Kapitel 17

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2010

Pov Höwedes:

"Kommst du nachher auch mit zu Joel?", fragte mich Manu auf dem Weg zu den Autos. Heute war ein Mannschaftsabend, den wir meistens ein bis zwei Mal im Monat veranstalteten, immer bei jemand anderem. Ich war bisher noch nicht als Austragestädte auserkoren worden, was aber vielleicht auch an meiner Wohnungsgröße lag.

"Nein tut mir leid, habe heute schon was vor."
Es war der erste Mannschaftsabend, an dem ich nicht teilnehmen würde, seitdem ich in der A-Mannschaft von Schalke bin. Die Abende waren auch immer super lustig und etwas, wofür ich mir gerne Zeit nahm, aber diesmal war mir doch etwas dazwischen gekommen. Oder wohl eher jemand. Jemand der in Dortmund wohnt und eindeutig zu viel schwarz, gelb trug. Für ihn musste dann auch mal der Mannschaftsabend weichen, beim nächsten Mal wäre ich dann wieder dabei.

"Oh okay. Schade, was hast du denn besseres vor?", wollte Manu wissen. Ich wusste nicht so recht, ob ich mein Vorhaben für heute Abend wirklich preisgeben sollte, zumal es schon ab und an Getuschel wegen Mats und mir gab, seitdem ich nach dem Derby mit zu ihm gefahren war. Andererseits vertraute ich Manu schon sehr, mit dem ich fast meine gesamte Zeit hier in der Schalker Jugend verbracht habe. Doch mein Schutzinstinkt war größer gegenüber der Sache.

"Ich fahre zu meinem Cousin, der hat Geburtstag."

Gut, es war nicht mal richtig gelogen, mein Cousin hatte tatsächlich morgen Geburtstag. Manu musste ja nicht wissen, dass mein Ziel woanders in Dortmund lag und ich ihn gar nicht besuchte. Tatsächlich gab der ältere sich damit zufrieden und wünschte mir viel Spaß auf der Geburtstagsfeier. Eine gute Zeit würde ich auf jeden Fall haben, nur nicht so, wie er dachte. An meinem Auto angekommen, verabschiedete ich mich mit einer kurzen Umarmung, bevor ich einstieg.

"Sauf nur nicht zuviel!", ließ es sich Manu nicht nehmen, mir noch hinterher zu rufen, doch das ignorierte ich nur. Das würde ich auf jeden Fall nicht tun, da brauchte er sich keine Sorgen machen.

-

Der Stau nach Dortmund rein raubte mir meine Nerven. Die gute Stimmung beim Losfahren verschwand so immer mehr ins nichts. Ich wollte doch einfach nur zu Mats. Durch das zweite Training am Nachmittag blieb uns auch gar nicht so viel Zeit und jetzt verschwendete ich auch noch unnötige Minuten in diesem Stau. Das Radio, welches im Hintergrund vor sich her plärrte, zog zusätzlich an meinen Nerven. Ich wollte keinen ach so lustigen Radiosprecher bei ihrem rumgealbere zuhören. Kurzerhand schaltete ich das Ding aus und wurde nur noch von dem Motorgeräusch meines Autos umgeben. Das war zumindest etwas besser. Hartnäckig schob ich mich von Ampel zu Ampel bis auf den ersten Schildern der Phoenix See ausgeschildert wurde. Das hieß für mich Zielsprint. Gott sein Dank. Mit einer Verspätung von fast 30 Minuten bog ich endlich in die Straße von Mats Wohnung ein. Etwas schief stellte ich meinen Wagen in eine freie Parklücke, aber das war mir sowas von egal. Ich stand nicht im Weg, das musste reichen. Keine 3 Sekunden nach dem Anklingeln wurde mir schon aufgemacht. Ganz so, als ob Mats schon an der Tür gestanden hatte. Mit meiner Tasche über der Schulter hüfte ich das eine Stockwerk zu dem Größeren hoch. Zu meiner Verwunderung begrüßte er mich aber gar nicht im Türrahmen sondern hatte nur die Wohnungstür aufgemacht.

"Hallo?!" , rief ich etwas unsicher in die Wohnung, bevor ich vorsichtig die Tür hinter mir schloss. Ich vernahm leise Stimmen aus dem Wohnzimmer, so als ob Mats gar nicht alleine war.

"Im Wohnzimmer!", hörte ich Mats nur rufen, weswegen ich meine Tasche im Flur stehen ließ und mich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch auf den Weg ins Wohnzimmer machte. Dort saßen Mats, eine jüngere Kopie von ihm und noch zwei andere Männer, die ich nicht kannte. Sofort überrollte mich eine Enttäuschung. Nicht, dass ich Mats Freunde nicht kennenlernen wollte, aber ich hatte mich so sehr auf ein paar Stunden Zweisamkeit gefreut und jetzt war das innerhalb weniger Sekunden niedergetrampelt worden. Warum hat Mats mich denn nicht wenigstens vorgewarnt? Dann wäre ich wenigstens mit anderen Erwartungen hierher gefahren.

"Hey!" wiederholte ich mich ungelenk, weil ich nicht wusste, wie ich mich nun verhalten sollte. Das einzige was klar war, dass ich unter diesen Umständen Mats nicht zur Begrüßung küssen konnte.

"Bene, das sind mein Bruder Jonas und Nils und Lukas, mit denen ich auch Volleyball spielen gehe", stellt mich Mats wenigstens vor. Sogar aufgestanden war er, um mich ganz Gentlemanlike zum Tisch zu führen. Da wäre mir eine Vorwarnung deutlich lieber gewesen.

"Wir sind gerade dabei Pizza zu bestellen möchtest du auch eine?", wandte sich die jüngere Ausgabe von Mats ohne Umschweife an mich. Sogleich bekam ich auch von diesem sein Handy unter die Nase gehalten, auf der schon die Lieferando App geöffnet war. Etwas überrumpelt nahm ich das Handy von Jonas an und scrollte durch die Auswahl, die sich mir bot. Tatsächlich konnte ich etwas zu Essen gebrauchen, nachdem ich zwischen den Einheiten kaum was runter bekommen hatte.

"Danke", bedankte ich mich, als ich Mats Bruder sein Handy wieder zurückgab. Meine Auswahl war auf gefüllte Pizzabrötchen gefallen und wurde etwas zweifelnd begutachtet.

"Mehr willst du nicht?" wurde ich prompt gefragt, was ich nur mit einem Kopfschütteln abtat. Zugegebenermaßen war mir die ganze Situation unangenehm. Einfach ins kalte Wasser geworfen zu werden gefiel mir nicht, zumal es sich hier um eine Gruppe handelte, die sich inn- und auswendig kannte und ich wortwörtlich das fünfte Rad am Wagen war. Obwohl man das von mir nicht unbedingt kannte, verbrachte ich den Abend hauptsächlich still und beobachtend. Ab und zu schaute ich auf die Uhr, um abschätzen zu können, wie lange ich das hier noch aushalten musste, bis Mats und ich unter uns sein würden. Doch um 11 Uhr gab ich auf, das Zeitfenster abschätzen zu können. Mit Blicken versuchte ich dem Jüngeren klarzumachen, dass ich gerne mit ihm reden wollte, doch ob er sie auch verstand, blieb mir schleierhaft.

"Ich muss mal auf Toilette", verkündete ich und hoffte, dass Mats den Wink mit dem Zaunpfahl verstand. Statt weiter zur Toilette zu laufen, bog ich eine Tür eher in die Küche ab. Tatsächlich dauerte es nur ein paar Minuten, bis Mats mir nachkam. Na wenigstens das hatte er verstanden. Er dachte sogar so weit mit, dass er die Tür leise hinter sich schloss.

"Was soll das?" platzte es aus mir heraus, sobald ich mich sicher fühlte.

"Tut mir leid, die drei standen einfach vor meiner Tür, kurz bevor du gekommen bist. Ich weiß ich hätte dir Bescheid geben sollen", lenkte Mats sofort ein, was mich zugegebenermaßen etwas überraschte.

"Allerdings, ich hatte mich ziemlich auf den Abend mit dir gefreut, bevor ich in der Champions League und du im Pokal spielst und wir uns wieder länger nicht sehen."

"Ich doch auch, aber was soll ich denn machen? Sie rauswerfen?"

Natürlich hatte er recht. Ich wusste es ja auch nicht. Am liebsten würde ich mit 'ja' antworten, aber ich wusste natürlich, dass das nicht ging. Also blieb ich still und blickte Mats nur unzufrieden entgegen.

unforgettable ~ hömmelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt