33 | IVETE

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Das alte Bootshaus schmiegt sich ans Ufer des kleinen Sees. Seine graue Holzfassade ist vom Wetter gezeichnet, aber immer noch in Takt. Ein leichter Wind streicht über den See, bringt das Wasser zum Plätschern und trägt den unverkennbaren, erfrischenden Duft von Wasser mit sich. Die Sonne ist inzwischen gänzlich verschwunden und die Dunkelheit kriecht unaufhörlich heran. Wären die vielen kleinen Lampen im Bootshaus und entlang des Stegs nicht, würde man bald kaum mehr etwas sehen.

Es ist friedlich hier. Die Welt scheint an diesem Ort stillzustehen und die Stille könnte perfekt sein, um sich frei und unbeschwert zu fühlen und eine Pause vom hektischen Alltag einzunehmen ...

... wäre da nicht der Irre mit der Knarre hinter uns, der uns bedroht.

Genau dieser deutet mir nun mit einem ungeduldigen Wink an, weiterzugehen und den langen Steg zu betreten, der aus dem Bootshaus heraus ein ganzes Stück in den See hinein führt und an dessen Ende ein einsamer Stuhl steht.

»Auf dem Stuhl liegen Seile. Fessel deinen Freund daran. Aber keine Tricks. Wenn ich auch nur den leisesten Verdacht habe, dass ihr mich verarscht, schieße ich sofort.«

Ich atme tief ein und nicke. Mein Herz klopft heftig gegen meine Brust, als Bob und ich das Ende des Stegs und einen alten hölzernen Stuhl erreichen. Ich nehme das Seil auf und drehe es zwischen meinen Fingern, während Bob sich setzt. Die raue Oberfläche reibt an meiner Haut, lässt einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen.

»Es tut mir so leid, Bob«, flüstere ich und meine Stimme bricht dabei fast.

»Nichts davon ist deine Schuld!«, raunt er mir lautlos zu und sieht mir dabei fest in die Augen.

Ich will ihm widersprechen, aber ich habe Angst vor der Reaktion und halte daher den Mund.

Bob liegt falsch. Definitiv! Dass wir hier sind, ist meine Schuld! Schon wieder! Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir das hinter uns gelassen hatten. Ich hatte mir geschworen, Bob nie wieder in eine solche Situation zu bringen. Und jetzt stehen wir hier mitten im Nichts und werden von einem Irren mit einer Knarre bedroht. Einem Irren, den ich kenne.

Samuel Walborn.

Wäre er nicht plötzlich hier aufgetaucht, ich hätte vermutlich nie wieder an ihn gedacht. Es hat etwas gedauert, bis ich ihn erkannt hatte. Die Cappy sitzt immer noch tief in seinem Gesicht, aber die Stimme hat ihn verraten.

Ich knie nieder und beginne, Bobs Hände hinter seinem Rücken und an den Stuhl zu fesseln. Ich hasse es, das tun zu müssen. Jede Bewegung ist eine Qual, ein weiterer Schritt in eine Richtung, die ich nicht gehen will. Aber was kann ich tun? Mir bleibt keine andere Wahl. Wenn ich allein wäre, wäre das etwas anderes. Aber Walborn weiß offenbar ganz genau, wie er mich kriegen kann: In dem er nicht mich, sondern Bob bedroht.

Bob hat während der Fahrt und dem langen Fußweg hierher immer wieder versucht, Blickkontakt mit mir aufzunehmen. Er ist angespannt und aufmerksam. Bereit, sofort loszulegen, sobald ich das Startzeichen gebe. Aber ich werde den Teufel tun, irgendetwas zu unternehmen, das ihn weiter in Gefahr bringt. Nicht, wenn eine geladene Waffe kontinuierlich in seine Richtung zeigt.

Sobald ich fertig bin, sehe ich auf und begegne Walborns Blick. Er lächelt. Es ist kein nettes Lächeln. Es liegt soviel Boshaftigkeit darin, dass sich ein unangenehmer Knoten in meiner Brust bildet, weil ich Angst davor habe, wie es nun weitergeht.

Er ist uns ein kleines Stück gefolgt und steht jetzt etwas auf der Hälfte des Stegs. Die Waffe deutet nun auf mich, nicht mehr auf Bob, weil ich zwischen den beiden Männern stehe. Aber es nützt uns leide wenig. Walborn versperrt uns den Fluchtweg, sofern wir nicht auf das Wasser ausweichen wollen. Da Bob aber nun gefesselt ist, ist das keine Option. Nie im Leben wären wir schneller als die Kugeln.

Unbekannter Gegner (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt