Wie ein Stück Papier im Wind schwebend, treibt es sanft in erratischen Stößen vor sich her.
Neugierig beobachtest du das schwerelose Schauspiel, während alles um dich herum in Hast an dir vorbeizieht.
Nur willkürlich fängst du die angestrengten Blicke der hetzenden Menschen ein. Jenen Menschen, den man zumeist ansieht, dass ihnen der Druck der Zeit im Nacken sitzt. Doch du bist indessen ganz still, nur dein Herz pumpt in fleißigen Schlägen das Blut durch deinen Kreislauf und deine Lunge den Sauerstoff in deine Zellen. Kein Muskel ist angespannt, alles sitzt locker an deinem Körper, der gelöst ist von allem, was um ihn herum passiert. Die schon etwas morschen Holzpaneele der Bank unter dir tragen dein Gewicht mit Kontinuität und Leichtigkeit. Hier wartet keine Verpflichtung, kein Wagnis, auch jegliches Begehren ist mittlerweile anachronistisch. Deine Wahrnehmung reduziert sich auf die Präsenz der frischen Luft und das sachte Schattenspiel der Bäume und Häuser vor dir. Wie lange Fühler strecken sie sich zu allen Seiten hin aus, streichen mit gleichmäßiger Geschwindigkeit über den Boden, dabei im Gleichschritt mit dem Lauf der Sonne über dir fortschreitend. Es ist schwer sich an irgendetwas zu erinnern, noch schwerer über etwas nachzudenken, weder über das was dich in Zukunft erwarten würde, noch über das was jemals war. Momentan existiert nur dein Geist, mit der Wahrnehmung jener sanften Brise auf deiner Haut, welche auch das Blatt Papier weiterhin in einem sachten Rhythmus schweben lässt. Kaum berühren die Ecken seiner hexagonalen Form einmal den Boden, erhebt es sich wenig später auch schon wieder in die Luft. Die Wärme auf deiner Haut wiegt dich in Sicherheit, dein Inneres selbst bettet sich darin, die Art des gänzlich Unaufgeregten genießend. Einige nur wenige Blicke bleiben auf dir haften, um doch nur schnell in reger Betriebsamkeit weiterzuziehen. Auch wenn es sich denken ließe, da ist keiner der auf dich warten würde, keine Verabredung, kein Treffen, dir jedenfalls nicht erinnerlich. Das geschlossene Schauspiel dieser plastischen Szenerie legt sich einfach wohlig um dich und deinen Geist, wie ein Schleier des Vergessens, der ewigen Sorglosigkeit, des permanenten Gewahrseins. Das Spektrum an Farben, jede einzelne Regung, all die simultan ablaufenden Begebenheiten, alles transzendiert dich mit einer harmonischen Melodie und du bist dankbar dafür gelernt zu haben, wie man zuhört. Wie ein Gefäß, welches sich sanft befüllen lässt. Bewusst über die Unausweichlichkeit jenen Punktes, an dem du ablässt und dich weiterbegibst, sobald es gänzlich voll sein würde.Hier schreibt keiner Geschichte, kein enormes Ereignis passiert, welches im Folgenden die Klatschspalten der Presse füllen würden. Nichts abnormes, sondern vielmehr nur limitiert zusammenpresste Normalität. Im Grunde genommen passiert für die Wahrnehmung der subjektiven Realität der Vielen sehr wenig, doch für die Wahrnehmung des Einzelnen seiner substanziellen Komplexität, sehr viel. All das kann dein Geist erfassen, können deine Augen sehen. Und auch dafür bist du dankbar. Zu gerne würdest du spielerisch die Finger ausstrecken, das tänzelnde Blatt Papier auf der anderen Straßenseite berühren und dich mit ihm in die haltlose Verzückung begeben, in welcher es vor sich hin schwelgt. Keinen direkten Befehl erteilend, dich des Automatismus bedienend, welcher deine Füße erreicht und sie sich heben lässt, raffst du dich auf. Du betrachtest die schwarze konturreiche Säule vor dir, deren Gegenstück auf der anderen Straßenseite ein leuchtend rotes Symbol erscheinen lässt. Trotz der frontalen Einstrahlung der Sonne, ist das Zeichen kräftig und deutlich erkennbar. Lässig setzt du deinen Fuß, einen vor den anderen, auf den warmen Asphalt vor dir. Deine Ohren vernehmen zwar die sich verändernde tosende Atmosphäre, die plötzlich heftigen Reaktionen, den Geruch von verbrannten Gummi, doch nichts davon berührt deinen Geist wahrhaftig. Du gleitest weiter in die Materie aus Dualität, währenddessen sich die Zeit bis ins Unendliche zu dehnen scheint. Nichts passiert ganz schnell oder überraschend, du kannst jede Einzelheit der sich ändernden Punkte dieser Gegenwartskonstruktion wahrnehmen und aktiv durch dein Bewusstsein strömen lassen. Das Blatt Papier auf der anderen Seite fokussierend, vernimmst du die leichten Lichtschimmer, welche sich in perlmuttfarbenen Reflexen auf dem diaphanen Papier zu spiegeln scheinen. Bereit dein Herz zu öffnen um die Vielzahl an Farben in dir zu erfassen, lässt du deinen Geist noch ruhiger werden. Immer tiefer fallend in diese reine Quelle der Wahrnehmung, während alles um dich herum hohl und stumpf zusammenklebt. Den Schmerz gar nicht wirklich spürend, streckst du immer noch deine Finger aus in der Hoffnung es endlich berühren zu können. Und tatsächlich streifen deine Kuppen sacht über die glatte Oberfläche des Hexagons. Eine Berührung so hauchzart, dass du dir nicht mehr sicher bist, ob sie wirklich real ist. Doch das Prickeln auf deiner Haut verrät dir die Wahrheit. Wie flüssiger Bernstein überstülpt sich deine Haut mit feuchter Wärme, die Sonne über dir ist rückt ein Stück weiter, ihrem sich wiederholenden Zyklus folgend. Träge zieht sie die Schatten weiter mit sich. Der Geschmack von bitteren Metall benetzt deine Zunge, deine Wahrnehmung flackert, alles ist noch immer von weicher Watte umhüllt. Ferner ist da nach wie vor kein Gedanke, keine Ahnung von einer möglichen Zukunft oder dem Vergangenen. Die vom Asphalt abgestrahlte angenehme Wärme spürend, welche sich über deine gesamte untere Körperhälfte hinweg ausbreitet, liegst du in völliger Reglosigkeit da. Etwas oder jemand packt dich, entzieht dich jener Geborgenheit die du bis eben so herzlich willkommen hießt. Doch du lässt es geschehen, weil alles nur kontinuierlich unaufhörlich und unabdingbar geschieht. Es wird nicht mehr oder weniger geben als das Jetzige und darin findest du diese ewige Liebkosung einer so fiktiven Realität, welcher du jeher so ergeben gegenüberstandest und auch immer gegenüber gestellt sein wirst.
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Die Lumineszenz des Universums
Conto[Kurzgeschichten] Endlich schwerelos sein. Erratisch durch Zeit und Raum fliegen, wie ein Staubkorn im Äther. Sich dabei von Atmosphäre und Entität formen lassen, wie eine Schneeflocke im freien Fall. Leicht und unbedarft sein, der formlosen Grenzen...