Kapitel 1

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Es ist der 13te Dezember.

Mitten im kalten Winter.

Darragh und Katie sind seit gestern für 10 Tage im Urlaub in London. Ich hab gesagt dass ich gut auf mich aufpasse und er sich echt keine Sorgen machen muss. Ich bin eine gute Lügnerin. Ich ging hoch in Darraghs und Katies Schlafzimmer. Katie war vor einiger Zeit stark krank und musste ab und zu Schlaftabletten nehmen. Es waren noch 10 übrig. Ich hatte mir bei der Apotheke eine Dose mit 20 Stück gekauft. Einfach locker, fröhlich und freundlich rüberkommen und sie nehmen es einen ab. Ich denke 30 Stück müssten reichen.

Ich zog mir eine dicke Jacke an. Schuhe, Schal und meine Mütze. Dann ging ich raus. Es lag Schnee und es waren Minusgrade. Eisigkalt. Ich ging nicht schnell, eher langsam.

Ich fragte mich ob ich es hier vermissen werde. Auch wenn ich zur UNI gehen werde. Wird es wirklich einen Unterschied machen? Was ist wenn alles wieder wie in der Schule ist? Ich habe keine Lust es überhaupt auszuprobieren. Ich habe keine Lust überhaupt an die UNI zu gehen. Schlecht in der Schule bin ich sowieso. Freunde werde ich doch auch nicht finden. Ich weiß dass ich meine Familie hiermit vielleicht belasten werde. Aber im Endeffekt ist es besser. Was wollen sie mit einer physisch gestörten Tochter oder Schwester? Alles wäre besser wenn ich nicht da bin. Und Niall, er würde mich doch eh nicht davon abhalten. Wie denn auch? Er ist ja nie hier. Er wird auch nie mehr hier sein. Nie wieder. Ich muss ihn einfach vergessen weil er eh nicht mehr wiederkommen wird. Aber ich kann es nicht. Ich kann es nicht. Ich ging weiter durch die kalte Stadt. Ich war schon am Rand von Mullingar. Da war ein kleiner Wald. Davor eine Brücke. Sie war eher versteckt. In Irland war es eh überall grün und zerrissen. Hier ist nie jemand. Außer ich und Niall. Wir waren hier. Wir haben uns hier das erste Mal getroffen als ich mit meinem Hund Finlay spazieren ging. So viel haben wir ab da an erlebt. So viel. Es war eigentlich die schönste Zeit meines Lebens. Bis alles den Bach runterlief. Ich habe für 1 Jahr lang nicht mehr geredet. Das war schwer für Darragh und Katie. Ich wollte sie nicht damit belasten. Doch ich tat es. Meine Eltern ebenfalls. Sie kamen oft zu Besuch. Sie waren so traurig darüber. Aber ich hasste meine Stimme. Ich wollte mich nicht mehr reden hören. Ich will mich nicht mehr sehen. Ich wollte von mir selber weglaufen. Also verstummte ich. Bis mich mein Bruder zum Therapeuten schickte. Er war sehr besorgt. Und irgendwann fing ich schließlich doch wieder an zu sprechen. Während dem Jahr wo ich nicht geredet habe wurde ich noch mehr in der Schule gemobbt. Ich hab einfach alles nur noch schlimmer gemacht. Ich setzte mich auf die Brücke und ließ meine Beine runterbaumeln. Ich dachte an die tolle Zeit mit Niall. Die Zeit die nie wieder kommen wird.

Ich guckte an den Holzbalken links neben mir. „Niall und Kayla“ stand dort und ein Herz hinter. Ich weiß noch wie er sich über mich lustig gemacht hatte, weil meine Hand- oder besser gesagt Schnitzschrift schlechter war als seine. Das Herz ritzte ich später noch dazu. Ich weiß nicht ob er es je gemerkt hatte. Aber ich denke schon.

Ich sah wieder runter von der Brücke. Sie war nicht hoch. Wenn man hier runterspringt bricht man sich höchsten den kleinen Finger. Das Wasser war gefroren und die Eisfläche mit einer dicken Schneeladung bedeckt. Ich erinnerte mich daran wie ich mich mit Niall unten am Wasser gestritten hatte. Ich weiß nicht mehr worum es ging. Doch… es ging um diesen Jungen aus meiner Schule. Jamie. Niall meinte immer ich soll ihn nicht daten. Doch ich hatte es einmal gemacht. Wir hatten uns so drüber gestritten. Ich weiß nicht ob Niall einfach nur eifersüchtig war. Immerhin hatte ich dann keine Lust mehr und lief hoch zur Brücke um zurück zu gehen. Er schrie mir hinterher dass ich hier bleiben soll, aber ich tat es nicht. Er kam hinterher gelaufen. Ich hatte schrecklich geweint. Wir hatten uns vorher noch nie so sehr gestritten. Er hielt mich an beiden Armen fest und ich versuchte mich von ihm zu lösen. Ich hatte mit meinen Fingernägeln so stark in seinen Arm gepiekt dass es geblutet hat. Das weiß ich noch. Und dann küsste er mich. Und ich beruhigte mich und erwiderte seinen Kuss. Danach ging ich einfach weg ohne was zu sagen. Es war einfach zu viel für mich gewesen. Aber es war mein erster Kuss. Und er war nicht grade schlecht. Aber an mehr konnte ich mich auch nicht erinnern.

Ich öffnete meine Tasche und holte die Dose mit den Pillen raus. Ich streute sie allesamt in meine Hand. Ich war mir immer noch nicht sicher ob ich wirklich davon sterben würde. Ich schaute nochmal hoch in den Himmel. Wo ich vielleicht bald sein werde. Und zum Balken. „Niall und Kayla“. Warum hat er sich nie bei mir gemeldet. Ich nahm einen tiefen Atemzug.

Fix YouWhere stories live. Discover now