Kapitel 5

104 1 3
                                    

Die Tränen waren vergossen und mein Kopf war leer. Noch immer saß ich angelehnt auf dem Küchenboden, den Kopf in meinen Händen vergraben. Mein Kopf pochte und auch mein Körper war erschlafft.

Ich musste mich zwingen aufzustehen. Mit verschwommenen Augen sah ich auf die Uhr. Ich hatte beinahe eine halbe Stunde dort gesessen. Wackelig torkelte ich die Treppe hinauf und in mein Zimmer. Mit trauriger Miene begutachtete ich mein Bett, was mich förmlich anflehte mich hinzulegen und in der weichen Matratze zu versinken, doch auch das ignorierte ich. Schnell griff ich nach meinem Handy und Kopfhörern.

"Erst die Aufgaben, dann das Bett" ,murmelte ich wie im Mantra zu mir selbst, versuchte mich selber zu motivieren. Ich wagte es nicht Nikolas Zorn erneut auf mich zu nehmen. Er war von Anfang an grob zu mir gewesen, doch der Schlag gegen meine Wange brannte sich fest in meinen Kopf. Ich hatte Angst. Schreckliche Angst vor diesem Mann.

Mit leiser Musik auf beiden Ohren räumte ich den Tisch ab. Gerade hatte ich das letzte Geschirr verräumt, als mir mein Handy mitteilte, das ich eine Nachricht hatte. Gelangweilt sah ich auf Whatsapp, als mein Herz schneller anfing zu schlagen und die Müdigkeit beinahe verflog. Matti!

Hey mein Freund. Ich habe gerade Pause und wollte Fragen, ob ich nach der Schule vorbeikommen kann. Dein Pool scheint mein neuer bester Freund werden zu wollen ;)

Schmunzelnd tippte ich eine Antwort und steckte mein Handy wieder weg.

Und ich dachte, du würdest mir treu bleiben :<

Als hätte Mattis Nachricht etwas in mir mit Kraft erfüllt, wischte ich den Tisch und begann mitzusingen und die hüfte zu Schwingen. Er hatte wohl bei der Hitze den gleichen Gedanken wie ich.

Es war kurz nach eins, als ich das Haus blitzeblank gesäubert hatte, sogar das Badezimmer hatte ich sauber geschrubt. Völlig fertig ließ ich mich in mein Bett fallen, Matti käme gegen halb drei, nur ein kurzer Mittagsschlaf, redete ich mir ein. "Scheiß Jetlag" ,gähnte ich noch, ehe ich die Augen schloss und in tiefer Schwärze versank, die mich schlucken wollte.

---

Ein plötzliches Gewicht auf mir weckte mich. Panisch schlug ich um mich, spürte die Luft aus meinen Lungen weichen und dann auf einmal kitzelnde Hände, die sich unter mein T-Shirt schoben.
"Hey" ,quiekte ich auf und versuchte den Fingern so gut wie es ging zu entkommen.
"Na du kleiner Langschläfer?" ,kam es lachend von dem Stein auf mir. "Langschläfer, von wegen" ,grummelte ich nur beleidigt, "Das nennt man Jetlag" und dann drehte ich mich abbrupt auf den Bauch.

Das sorgte dafür, das mein bester Freund vom Bett viel und sich lachend auf diesem herum rollte. Ein grinsen schlich sich auf meine Lippen als ich ihn so rumkugeln sah. Seine Haare lagen zerzaust auf seinem Kopf und durch sein weißes T-Shirt konnte ich seine Haut leicht schimmern sehen. Matti war der sportliche von uns, denn ich entdeckte einen leichten sixpack, der vor einem Jahr noch nicht gewesen war. "Na du Wurm?" ,foppte ich, während ich entspannt an der Bettkante lag und mir das Lachen stark verkneifen musste.

"Wer zuletzt im Pool ist, ist ein Opfer" ,rief Matti nur auf einmal und rannte los. Obwohl ich wusste, ich würde das Wettrennen verlieren, ohne überhaupt eine Badehose angezogen zu haben, rannte ich ihm hinterher, hörte ihn bereits die Treppe runterpoltern. Matti war Fußballspieler, der konnte rennen wie kein anderer.

Keuchend kam ich am Beckenrand an und stürzte mich, in meinen Klamotten ins blaue nass. Matti nutze die Gelegenheit und tunkte mich unter. Keuchend kamen wir beide zur Luft und fingen laut an zu lachen.

Plötzlich sahen wir uns an und verstummten. Ich sah in seine hellblauen Augen, hatten sie schon immer eine so intensives Ozeanblaue färbung gehabt? Er tat es mir nach und starrte beinahe auf den Grund meiner Seele. Es war nicht unangenehm, aber irgendwas in meinem Bauch flatterte warm auf.

StepfatherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt