Dynamit

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Verdammt mein Herz brennt, es zehrt von mir, zu viel um es noch länger zu ertragen. Mein Brustkorb spannt, es ist dieser unermessliche Druck der mich immer tiefer treibt. Immer mehr Last, noch mehr Gewicht, so als müsse ich das Innere der Erde auf meiner Brust wiegen. Dieser eine Schwur, dieses eine Versprechen bleibt für immer verloren, gebrochen von einem Schicksal, welches nie mir gehören sollte.

Erzähl mir bitte nur noch einmal diese eine Geschichte, dieses spezielle Märchen, damit ich noch ein einziges Mal ruhig schlafen kann. Bitte Gewähr mir noch eine traumlose Nacht, gib mir nur ein einziges Mal einen Schlummer ohne Verhängnis. Bitt, ich flehe dich an, hab Gnade, lass Gnade walten, ich spreche in Demut zu dir, lass mich frei. Dieses eiserne Gefängnis ist es was ich in mir trage, was mich erdrück und dann ersticke, verbrenne, zergehe ich, langsam, unheimlich. Warum überhörst du mein Flehen, mein Bitten. Verdammt siehst du es nicht, siehst du MICH nicht, wie ich um den letzten Atemzug ringe, wie ich mit allerletzter Kraft versuche zu schwimmen, wie die dunklen Fratzen schon hinter dem Schleier lauern? Warum siehst du nicht hin, warum gestehst du es mir nicht zu, eine Erlösung aus der Höhle, an deren Wänden die Schatten tanzen. Schon so lange leid die Illusion noch länger zu ertragen, schließe ich die Augen. Denn ich brenne, mein Körper ist Dynamit und alles wird zergehen in einer Detonation aus Verderben und Vergessen, sobald ich die Augen wieder öffne.

Denn sobald die Erinnerung schwindet, bin ich nichts mehr, bin noch weniger als nichts und verglühe in Abertausenden von Sternenpartikeln gleichzeitig. Mehr als das war ich nie und werde es nicht sein, bin Gedanke und Extrakt und alles dazwischen und keines davon wirklich. Die Umgebung sondierend in einer willkürlichen Welt, in der findige Geister erahnen, wie trivial sie diese ist. Eine Neutralität, welche zutiefst schmerzt. Mein Innerstes nach außen stülpend gebe ich ihr alles, was ich zu geben bereit bin und verlange nichts zurück. Bin blind und taub und versinke immer weiter, bis nichts mehr von mir übrig bleibt und so verschenke ich alles was ich habe für immer. Denn das was bleibt, wenn ich alles gebe, ist nur ein Gedanke, eine Vorstellung und nichts weiter was je mehr gedacht würde. Sag mir erträgst du diese Vorstellung? Eine ohne Weite, eine ohne tiefes Begräbnis, ohne Trauer und Reue?

Es ist so schwer, so unerlässlich schwer und doch furchtbar leicht und ich verstehe es und glaube es doch nicht. Was auch immer ich fühle, es gleicht einem Orkan auf offener See, genügend Raum, ausreichend Platz um sich vollumfassend auszubreiten und alles mit sich zu reißen. Und wenn ich mich dann endlich verwandle und die ersten Krokusse erblühen, dann bricht die Wolkendecke über mir auf und gibt mich endlich frei. Frei in eine Herberge ohne Wirt, frei in ein famosen Garten voller Farbe, so zaghaft und gütig und pflückst du dir ein einzelnes Blatt aus dieser Weltenseele, so wirst du erzittern. Davor, dass nur dieser kleinste Teil dich als Ganzes spiegelt. Verrat mir dein innigstes  Geheimnis, Verrat mir aus was du gemacht bist, was du wirklich bist und wieso? Und jetzt sprich zu mir, als wüsstest du wovon, so als ob es dich nicht bedrückt, darüber nachdenken zu müssen was du im Wesen in dir trägst. Und nun erblicke, sieh genauer hin, jetzt sieh nur diese Blüte, dieses tosende, wallende Meer. Verdrängt ist diese unerträgliche, ungetrübte Melancholie diese so fatale Sehnsucht, die dich zu zerreißen droht. Denn alles in dir, jede Faser, dein ganzer Wille schreit danach, schreit nach einer warmen Berührung, nach einer zarten, erblühenden Rücksicht. Lass mich dich in den Arm nehmen und wiegen, bis der Morgen wieder graut und die Nacht in ihrer Dunkelheit überstanden scheint. Und du wirst sie nicht mehr fürchten müssen diese zähflüssige Realität, weil ich es bin, die dich hält und behütet. Du wirst dich endlich befreien können, von diesem unerträglichen Kummer. Lass mich dir die Hand reichen und nur wenn du sie ergreifst verspüre ich Bedeutung. Denn nichts gibt mir mehr Halt, als das Wesen eines Gleichgesinnten.

Und da ist sie wieder diese zarte Melodie, dieser so träge Schein, diese süße Schwere warmer Sommertage. Dann, wenn der Kopf und die Glieder schwer und träge sind und du nichts mehr riechst, außer das Grün des Grases und nichts mehr hörst, außer dem Rauschen der Wellen, wie sie rhythmisch immer wieder zu dir zurückkehren. Du liegst auf warmen Sand und deine Finger tasten erstaunt den so feinen Sand unter ihren Kuppen, alles was du fühlst ist ruhig und tief und dankbar und träge. Wärme, kein Lodern erfüllt dein Herz, gleichsam der  Erinnerung an kalten Atem in trockenen Wintertagen. Und du begrüßte das alles, öffnest jeder Empfindung bereitwillig deine Türen, weil du fühlst und liebst und lebst es so herrlich klar und so wunderbar einfach ist.

Nur die Luft zum Atem und das Rauschen der Blätter und die Sonne auf deiner Haut, nur das und du und der Wald und der Winter, der Sommer und der Herbst. Nur du und diese Melodie, die dich trägt, die dich nie erwachsen werden lässt, weil du dich immer wunderst und dich immer wunderbar wundern wirst. So wie du es schon immer getan hast und immer tun wirst, weil du es bist und du bist ich und ich bin du und wir sind einander und einander halten wir bei der Hand und lassen nicht mehr los. Denn nur das ist es, was Bedeutung gibt. Da ist kein Wissen, keine mathematische Formel, da ist das Leben in seiner rohen und fragilen Form und will verstanden werden und wir werden uns nicht davor verschließen, wir werden leiden und lachen und alles fühlen bis ins kleinste Detail, weil es das ist was uns frei macht. Weil es das ist, was uns bestimmt ist. Denn was von uns bleibt ist unbestimmt und was wir sind bleibt unergründlich, doch was wir wollen eint sich einander und das ist wahrhaftig und lohnend.

Und auch wenn es noch immer brennt und schmerzt, brennt und brennt, immer wieder und unaufhörlich, so lebe ich mit diesen Schmerz, jener Inbrunst, begrüße alles was mir auf meinem Weg begegnet, denn es gehört unwiderruflich zu meinem Weg. Es gehörnt zu mir und ich kann es nicht durchtrennen, denn es ist mein Fleisch und Blut und ich liebe es so sehr wie ich es hasse. Denn ich liebe dieses einzige Wunder, diese letzte Geschichte, den Hauch der Fülle und den der Leere gleichermaßen und ich möchte nicht den winzigsten Teil davon verpassen, möchte keine Katastrophe missen, möchte alles Glück in mir vereinen.

Denn ich liebe es, wie ich es fassen kann, so sehr, dass ich mich verbrennen lasse, dass ich es herbeisehne wie es mich edrückt und ich darin ertrinke. Denn nur so sehe ich mehr Farben, als jeder andere, nur so sehe ich mehr Blätter, mehr Zufall und mehr Zusammenhang, als sonst jemand und nur das gibt mir die Bereitschaft wieder aufzustehen, wenn ich am Boden liege. Denn es ist so schön, siehst du nicht wie schön es ist. Bedrückend und beglückend schön, so schön, dass niemand je eine Begrifflichkeit, je eine Beschreibung dafür finden könnte. Ich trauere nicht mehr um Vergangenes, sehe nichts zukünftiges mehr herbei, denn ich bin jetzt und jetzt bin ich mehr als ich je sein wollte und je sein könnte. Alles an mir ist echt und alles daran wahrhaftig. Nichts davon wahrscheinlich, aber alles so unglaublich nah und ich kann nicht mehr ohne. Träge Lider bestaunen die Gegenwart. Es ist ein Fiebertraum der immer währt und immer in mir lebt, wie etwas lebendig entartetes. Etwas bebt, lässt den Boden erzittern und es zerspringt und ich falle. Immer weiter ins Bodenlose, ohne Sinn und ohne Halt und dort wo ich lande ist es ruhig und betörend still. Wir kennen einander schon lange, und unsere Berührung eint uns bis in alle Ewigkeit. Stolz betrachte ich das Werk vor mir und dem ist nichts hinzuzufügen, es leuchtet von innen und erhellt jeden Raum. Wieder und wieder fallen wir ineinander und auseinander und nachdem wir es wieder ordnen, zerfällt es zu Staub. Diesem glitzernden Wirbel aus zahllosen Partikeln, die den Neben bilden, in den wir zu Fallen bereit sind. Es brennt und brennt und es lodert und zürnt und ich bin dankbar, habe nichts je mehr geliebt und werde daran verkommen und erblühen, wie das Leben selbst. Weil nichts stärker ist und nie etwas mehr Halt verspricht.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 12 ⏰

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