Kapitel 2.1 „Bist du ein Stalker oder was?"

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In mir schrillen alle Alarmglocken, wie laut dröhnende Sirenen. Trotzdem drehe ich mich etappenweise um, weil ich einfach wissen muss, wer hinter dieser Stimme steckt. Dieser kraftvollen und strengen, aber auch bedrohlich männlichen Stimme.

Als ich ihn sehe, trifft mich der Schlag. Wenn man einem Typen, den man bisher noch nie gesehen hat, plötzlich zweimal kurz nacheinander begegnet, kann es doch kein Zufall sein.

„Verfolgst du mich?" Meine Stimme ist zittrig, dabei gebe ich mir viel Mühe, sie stark klingen zu lassen. Er hat mein Unbehagen dennoch bemerkt und starrt mich wie im Korridor fragend an.

Er sitzt mit einem angewinkelten Bein auf dem Bett und lehnt sich lässig nach hinten. Es sieht so aus, als hätte er ein Powernap eingelegt oder auf mich gewartet. Was mir definitiv zu Bedenken geben würde. Seine Miene erinnert mich an Herrn Harbarth. Mein mürrischer alter Nachbar. „Lasst mich alle in Ruhe! Ich hasse jeden und alles hier. Ich bin von Kopf bis Fuß genervt!" So oder so ähnlich klingt er in Dauerschleife. Nur dass dieser komische Typ vor mir eher in meine Altersgruppe passt.

Als er zu sprechen beginnt, läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Keinen blassen Schimmer, warum mir seine Stimme überhaupt so viel Angst einjagt. Ich habe ihn noch nie in meinem Leben gesehen, da verwette ich meine heiligen Lernkarten drauf. Einen Kerl wie ihn vergisst man nicht.

„Ja", seufzt er. "Unter gewissen Umständen kann man das definitiv als Verfolgung bezeichnen. Gezwungenermaßen." Er richtet sich auf und läuft auf mich zu. „Es ist merkwürdig, dass du mich sehen kannst. Ich bin etwas irritiert und auch leicht angepisst. Man hätte mich ruhig vorwarnen können!", sagt er lauter, während sein Blick zur Decke schweift.

Instinktiv rücke ich einen Schritt zurück. Mehr ist wegen des Kühlschranks hinter mir nicht drin. Was zum Henker labert er da? Ich öffne selbstbewusst den Mund, um zu fragen, warum er mich verfolgt oder wovon er überhaupt redet? Aber augenblicklich kehrt die Erinnerung zurück und sowohl Angst als auch die besondere Aura, die ihn umgibt, verschlagen mir die Sprache. Ich darf mich auf keinen Fall ein zweites Mal von seinem Erscheinungsbild beirren lassen. Er hat zugegeben, dass er mich verfolgt. Was soll das?

Ich bin wie paralysiert und bringe keinen Ton raus. Das Schlimmste ist, ich weiß nicht mal warum? Gefühlt steht alles unter Spannung. Er fesselt mich mit seinem intensiven Blick und seinem Charisma. Dann geht er einen weiteren Schritt auf mich zu und ich bekomme Panik. Mir wird heiß und ich habe das Gefühl, in einer Sauna zu stehen. Unbewusst drücke ich die Kühlkompresse zu fest auf mein Handgelenk und der stechende Schmerz löst mich aus seinem Bann. Endlich meldet sich mein Verstand zurück und mein Körper erwacht. Mit einer schnellen Drehung wende ich mich von ihm ab und schaffe es Richtung Tür.

In dem Moment schwingt sie unverhofft auf. Es ist die Ärztin, die mir wahrscheinlich das Leben rettet.

„Zieyana, du bist ja schon wieder hier." Mitfühlend läuft sie auf mich zu. Trotz ihres Rentenalters ist Frau Dr. Wett immer noch an der Uni tätig, und das mit Leib und Seele. Kein Wunder, dass alle sie mögen. „Was hast du diesmal angestellt, Hm?" Ihr Blickt fällt auf meine Hand mit der Kühlkompresse. „Zeig mal her."

So glücklich war ich noch nie sie zu sehen.

„Dr. Wett!", hauche ich erleichtert. „Hallo. Ähm, alles okay, nur eine Kleinigkeit." Schnell rücke ich näher an die Ärztin heran. „Brauche nur etwas zum Kühlen für mein Handgelenk." Mein piepsiger Tonfall scheint ihr nicht aufzufallen.

„Ich schaue es mir trotzdem an." Sie ergreift mein Handgelenk und tastet es ab. Während ich schmerzlich das Gesicht verziehe, schlendert der Kerl einfach an uns vorbei und nuschelt vor sich her. „Großartig. Ein tollpatschiger Bauerntrampel im höchsten Niveau und Angsthase in einem. Das bedeutet 24-Stunden-Schicht. Hervorragend!"

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