Kapitel 3.1 „Such dir etwas Anderes zum Toben!"

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Ich bin geschockt, verwirrt und vollkommen verängstigt. Alle erdenklichen Emotionen ertränken mich. Aiven... Der Name sagt mir gar nichts.

Entgeistert laufe ich im Wohnzimmer auf und ab und lasse seine Worte immer wieder Revue passieren:

Schutzengel. Mein Tod. Die Gabe. Erinnerungen und Träume...

Was zum Henker meint er damit?

Ich stelle zu meinem Entsetzen fest, dass ich ihm ein klein wenig Glauben schenke. Unter anderen Umständen würden mich seine Worte nicht die Bohne interessieren, aber meine Fähigkeit, ist echt. Und er weiß davon.

Wie kann er so plötzlich auftauchen und wieder verschwinden? Wieso haben ihn weder Lara noch Frau Dr. Wett gesehen?

Das Bedürfnis meine beste Freundin anzurufen und ihr alles zu erzählen treibt mich dazu, mein iPhone in die Hand zu nehmen und eine Nachricht zu tippen. Bis ich einen Blick auf die Uhr werfe. 01:13 Uhr nachts. Hochkant fliegt mein Handy aufs Sofa und ich geselle mich dazu. Mir dröhnt der Schädel.

Während ich so dasitze, suche ich nach den richtigen Worten, wie ich Lara alles erzählen kann. Und prompt zweifle ich wieder an der Entscheidung, ihr von meiner Fähigkeit und Aiven - komisch über diesen Namen nachzudenken - zu erzählen.

Okay, ich merke schon, es ist definitiv zu spät für irgendwelche Entscheidungen. Ich kann von Glück reden, wenn ich vor lauter Chaos in meinem Gehirn, den kurzen Weg in mein Zimmer finde.

Ich zwinge mich ins Bett und verliere keine Gedanken mehr über den heutigen - beziehungsweise gestrigen Tag. So zumindest der Plan. Doch alle paar Minuten öffne ich die Augen. Wälze mich hin und her, wie ein Kind mit Albträumen. Ein ungutes Gefühl lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Taucht der Kerl wieder auf? Ist er noch da und beobachtet mich? Vom ganzen Gedankenkarussell wird mir langsam übel.

Seufzend drehe ich mich auf den Rücken und fasse mir an die Stirn. Da fällt mir meine Schlafzimmertür zu meinen Füßen ins Auge. Ruckartig setzte ich mich auf. Mein Herz droht zu zerspringen.

Habe ich sie nicht zu gemacht?

Doch, natürlich! Ich schließe immer meine Tür, das ist Gewohnheit. Anders kann ich nicht einschlafen. Zu viele Horrorfilme in zu jungen Jahren tragen nun mal Konsequenzen mit sich.

Aber wie kann sie jetzt einen Spalt offen stehen?

In den besagten Filmen schauen die Figuren immer nach und sterben einen qualvollen Tod. Ich musste immer schmunzeln, weil ich das so dämlich fand. Aber jetzt bin ich selbst in so einem Horrorstreifen. Kann ich nicht einfach liegen bleiben, verdammt?

Andererseits werde ich keine ruhige Minute haben, weil ich doch ganz genau weiß, dass ich diese verdammte Tür zu gemacht habe!

Zögerlich schalte ich die Nachttischlampe an, ohne den Blick von der Tür zu lösen.

„Mom?" Meine Stimme klingt nicht annähernd laut oder fest genug. Ich weiß, dass sie nicht diejenige ist, die unangemeldet in meiner Wohnung rum spukt, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Tatsächlich hatte ich noch nie ernsthafte Probleme damit, alleine zu sein. Doch es scheint sich in diesem Augenblick zu ändern. Noch vor wenigen Stunden war meine größte Angst, der Psychopath von Schutzengel. Und jetzt...? Könnte es ein Einbrecher sein? Oder erlaubt sich dieser Aiven einen schlechten Scherz? Ich fühle mich wie in einem billigen Thriller.

Langsam hieve ich meine nackten Füße aus dem Bett. Eine Gänsehaut rasselt durch meinen Körper. Trotz der Schwüle, ist mir frisch. Ich versuche in meinem Kopf humorvolle Witze darüber zu reisen, aber ich kann die Nervosität nicht unterdrücken. Mein schwerer Atem und das feine Summen meiner Nachttischlampe, ist das Einzige, das ich höre. Vor der Spalte bleibe ich stehen und luge ins dunkle Wohnzimmer.

Absolute Stille.

Lediglich die Schatten des großen Baumes vor meinem Balkon, bewegen sich im Einklang mit den hellen Mondstrahlen auf meinem Fußboden. Früher konnte ich stundenlang diesen ruhigen Bewegungen zuschauen.

Mein Puls normalisiert sich. Bestimmt habe ich sie in meiner Aufregung nicht richtig geschlossen. Eine ganz einfache Erklärung. Schließlich muss ich mir eingestehen, dass ich den Verstand verliere. Da passieren solche Dinge nun mal. Ich jage mir selbst eine Todesangst ein. Wie erbärmlich.

Ich schließe die Tür und gehe zurück ins Bett. Aber ganz abgehakt ist die Sache trotzdem noch nicht. Meine Augen bleiben instinktiv an der Tür kleben, bis die Lieder zu schwer werden und ich einschlafe.


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