr Blick auf uns, und sie beäugte uns neugierig. »Seid ihr Engel?«
Enya kicherte neben mir. »Oh, danke. Aber nein, ich schätze, wir sind bloß gewöhnliche Menschen.« Sie breitete die Arme weit aus. »Dies hier ist das Elysia. Herzlich willkommen!«
Die Gesichtszüge der Frau entspannten sich. Sie setzte sich an einen Tisch, wir drei setzten uns zu ihr. Ich sah die Unsicherheit in Lians Augen und bemerkte Enyas Nervosität. Dennoch blieben sie am Tisch. »Ihr sprecht meine Sprache so gut«, bemerkte die Frau plötzlich, »vollkommen akzentfrei.«
Lian hob die Hände. »Für uns klingen alle Sprachen gleich. Früher habe ich mich gewundert, warum alle dieselbe Sprache sprechen, die hier landen. Aber anscheinend können wir automatisch die Sprache der Seelen sprechen, die sich hier befinden, ohne es zu merken.« In deren Stimme schwang ein stolzer Unterton mit.
»Das ist ja... wie sagt man heutzutage? Cool.« Die Frau nickte anerkennend. Dann nahm sie ihre Brille ab und holte gefasst Luft. »Seid ihr hier, um zu entscheiden, ob ich in den Himmel oder in die Hölle komme?«
Lian blickte überfordert zu mir. Ich hatte mich zurückgelehnt und überlegte mir meine Worte genau. Ich hatte bereits einige Seelenbesucher gehabt, die diese oder ähnliche Fragen gestellt hatten. Ich konnte weder bejahen noch verneinen, da die Antwort komplizierter war als gedacht. Viele trennten das Licht und nannten es Himmel und Hölle, Elysium und Tartarus. Für manche war das Licht ein schöner Ort, für andere weniger. Ob es damit zu tun hatte, ob die Person Schlechtes oder Gutes getan hatte, wusste ich nicht. Schließlich fielen wir letzten Endes alle in die Kategorie »Mensch«. Welche Taten waren gute, welche schlechte? Alle sahen es anders.
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The Café between the stars
FantasyWohin kommt man, nachdem man stirbt? Eine Frage, welche bereits öfter gestellt wurde, als man denkt. Ein Rätsel, über dies sich bereits viele den Kopf zerbrachen. Als Besitzerin des Cafés zwischen den Sternen weiß es Althea ganz genau. Bevor man in...