43 | PETER

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Die Sonne steht tief am Himmel und taucht die Umgebung in ein warmes Licht, als ich die Strandpromenade entlanggehe. Das kurze Gewitter, das uns vor etwa einer Stunde überrascht hat, brachte eine willkommene Abkühlung. Gleichzeitig ist die Luft jetzt so aufgeladen, dass die nächste Gewitterfront schon deutlich zu spüren ist. Die drückende Schwüle, die wie ein schwerer Schleier über der Küste hängt, hält aber keinen echten Kalifornier davon ab, den Strand zu besuchen. Die Promenade wimmelt von Menschen, die die letzten Sonnenstrahlen des Tages genießen, ebenso wie der breite Strand, der mit bunten Handtüchern und Sonnenschirmen übersät ist. Auf den Wellen, die heute fantastisch aussehen, entdecke ich einige Surfer. Am liebsten würde ich mich ihnen anschließen und die Freiheit der Wellen genießen, aber ich habe andere Pläne.

Während ich die Surfer beobachte und meinen Weg fortsetze, lasse ich die letzten Tage Revue passieren. Eine Woche sind die Ereignisse im Strandhaus nun her. Eine Woche, in der viel aufgearbeitet werden musste und viele Entscheidungen getroffen wurden.

Seay wird zur Rechenschaft gezogen. Der Befehl, den er gegeben hat, war eindeutig als Mordbefehl zu werten und wird ihm zum Verhängnis werden. Ich kann immer noch nicht glauben, dass er sich von mir so hat provozieren lassen. Ich bin ein enormes Risiko eingegangen, aber ich sah keine andere Möglichkeit, ihn zu überführen und gleichzeitig Ivete zu retten. Ich will gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn mein Plan gescheitert wäre. Aber es ist gut ausgegangen, nur das zählt. Denn auch wenn mir alle etwas anderes erzählen, es nagt immer noch an mir, dass ich an allem schuld bin.

Wie sich herausstellte, hat mein Anruf bei Sascha tatsächlich alles ins Rollen gebracht. Es war wie eine Kettenreaktion. Sascha war gewarnt und nahm sofort Kontakt mit Walborn auf. Eigentlich hatten die beiden andere Pläne, aber mein unerwartetes Auftauchen zwang sie, alles spontan vorzuziehen. Vielleicht war das auch unser Glück, denn sie haben entscheidende Fehler gemacht. Sie haben uns unterschätzt und, was noch entscheidender ist, sie haben Ivetes Schwester, das Technikgenie, nicht berücksichtigt. Ohne sie wäre alles viel komplizierter geworden. Das hat uns einen entscheidenden Vorteil verschafft.

Wenn man es genau betrachtet, gab es eindeutig viel zu viele Faktoren, die wir nur mit einer gehörigen Portion Glück überstanden haben. Das Universum, Gott oder wer auch immer, war an diesem Tag definitiv auf unserer Seite, auch wenn es an manchen Stellen wirklich sehr knapp war.

Jedes Mal, wenn ich an Sascha denke, kocht die Wut in mir wieder hoch. Ihm geht es nach dem Kampf mit Ivete gut, was mich einerseits beruhigt. Andererseits gönne ich ihm jeden Schmerz für das, was er Ivete angetan hat und uns allen antun wollte.

Es war unglaublich, wie Ivete es geschafft hat, sich gegen ihn zu behaupten. Mir war von Anfang an klar, dass ich alleine gegen Sascha keine Chance haben würde, deshalb habe ich mich darauf konzentriert, Ivete eine Fluchtmöglichkeit zu verschaffen und Sascha ausreichend abzulenken. Damit wir zu zweit mehr Chancen haben. Aber dass Ivete sich ohne zu zögern gegen ihn stellt und ihn sogar besiegt, damit hatte ich nicht gerechnet. Verdammt, ich habe noch nie in meinem Leben jemanden so kämpfen sehen. Jetzt verstehe ich, was ›Kämpfen auf Leben und Tod‹ bedeutet, denn genau das hat sie getan. Sie hat gekämpft wie eine Löwin und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie ihr Leben gegeben hätte.

In diesem Moment erreiche ich mein Ziel. Entlang der Promenade stehen einige Foodtrucks, auf dem breiten, ausgetrockneten Rasenstreifen daneben sind zwischen den Palmen Bänke aufgestellt, die bereits von mehreren Leuten besetzt sind. Auf einer der Bänke am Rand entdecke ich Ivete. Sie sitzt allein, die Ellbogen auf den Tisch, den Kopf in die Hand gestützt. Nachdenklich blickt sie aufs Meer. Der Wind spielt mit ihrem Haar und wirbelt die schwarzen Locken um ihr Gesicht. Doch sie scheint nicht darauf zu achten. In den letzten Tagen habe ich es geschafft, ihr aus dem Weg zu gehen. Eigentlich war ich nur zum Schlafen in der WG, deshalb bin ich jetzt überrascht, wie erschöpft sie schon aus einer Entfernung von etwa dreißig Metern aussieht. Wahrscheinlich hatte sie in den letzten Tagen keine ruhige Minute, um das Geschehene hinter sich zu lassen und durchzuatmen.

Unbekannter Gegner (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt